Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

von Anfang an nur die Opportunist in Frage. Mochte die höchste kirchliche
Gewalt dem Papst oder dem Concil zuerklärt werden, so mußte er sich unter¬
werfen, nachdem Papst und Concil einig waren. Nach seinen Antecedentien
konnte es Herrn v. Hefele mit der Forderung der moralischen Unanimität
als Bedingung der Giltigkeit der Concilienbeschlüsse unmöglich Ernst sein;
denn diese Forderung enthielt angesichts des Dissenses der deutschen Bischöfe
die eigenthümliche und in sich unhaltbare Prätention, daß die ungelehrten
spanischen, italienischen und orientalischen Bischöfe ein weniger geeignetes
Medium seien, die Eingebungen des heiligen Geistes durch ihren Mund der
Welt zu verkünden, als die gelehrten deutschen Bischöfe. Offenbar hatten die
Verlegenheiten des Herrn v. Hefele ihren Grund viel weniger im Gewissen
als in gewissen Rücksichten auf seine äußere Stellung. Er hatte sich der Re¬
gierung und den politischen Parteien gegenüber in eine schiefe Situation ge¬
bracht, welche ihn nöthigte, zur Erhaltung seines und des katholischen Ein¬
flusses überhaupt nach der einen und der anderen Seite Engagements einzu¬
gehen, welche ihm zwar äußerlich den Heiligenschein des Liberalismus ver¬
schafften, mit seinem eigenen kirchlichen Standpunkt aber unvereinbar waren.
Wie sollte es auch für die Dauer möglich sein, gleichzeitig der Liebling des
Vatikans, des württembergischen Hoff und der schwäbischen Demokratie zu
sein? Herr v. Hefele findet daher nur wenig Theilnahme, nachdem er sich
in dem Netz gefangen, das ihm seine eigene Eitelkeit gelegt hatte. Nur in
Stuttgart nimmt man die Discreditirung des Mannes, den man namentlich
den protestantischen Würdeträgern gegenüber so sichtlich bevorzugt hatte, mit
erklärlichen Bedauern auf. Hatte er doch eben erst durch seine Unterzeich¬
nung der Fuldaer Denkschrift den Beweis geliefert, daß das von ihm früher
angeordnete Kirchengebet für Kaiser und Reich nur das Product einer vor¬
übergehenden Stimmung gewesen war! --

Als neuestes theilen wir Ihnen zum Schluß noch mit. daß unser schwä¬
bischer Kriegsminister neuestens mit der Exigenz eines Extraordinariums von
nicht weniger als 17 Millionen Gulden für Militärzwecke vor die Stände-
Kammer tritt, d. h, er verlangt das 2^fache des ordentlichen Militärbudgets,
wie es feit den Bersailler Verträgen besteht. Die Grenzboten hatten sofort
nach Abschluß der Versailler Militairconvention darauf hingewiesen, daß die
Bestimmung des Art. 12, nach welcher Ersparnisse, welche unter voller Er¬
füllung der Bundespflichten als Ergebniß der obwaltenden besonderen Ver¬
hältnisse Schwabens an der Pauschalsumme von 223 Thalern pr. Mann mög¬
lich werden, zur Verfügung Württembergs verbleiben sollen -- nur geeignet
sei, das Land fortwährend in Täuschungen einzuwiegen. Nun ist die Ent¬
täuschung mit überraschender Schnelligkeit gekommen: die Schwaben können
sich jetzt die Segnungen dieser Militairconvention an den Fingern- abrechnen


von Anfang an nur die Opportunist in Frage. Mochte die höchste kirchliche
Gewalt dem Papst oder dem Concil zuerklärt werden, so mußte er sich unter¬
werfen, nachdem Papst und Concil einig waren. Nach seinen Antecedentien
konnte es Herrn v. Hefele mit der Forderung der moralischen Unanimität
als Bedingung der Giltigkeit der Concilienbeschlüsse unmöglich Ernst sein;
denn diese Forderung enthielt angesichts des Dissenses der deutschen Bischöfe
die eigenthümliche und in sich unhaltbare Prätention, daß die ungelehrten
spanischen, italienischen und orientalischen Bischöfe ein weniger geeignetes
Medium seien, die Eingebungen des heiligen Geistes durch ihren Mund der
Welt zu verkünden, als die gelehrten deutschen Bischöfe. Offenbar hatten die
Verlegenheiten des Herrn v. Hefele ihren Grund viel weniger im Gewissen
als in gewissen Rücksichten auf seine äußere Stellung. Er hatte sich der Re¬
gierung und den politischen Parteien gegenüber in eine schiefe Situation ge¬
bracht, welche ihn nöthigte, zur Erhaltung seines und des katholischen Ein¬
flusses überhaupt nach der einen und der anderen Seite Engagements einzu¬
gehen, welche ihm zwar äußerlich den Heiligenschein des Liberalismus ver¬
schafften, mit seinem eigenen kirchlichen Standpunkt aber unvereinbar waren.
