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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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Rom", "das Jesuitengesetz", "die evangelische Kirche", "Folgen der großen
Erfolge" zu knüpfen im Stande ist, könnten mit derselben Berechtigung einer
Abhandlung über die menschlichere Behandlung der Schiffsjungen oder über
die Zahnkrankheiten der höheren Affengattungen oder über die Protuberanzen
der Sonne gewidmet werden. Der alte Commines, der in den Tagen
Ludwig's XI. Frankreich "eine von der Vorsehung speciell'regirte Confusion"
nannte, hat leider die Schriften des Herrn Constantin Frantz noch nicht ge¬
kannt. Er würde sonst jedenfalls in seinem Urtheile maßvoller gewesen sein.

Doch zurück zu den Beziehungen des Herrn Constantin Frantz zu der
Babylonischen Verwirrung. Wir ersuchen unsre Leser, ja recht aufmerksam
nachzulesen! Denn schon der gelehrte Welfe Prof. Wappäus hat in den
"Göttinger Anzeigen" Klage darüber erhoben,, daß sein Schützling Herr Con¬
stantin Frantz "ziemlich isolirt" dastehe und wohl gar "völlig ignorirt" werde.
Das ist in Anbetracht der von Wappäus entdeckten eminenten Begabung des
Herrn Constantin Frantz "für die Naturseite der Staaten und das geogra-
graphische Element in der Geschichte" in der That ebenso verwunderlich,
als daß man bis jetzt in Deutschland dieses Talent immer nur in den stillen
Lagerräumen bei Roßberg in Leipzig mit Todtgeburten niederkommen ließ
statt es doch mindestens im Reichskanzleramte oder als unentbehrlichen Rath¬
geber der deutschen Krone zu verwerthen. Auch der Verfasser selbst widmet
einige seiner düstersten Klagen und Prophezeiungen den schlechten Menschen,
die ihn nicht lesen, indem er uns verräth, welchem Jammer wir entgegen¬
gehen, wenn wir Ihn, wie bisher, nur unter den alten Büchern des Herrn
Roßberg der Unsterblichkeit entgegenschimmeln lassen. Er läßt sich hierüber also
vernehmen: "Gerade also wie die Religion nicht umhin kann, dem einzelnen
Menschen fortwährend seine Sündhaftigkeit vor Augen zu stellen, obwohl der
alte Adam doch niemals in ihm stirbt, so sind auch dem Staate ununter¬
brochen seine Mängel vorzuhalten, obwohl er bis ans Ende der Tage voller
Mängel bleiben wird. Diese Kritik ist das Salz, das ihn vor der
Fäulniß bewahrt." (S. Is).

Diese Kritik übt denn Herr Constantin Frantz auch reichlich, obwohl
er später (S. 131) zu dem Resultate kommt: "Das deutsche Reich ist über¬
haupt kein Staat, sondern nur eine Anstalt für einzelne besondere Zwecke."
-- Nun wissen wir aber doch Gott sei Dank -- mögen wir nun mehr ein
Staat oder mehr eine Suppenanstalt von Frcmtzens Gnaden sein -- an
wen wir uns zu wenden haben, wenn jemals Fäulnißerscheinungen im
deutschen Reiche zu Tage treten sollten. Diese carbolsäuerlichen Eigenschaften
des Herrn Constantin Frantz sind aber immerhin eine Kleinigkeit gegen¬
über dem Zauber seiner intimsten Beziehungen zur Babylonischen Verwir¬
rung. Darüber theilen wir im Folgenden die schönsten und kräftigsten
Stellen (S. 22--37) wörtlich mit.


Rom", „das Jesuitengesetz", „die evangelische Kirche", „Folgen der großen
Erfolge" zu knüpfen im Stande ist, könnten mit derselben Berechtigung einer
Abhandlung über die menschlichere Behandlung der Schiffsjungen oder über
die Zahnkrankheiten der höheren Affengattungen oder über die Protuberanzen
der Sonne gewidmet werden. Der alte Commines, der in den Tagen
Ludwig's XI. Frankreich „eine von der Vorsehung speciell'regirte Confusion"
nannte, hat leider die Schriften des Herrn Constantin Frantz noch nicht ge¬
kannt. Er würde sonst jedenfalls in seinem Urtheile maßvoller gewesen sein.

Doch zurück zu den Beziehungen des Herrn Constantin Frantz zu der
Babylonischen Verwirrung. Wir ersuchen unsre Leser, ja recht aufmerksam
nachzulesen! Denn schon der gelehrte Welfe Prof. Wappäus hat in den
„Göttinger Anzeigen" Klage darüber erhoben,, daß sein Schützling Herr Con¬
stantin Frantz „ziemlich isolirt" dastehe und wohl gar „völlig ignorirt" werde.
Das ist in Anbetracht der von Wappäus entdeckten eminenten Begabung des
Herrn Constantin Frantz „für die Naturseite der Staaten und das geogra-
graphische Element in der Geschichte" in der That ebenso verwunderlich,
als daß man bis jetzt in Deutschland dieses Talent immer nur in den stillen
Lagerräumen bei Roßberg in Leipzig mit Todtgeburten niederkommen ließ
statt es doch mindestens im Reichskanzleramte oder als unentbehrlichen Rath¬
geber der deutschen Krone zu verwerthen. Auch der Verfasser selbst widmet
einige seiner düstersten Klagen und Prophezeiungen den schlechten Menschen,
die ihn nicht lesen, indem er uns verräth, welchem Jammer wir entgegen¬
gehen, wenn wir Ihn, wie bisher, nur unter den alten Büchern des Herrn
Roßberg der Unsterblichkeit entgegenschimmeln lassen. Er läßt sich hierüber also
vernehmen: „Gerade also wie die Religion nicht umhin kann, dem einzelnen
Menschen fortwährend seine Sündhaftigkeit vor Augen zu stellen, obwohl der
alte Adam doch niemals in ihm stirbt, so sind auch dem Staate ununter¬
brochen seine Mängel vorzuhalten, obwohl er bis ans Ende der Tage voller
Mängel bleiben wird. Diese Kritik ist das Salz, das ihn vor der
Fäulniß bewahrt." (S. Is).

Diese Kritik übt denn Herr Constantin Frantz auch reichlich, obwohl
er später (S. 131) zu dem Resultate kommt: „Das deutsche Reich ist über¬
haupt kein Staat, sondern nur eine Anstalt für einzelne besondere Zwecke."
— Nun wissen wir aber doch Gott sei Dank — mögen wir nun mehr ein
Staat oder mehr eine Suppenanstalt von Frcmtzens Gnaden sein — an
wen wir uns zu wenden haben, wenn jemals Fäulnißerscheinungen im
deutschen Reiche zu Tage treten sollten. Diese carbolsäuerlichen Eigenschaften
des Herrn Constantin Frantz sind aber immerhin eine Kleinigkeit gegen¬
über dem Zauber seiner intimsten Beziehungen zur Babylonischen Verwir¬
rung. Darüber theilen wir im Folgenden die schönsten und kräftigsten
Stellen (S. 22—37) wörtlich mit.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/354>, abgerufen am 04.07.2024.