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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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zur Befreiung des Volkes, sondern einzig und allein zur Verherrlichung der
Hierarchie erfunden ist.

Diese entschieden revolutionären Lehren sind vor Allem von den Jesuiten
vorgetragen und vertheidigt worden. Wir begegnen in der Literatur des
Ordens einer ganzen Reihe von Schriftstellern, die sich vorzüglich dadurch
einen Namen erworben haben, daß sie als eifrige Vorkämpfer für die Idee
der Volkssouveränetcit, als Advocaten des Rechtes zur Revolution, ja als
entschiedene und rückhaltslose Fürsprecher der Abschaffung und Verjagung,
selbst der Ermordung von Fürsten aufgetreten sind, die sich mißliebig gemacht.
Im Folgenden die Belege dazu, denen wir nur wenige Bemerkungen hinzu¬
setzen. Der Orden, der sich bekanntlich nie verändert, der "bleiben wie er
ist, oder aufhören muß zu existiren", mag sich selbst anklagen.

Der Jesuit Lainez, welcher auf der Synode von Trient den Satz vor¬
trug, daß die Kirche unter der von Christus eingesetzten Papstmonarchie als
eine Magd geboren sei, die keinerlei Art von Freiheit, Macht oder Juris-
diction habe, lehrt dabei von den menschlichen Gesellschaften und Staaten im
Gegensatz zu der allein von Gott gegründeten Kirche: "Sie besitzen ihr Wesen
von Anfang an und, gestalten sich dann ihre Negierung. Daher sind sie frei,
und ist die Quelle aller Gewalt bei den Gemeinheiten, welche dieselbe ihren
Obrigkeiten mittheilen, ohne sich dadurch dieser Gewalt selbst zu begeben."

Der bereits erwähnte Jesuit Cardinal Bellarmin, der in seiner Schrift:
"vo Romans ?0ntiüee" sagt: "die staatliche Gewalt liegt im Volke, wenn
sie nicht vom Volke auf den Fürsten übertragen wird", "das weltliche Fürsten-
thum stammt von Menschen, aus dem Völkerrecht, das kirchliche Fürstenthum
stammt allein von Gott, aus göttlichem Recht", äußert sich in seiner Abhandlung:
"I)e Mraw'is LeelWiao rnilitluitis": "Die Staatsgewalt ruht unmittelbar in
der gesammten Menge. Diese Gewalt wurde von der Menge nach natür¬
lichem Rechte auf Einen oder Mehrere übertragen. Von dem Uebereinkommen
der Menge hängt es ab, ob sie Könige oder Consuln oder andere Obrigkeiten
über sich setzt. Daraus folgt, daß, wenn ein gültiger Grund vorhanden ist,
die Menge ein Königreich in eine Aristokratie oder Demokratie oder auch
umgekehrt verwandeln kann, wie es die Römer thaten."

Wir möchten bezweifeln, daß man die Volkssouveränetät und das Recht
zur Revolution unverhüllter und entschiedener proclamiren könnte. Von einer
Legitimität der herrschenden Dynastien, von einem Rechte, welches die Fürsten
über oder doch neben dem Volksrechte hätten, weiß weder der Concilsredner
noch der gelehrte Cardinal irgend etwas. Aber es kommt noch besser.

Der spanische Jesuit Mariana hat in seinem vielgebrauchten Hand¬
buche: "v<z lie^e et ReAs instiwtiono"*), dem eine in den rühmendsten Aus-



*) 1S98 zu Toledo erschienen.

zur Befreiung des Volkes, sondern einzig und allein zur Verherrlichung der
Hierarchie erfunden ist.

Diese entschieden revolutionären Lehren sind vor Allem von den Jesuiten
vorgetragen und vertheidigt worden. Wir begegnen in der Literatur des
Ordens einer ganzen Reihe von Schriftstellern, die sich vorzüglich dadurch
einen Namen erworben haben, daß sie als eifrige Vorkämpfer für die Idee
der Volkssouveränetcit, als Advocaten des Rechtes zur Revolution, ja als
entschiedene und rückhaltslose Fürsprecher der Abschaffung und Verjagung,
selbst der Ermordung von Fürsten aufgetreten sind, die sich mißliebig gemacht.
Im Folgenden die Belege dazu, denen wir nur wenige Bemerkungen hinzu¬
setzen. Der Orden, der sich bekanntlich nie verändert, der „bleiben wie er
ist, oder aufhören muß zu existiren", mag sich selbst anklagen.

Der Jesuit Lainez, welcher auf der Synode von Trient den Satz vor¬
trug, daß die Kirche unter der von Christus eingesetzten Papstmonarchie als
eine Magd geboren sei, die keinerlei Art von Freiheit, Macht oder Juris-
diction habe, lehrt dabei von den menschlichen Gesellschaften und Staaten im
Gegensatz zu der allein von Gott gegründeten Kirche: „Sie besitzen ihr Wesen
von Anfang an und, gestalten sich dann ihre Negierung. Daher sind sie frei,
und ist die Quelle aller Gewalt bei den Gemeinheiten, welche dieselbe ihren
Obrigkeiten mittheilen, ohne sich dadurch dieser Gewalt selbst zu begeben."