Wie sollte es auch für die Dauer möglich sein, gleichzeitig der Liebling des
Vatikans, des württembergischen Hoff und der schwäbischen Demokratie zu
sein? Herr v. Hefele findet daher nur wenig Theilnahme, nachdem er sich
in dem Netz gefangen, das ihm seine eigene Eitelkeit gelegt hatte. Nur in
Stuttgart nimmt man die Discreditirung des Mannes, den man namentlich
den protestantischen Würdeträgern gegenüber so sichtlich bevorzugt hatte, mit
erklärlichen Bedauern auf. Hatte er doch eben erst durch seine Unterzeich¬
nung der Fuldaer Denkschrift den Beweis geliefert, daß das von ihm früher
angeordnete Kirchengebet für Kaiser und Reich nur das Product einer vor¬
übergehenden Stimmung gewesen war! —

Als neuestes theilen wir Ihnen zum Schluß noch mit. daß unser schwä¬
bischer Kriegsminister neuestens mit der Exigenz eines Extraordinariums von
nicht weniger als 17 Millionen Gulden für Militärzwecke vor die Stände-
Kammer tritt, d. h, er verlangt das 2^fache des ordentlichen Militärbudgets,
wie es feit den Bersailler Verträgen besteht. Die Grenzboten hatten sofort
nach Abschluß der Versailler Militairconvention darauf hingewiesen, daß die
Bestimmung des Art. 12, nach welcher Ersparnisse, welche unter voller Er¬
füllung der Bundespflichten als Ergebniß der obwaltenden besonderen Ver¬
hältnisse Schwabens an der Pauschalsumme von 223 Thalern pr. Mann mög¬
lich werden, zur Verfügung Württembergs verbleiben sollen — nur geeignet
sei, das Land fortwährend in Täuschungen einzuwiegen. Nun ist die Ent¬
täuschung mit überraschender Schnelligkeit gekommen: die Schwaben können
sich jetzt die Segnungen dieser Militairconvention an den Fingern- abrechnen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0325" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/128779"/>
          <p xml:id="ID_1042" prev="#ID_1041"> von Anfang an nur die Opportunist in Frage. Mochte die höchste kirchliche<lb/>
Gewalt dem Papst oder dem Concil zuerklärt werden, so mußte er sich unter¬<lb/>
werfen, nachdem Papst und Concil einig waren. Nach seinen Antecedentien<lb/>
konnte es Herrn v. Hefele mit der Forderung der moralischen Unanimität<lb/>
als Bedingung der Giltigkeit der Concilienbeschlüsse unmöglich Ernst sein;<lb/>
denn diese Forderung enthielt angesichts des Dissenses der deutschen Bischöfe<lb/>
die eigenthümliche und in sich unhaltbare Prätention, daß die ungelehrten<lb/>
spanischen, italienischen und orientalischen Bischöfe ein weniger geeignetes<lb/>
Medium seien, die Eingebungen des heiligen Geistes durch ihren Mund der<lb/>
Welt zu verkünden, als die gelehrten deutschen Bischöfe. Offenbar hatten die<lb/>
Verlegenheiten des Herrn v. Hefele ihren Grund viel weniger im Gewissen<lb/>
als in gewissen Rücksichten auf seine äußere Stellung. Er hatte sich der Re¬<lb/>
gierung und den politischen Parteien gegenüber in eine schiefe Situation ge¬<lb/>
bracht, welche ihn nöthigte, zur Erhaltung seines und des katholischen Ein¬<lb/>
flusses überhaupt nach der einen und der anderen Seite Engagements einzu¬<lb/>
gehen, welche ihm zwar äußerlich den Heiligenschein des Liberalismus ver¬<lb/>
schafften, mit seinem eigenen kirchlichen Standpunkt aber unvereinbar waren.<lb/>
Wie sollte es auch für die Dauer möglich sein, gleichzeitig der Liebling des<lb/>
Vatikans, des württembergischen Hoff und der schwäbischen Demokratie zu<lb/>
sein? Herr v. Hefele findet daher nur wenig Theilnahme, nachdem er sich<lb/>
in dem Netz gefangen, das ihm seine eigene Eitelkeit gelegt hatte. Nur in<lb/>
Stuttgart nimmt man die Discreditirung des Mannes, den man namentlich<lb/>
den protestantischen Würdeträgern gegenüber so sichtlich bevorzugt hatte, mit<lb/>
erklärlichen Bedauern auf. Hatte er doch eben erst durch seine Unterzeich¬<lb/>
nung der Fuldaer Denkschrift den Beweis geliefert, daß das von ihm früher<lb/>
angeordnete Kirchengebet für Kaiser und Reich nur das Product einer vor¬<lb/>
