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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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vortrug, die im Vorigen mitgetheilt sind. Auch diese Schrift, die den Titel:
"Oe .justÄ reipublicae OnristiÄNg, in regos imxios et Ilaeretieos anotvrit^w"
führte und 1592 zu Antwerpen erschien, erfreute sich der Approbation der je¬
suitischen Obern. Was für Ungeheuerlichkeiten aber darin neben einigen rich¬
tigen Meinungen gelehrt worden, möge man aus folgenden wörtlich heraus¬
gehobenen Stellen ersehen.

Die verschiedenen Regierungsformen sind nicht natürlichen, geschweige
denn göttlichen Rechts, sie stammen nur "aus den Sitten der Volker, welche,
bewogen von nothwendigen Ursachen und Bedürfnissen des Gemeinwohles
bald die bald jene Formen des Gehorchens und Gebieters annahmen." "Dies
gilt auch von der Königswürde, welche keinen andern Ursprung hat als die
übrigen Gewalten; denn die, welche sich Könige wählten, konnten sich ja auch
Consuln oder Herzöge wählen. Und hiermit hängt auch die Erbfolge allein
vom Willen des Volkes ab, wie die römische Geschichte zeigt." "Alles dieses
hat bestimmt weder Gott noch die Natur geordnet, sondern nur der Wille,
das Belieben, die Einrichtung und freie Einsetzung der Völker, entweder
gleich zu Anfang, als sie ihre Staaten gründeten, oder später, als sie die¬
selben verbesserten. Haben Einige gegen den Willen des Volkes durch Gewalt,
durch böse Künste u. d. die Herrschaft an sich gerissen, so haben die Philo¬
sophen und Gesetzgeber solche stets als grausame Tyrannen und gewaltthätig?
Räuber verabscheut und verdammt und durch Aussetzung von Ehren und
Belohnungen jeden Bürger aufgefordert, sie zu ermorden. Mögen wir nach
dem ersten Ursprung der Herrschaft forschen oder die verschiedenen legitimen
Regierungsformen betrachten, immer muß man auf das Ansehen der Gesammt¬
heit, des Volkes, als auf ihre wahre und eigentliche Quelle zurückkommen."

"Wer ist wohl so ganz und gar von der gesunden Vernunft verlassen
daß er dem Staate die Befugniß absprechen sollte, sich selbst gegen innere
und äußere Feinde zu wehren? Und zu diesen gehören blutige, grausame und
ungerechte Fürsten, welche eine Pest der menschlichen Gesellschaft sind. Was bei
kleinen Gefahren erlaubt ist, daß ist gewiß bei größeren gestattet. Wenn
der König träge ist, sich nicht um die Geschäfte kümmert, so hat das Volk
das Recht, ihn links liegen zu lassen und sich selbst zu helfen. Ja es ist
sogar seine Schuldigkeit und gereicht ihm zum Ruhm und zur Ehre, des
Königs Wahnsinn zu bändigen und durch Unterdrückung des Einen die
Sicherheit Aller zu begründen, wenn er gegen den Staat frevelt, die vater¬
ländischen Gesetze verletzt, die Religion (d. h. natürlich das Papstthum
zu dessen Gunsten dies Alles vorzüglich vorgetragen wird) verachtet und freie
Völker zu seinen Sklaven herabwürdigt. Erst der Staat (unter welchem
Ausdruck der Autor stets das Volk oder vielmehr, wie häufig auch die heu¬
tigen Demokraten, seine Partei versteht), dann der König!"


vortrug, die im Vorigen mitgetheilt sind. Auch diese Schrift, die den Titel:
„Oe .justÄ reipublicae OnristiÄNg, in regos imxios et Ilaeretieos anotvrit^w"
führte und 1592 zu Antwerpen erschien, erfreute sich der Approbation der je¬
suitischen Obern. Was für Ungeheuerlichkeiten aber darin neben einigen rich¬
tigen Meinungen gelehrt worden, möge man aus folgenden wörtlich heraus¬
gehobenen Stellen ersehen.

Die verschiedenen Regierungsformen sind nicht natürlichen, geschweige
denn göttlichen Rechts, sie stammen nur „aus den Sitten der Volker, welche,
bewogen von nothwendigen Ursachen und Bedürfnissen des Gemeinwohles
bald die bald jene Formen des Gehorchens und Gebieters annahmen." „Dies
gilt auch von der Königswürde, welche keinen andern Ursprung hat als die
übrigen Gewalten; denn die, welche sich Könige wählten, konnten sich ja auch
Consuln oder Herzöge wählen. Und hiermit hängt auch die Erbfolge allein
vom Willen des Volkes ab, wie die römische Geschichte zeigt." „Alles dieses
hat bestimmt weder Gott noch die Natur geordnet, sondern nur der Wille,
das Belieben, die Einrichtung und freie Einsetzung der Völker, entweder
gleich zu Anfang, als sie ihre Staaten gründeten, oder später, als sie die¬
selben verbesserten. Haben Einige gegen den Willen des Volkes durch Gewalt,
durch böse Künste u. d. die Herrschaft an sich gerissen, so haben die Philo¬
sophen und Gesetzgeber solche stets als grausame Tyrannen und gewaltthätig?
Räuber verabscheut und verdammt und durch Aussetzung von Ehren und
Belohnungen jeden Bürger aufgefordert, sie zu ermorden. Mögen wir nach
dem ersten Ursprung der Herrschaft forschen oder die verschiedenen legitimen
Regierungsformen betrachten, immer muß man auf das Ansehen der Gesammt¬
heit, des Volkes, als auf ihre wahre und eigentliche Quelle zurückkommen."

„Wer ist wohl so ganz und gar von der gesunden Vernunft verlassen
daß er dem Staate die Befugniß absprechen sollte, sich selbst gegen innere
und äußere Feinde zu wehren? Und zu diesen gehören blutige, grausame und
ungerechte Fürsten, welche eine Pest der menschlichen Gesellschaft sind. Was bei
kleinen Gefahren erlaubt ist, daß ist gewiß bei größeren gestattet. Wenn
der König träge ist, sich nicht um die Geschäfte kümmert, so hat das Volk
das Recht, ihn links liegen zu lassen und sich selbst zu helfen. Ja es ist
sogar seine Schuldigkeit und gereicht ihm zum Ruhm und zur Ehre, des
Königs Wahnsinn zu bändigen und durch Unterdrückung des Einen die
Sicherheit Aller zu begründen, wenn er gegen den Staat frevelt, die vater¬
ländischen Gesetze verletzt, die Religion (d. h. natürlich das Papstthum
zu dessen Gunsten dies Alles vorzüglich vorgetragen wird) verachtet und freie
Völker zu seinen Sklaven herabwürdigt. Erst der Staat (unter welchem
Ausdruck der Autor stets das Volk oder vielmehr, wie häufig auch die heu¬
tigen Demokraten, seine Partei versteht), dann der König!"


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/376>, abgerufen am 22.07.2024.