Der bereits erwähnte Jesuit Cardinal Bellarmin, der in seiner Schrift:
„vo Romans ?0ntiüee" sagt: „die staatliche Gewalt liegt im Volke, wenn
sie nicht vom Volke auf den Fürsten übertragen wird", „das weltliche Fürsten-
thum stammt von Menschen, aus dem Völkerrecht, das kirchliche Fürstenthum
stammt allein von Gott, aus göttlichem Recht", äußert sich in seiner Abhandlung:
„I)e Mraw'is LeelWiao rnilitluitis": „Die Staatsgewalt ruht unmittelbar in
der gesammten Menge. Diese Gewalt wurde von der Menge nach natür¬
lichem Rechte auf Einen oder Mehrere übertragen. Von dem Uebereinkommen
der Menge hängt es ab, ob sie Könige oder Consuln oder andere Obrigkeiten
über sich setzt. Daraus folgt, daß, wenn ein gültiger Grund vorhanden ist,
die Menge ein Königreich in eine Aristokratie oder Demokratie oder auch
umgekehrt verwandeln kann, wie es die Römer thaten."

Wir möchten bezweifeln, daß man die Volkssouveränetät und das Recht
zur Revolution unverhüllter und entschiedener proclamiren könnte. Von einer
Legitimität der herrschenden Dynastien, von einem Rechte, welches die Fürsten
über oder doch neben dem Volksrechte hätten, weiß weder der Concilsredner
noch der gelehrte Cardinal irgend etwas. Aber es kommt noch besser.

Der spanische Jesuit Mariana hat in seinem vielgebrauchten Hand¬
buche: „v<z lie^e et ReAs instiwtiono"*), dem eine in den rühmendsten Aus-



*) 1S98 zu Toledo erschienen.
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[0373] zur Befreiung des Volkes, sondern einzig und allein zur Verherrlichung der Hierarchie erfunden ist. Diese entschieden revolutionären Lehren sind vor Allem von den Jesuiten vorgetragen und vertheidigt worden. Wir begegnen in der Literatur des Ordens einer ganzen Reihe von Schriftstellern, die sich vorzüglich dadurch einen Namen erworben haben, daß sie als eifrige Vorkämpfer für die Idee der Volkssouveränetcit, als Advocaten des Rechtes zur Revolution, ja als entschiedene und rückhaltslose Fürsprecher der Abschaffung und Verjagung, selbst der Ermordung von Fürsten aufgetreten sind, die sich mißliebig gemacht. Im Folgenden die Belege dazu, denen wir nur wenige Bemerkungen hinzu¬ setzen. Der Orden, der sich bekanntlich nie verändert, der „bleiben wie er ist, oder aufhören muß zu existiren", mag sich selbst anklagen. Der Jesuit Lainez, welcher auf der Synode von Trient den Satz vor¬ trug, daß die Kirche unter der von Christus eingesetzten Papstmonarchie als eine Magd geboren sei, die keinerlei Art von Freiheit, Macht oder Juris- diction habe, lehrt dabei von den menschlichen Gesellschaften und Staaten im Gegensatz zu der allein von Gott gegründeten Kirche: „Sie besitzen ihr Wesen von Anfang an und, gestalten sich dann ihre Negierung. Daher sind sie frei, und ist die Quelle aller Gewalt bei den Gemeinheiten, welche dieselbe ihren Obrigkeiten mittheilen, ohne sich dadurch dieser Gewalt selbst zu begeben." Der bereits erwähnte Jesuit Cardinal Bellarmin, der in seiner Schrift: „vo Romans ?0ntiüee" sagt: „die staatliche Gewalt liegt im Volke, wenn sie nicht vom Volke auf den Fürsten übertragen wird", „das weltliche Fürsten- thum stammt von Menschen, aus dem Völkerrecht, das kirchliche Fürstenthum stammt allein von Gott, aus göttlichem Recht", äußert sich in seiner Abhandlung: „I)e Mraw'is LeelWiao rnilitluitis": „Die Staatsgewalt ruht unmittelbar in der gesammten Menge. Diese Gewalt wurde von der Menge nach natür¬ lichem Rechte auf Einen oder Mehrere übertragen. Von dem Uebereinkommen der Menge hängt es ab, ob sie Könige oder Consuln oder andere Obrigkeiten über sich setzt. Daraus folgt, daß, wenn ein gültiger Grund vorhanden ist, die Menge ein Königreich in eine Aristokratie oder Demokratie oder auch umgekehrt verwandeln kann, wie es die Römer thaten." Wir möchten bezweifeln, daß man die Volkssouveränetät und das Recht zur Revolution unverhüllter und entschiedener proclamiren könnte. Von einer Legitimität der herrschenden Dynastien, von einem Rechte, welches die Fürsten über oder doch neben dem Volksrechte hätten, weiß weder der Concilsredner noch der gelehrte Cardinal irgend etwas. Aber es kommt noch besser. Der spanische Jesuit Mariana hat in seinem vielgebrauchten Hand¬ buche: „v<z lie^e et ReAs instiwtiono"*), dem eine in den rühmendsten Aus- *) 1S98 zu Toledo erschienen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/373>, abgerufen am 22.07.2024.