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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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waltung zu gleichem Zwecke überwiesen waren, -- denn auch die süddeutschen
Postbeamten haben volles Anrecht auf eine solche Berücksichtigung -- wurde
durch das Gesetz vom 20. Juni 1872 die Restsumme von 100,000 Thalern
dem Kaiser zur Begründung der Stiftung zur Verfügung gestellt. Kaiser
Wilhelm hat das Protectorat der durch Allerhöchste Ordre ä. ä. Regensburg,
den 29. August 1872 nunmehr ins Leben gerufenen Stiftung übernommen;
> dieselbe führt den Namen: "Kaiser Wilhelm-Stiftung für die An¬
gehörigen der deutschen Reichs-Postverwaltun g" und wird von
dem General-Postamte in Berlin verwaltet, welches für die sichere Anlegung
des Stiftungsvermögens und die zutreffende Verwendung der Zinsen des¬
selben sowie etwaiger Donationen zu sorgen hat. Das Statut der Stiftung,
welches so eben veröffentlicht worden ist, läßt bei vollem realistischem Detail,
das die Sicherstellung des Stiftungsvermögens, die Art der Bewilligungen
und die Rechnungslegung an den obersten Rechnungshof des Reichs betrifft,
die humanen Zwecke des Begründers, sowie dessen idealistische Richtung in
prägnanter Weise hervortreten. Die Förderung der sittlichen und geisti¬
gen Bildung der Beamten stellt der Leiter der Reichspost als Hauptziel der
Bestrebungen voran. Demgemäß sollen nach dem Wortlaute des Statuts
Beamte, welche eine "besondere Befähigung dargethan haben", durch Reise¬
stipendien aus den Stiftungseinkünften in den Stand gesetzt werden, zum
Nutzen der Verwaltung in fremden Ländern ihre Sprachkenntnisfe zu erwei¬
tern und die Post- und Verkehrseinrichtungen des Auslandes zu studiren.
Eine vortreffliche Appellation an das ciceronicmische: <Momg,in söinxer g,ppo
etudes Zlorias g,t<Mo ÄvicU lanatis kuistis, (Zuirites! Angehörige von Reichs-
Postbeamten können, wenn sie würdig und geeignet sind, ebenfalls Stipendien
erhalten, um in ihren Studien aus Universitäten, höheren Schulen, Kunst-
Instituten u. s. w. wirksam gefördert zu werden. Endlich wird das Stif¬
tungsvermögen für Hinterbliebene von Postbeamten, namentlich als Beihülfe
zur' Aufnahme der ersteren in Erziehungsanstalten, Waisenhäusern u. s. w.
und zur Erlangung von Freistellen in solchen Anstalten Verwendung finden:
eine Perspective von überaus segensreicher, fruchtbringender Wirksamkeit.

Wir würden dieser Maßregel, für welche der specielle Kreis der Post¬
beamten ihrem Chef in hohem Grade dankbar sein muß, nicht eine so ein¬
gehende Besprechung gewidmet haben, wenn sich die Errichtung dieser Stif¬
tung nicht als ein wichtiger Beitrag zur Lösung der socialen Frage
characterisirte, deren Wogendrang vielleicht an tausend Punkten das morsche
Gebäude unserer heutigen, fast bis zur Nervosität angespannten Gesellschafts¬
verhältnisse zu zertrümmern im Begriffe steht. Die Maßregel, schon an sich
bedeutungsvoll, muß außerdem im Zusammenhange mit den sonstigen Humani¬
tären Organisationen des General-Postdirectors Stephan, namentlich mit den


waltung zu gleichem Zwecke überwiesen waren, — denn auch die süddeutschen
Postbeamten haben volles Anrecht auf eine solche Berücksichtigung — wurde
durch das Gesetz vom 20. Juni 1872 die Restsumme von 100,000 Thalern
dem Kaiser zur Begründung der Stiftung zur Verfügung gestellt. Kaiser
Wilhelm hat das Protectorat der durch Allerhöchste Ordre ä. ä. Regensburg,
den 29. August 1872 nunmehr ins Leben gerufenen Stiftung übernommen;
> dieselbe führt den Namen: „Kaiser Wilhelm-Stiftung für die An¬
gehörigen der deutschen Reichs-Postverwaltun g" und wird von
dem General-Postamte in Berlin verwaltet, welches für die sichere Anlegung
des Stiftungsvermögens und die zutreffende Verwendung der Zinsen des¬
selben sowie etwaiger Donationen zu sorgen hat. Das Statut der Stiftung,
welches so eben veröffentlicht worden ist, läßt bei vollem realistischem Detail,
das die Sicherstellung des Stiftungsvermögens, die Art der Bewilligungen
und die Rechnungslegung an den obersten Rechnungshof des Reichs betrifft,
die humanen Zwecke des Begründers, sowie dessen idealistische Richtung in
prägnanter Weise hervortreten. Die Förderung der sittlichen und geisti¬
gen Bildung der Beamten stellt der Leiter der Reichspost als Hauptziel der
Bestrebungen voran. Demgemäß sollen nach dem Wortlaute des Statuts
Beamte, welche eine „besondere Befähigung dargethan haben", durch Reise¬
stipendien aus den Stiftungseinkünften in den Stand gesetzt werden, zum
Nutzen der Verwaltung in fremden Ländern ihre Sprachkenntnisfe zu erwei¬
tern und die Post- und Verkehrseinrichtungen des Auslandes zu studiren.
Eine vortreffliche Appellation an das ciceronicmische: <Momg,in söinxer g,ppo
etudes Zlorias g,t<Mo ÄvicU lanatis kuistis, (Zuirites! Angehörige von Reichs-
Postbeamten können, wenn sie würdig und geeignet sind, ebenfalls Stipendien
erhalten, um in ihren Studien aus Universitäten, höheren Schulen, Kunst-
Instituten u. s. w. wirksam gefördert zu werden. Endlich wird das Stif¬
tungsvermögen für Hinterbliebene von Postbeamten, namentlich als Beihülfe
zur' Aufnahme der ersteren in Erziehungsanstalten, Waisenhäusern u. s. w.
und zur Erlangung von Freistellen in solchen Anstalten Verwendung finden:
eine Perspective von überaus segensreicher, fruchtbringender Wirksamkeit.

Wir würden dieser Maßregel, für welche der specielle Kreis der Post¬
beamten ihrem Chef in hohem Grade dankbar sein muß, nicht eine so ein¬
gehende Besprechung gewidmet haben, wenn sich die Errichtung dieser Stif¬
tung nicht als ein wichtiger Beitrag zur Lösung der socialen Frage
characterisirte, deren Wogendrang vielleicht an tausend Punkten das morsche
Gebäude unserer heutigen, fast bis zur Nervosität angespannten Gesellschafts¬
verhältnisse zu zertrümmern im Begriffe steht. Die Maßregel, schon an sich
bedeutungsvoll, muß außerdem im Zusammenhange mit den sonstigen Humani¬
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/36>, abgerufen am 22.07.2024.