übergehenden Stimmung gewesen war! &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1043" next="#ID_1044"> Als neuestes theilen wir Ihnen zum Schluß noch mit. daß unser schwä¬<lb/>
bischer Kriegsminister neuestens mit der Exigenz eines Extraordinariums von<lb/>
nicht weniger als 17 Millionen Gulden für Militärzwecke vor die Stände-<lb/>
Kammer tritt, d. h, er verlangt das 2^fache des ordentlichen Militärbudgets,<lb/>
wie es feit den Bersailler Verträgen besteht. Die Grenzboten hatten sofort<lb/>
nach Abschluß der Versailler Militairconvention darauf hingewiesen, daß die<lb/>
Bestimmung des Art. 12, nach welcher Ersparnisse, welche unter voller Er¬<lb/>
füllung der Bundespflichten als Ergebniß der obwaltenden besonderen Ver¬<lb/>
hältnisse Schwabens an der Pauschalsumme von 223 Thalern pr. Mann mög¬<lb/>
lich werden, zur Verfügung Württembergs verbleiben sollen &#x2014; nur geeignet<lb/>
sei, das Land fortwährend in Täuschungen einzuwiegen. Nun ist die Ent¬<lb/>
täuschung mit überraschender Schnelligkeit gekommen: die Schwaben können<lb/>
sich jetzt die Segnungen dieser Militairconvention an den Fingern- abrechnen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0325] von Anfang an nur die Opportunist in Frage. Mochte die höchste kirchliche Gewalt dem Papst oder dem Concil zuerklärt werden, so mußte er sich unter¬ werfen, nachdem Papst und Concil einig waren. Nach seinen Antecedentien konnte es Herrn v. Hefele mit der Forderung der moralischen Unanimität als Bedingung der Giltigkeit der Concilienbeschlüsse unmöglich Ernst sein; denn diese Forderung enthielt angesichts des Dissenses der deutschen Bischöfe die eigenthümliche und in sich unhaltbare Prätention, daß die ungelehrten spanischen, italienischen und orientalischen Bischöfe ein weniger geeignetes Medium seien, die Eingebungen des heiligen Geistes durch ihren Mund der Welt zu verkünden, als die gelehrten deutschen Bischöfe. Offenbar hatten die Verlegenheiten des Herrn v. Hefele ihren Grund viel weniger im Gewissen als in gewissen Rücksichten auf seine äußere Stellung. Er hatte sich der Re¬ gierung und den politischen Parteien gegenüber in eine schiefe Situation ge¬ bracht, welche ihn nöthigte, zur Erhaltung seines und des katholischen Ein¬ flusses überhaupt nach der einen und der anderen Seite Engagements einzu¬ gehen, welche ihm zwar äußerlich den Heiligenschein des Liberalismus ver¬ schafften, mit seinem eigenen kirchlichen Standpunkt aber unvereinbar waren. Wie sollte es auch für die Dauer möglich sein, gleichzeitig der Liebling des Vatikans, des württembergischen Hoff und der schwäbischen Demokratie zu sein? Herr v. Hefele findet daher nur wenig Theilnahme, nachdem er sich in dem Netz gefangen, das ihm seine eigene Eitelkeit gelegt hatte. Nur in Stuttgart nimmt man die Discreditirung des Mannes, den man namentlich den protestantischen Würdeträgern gegenüber so sichtlich bevorzugt hatte, mit erklärlichen Bedauern auf. Hatte er doch eben erst durch seine Unterzeich¬ nung der Fuldaer Denkschrift den Beweis geliefert, daß das von ihm früher angeordnete Kirchengebet für Kaiser und Reich nur das Product einer vor¬ übergehenden Stimmung gewesen war! — Als neuestes theilen wir Ihnen zum Schluß noch mit. daß unser schwä¬ bischer Kriegsminister neuestens mit der Exigenz eines Extraordinariums von nicht weniger als 17 Millionen Gulden für Militärzwecke vor die Stände- Kammer tritt, d. h, er verlangt das 2^fache des ordentlichen Militärbudgets, wie es feit den Bersailler Verträgen besteht. Die Grenzboten hatten sofort nach Abschluß der Versailler Militairconvention darauf hingewiesen, daß die Bestimmung des Art. 12, nach welcher Ersparnisse, welche unter voller Er¬ füllung der Bundespflichten als Ergebniß der obwaltenden besonderen Ver¬ hältnisse Schwabens an der Pauschalsumme von 223 Thalern pr. Mann mög¬ lich werden, zur Verfügung Württembergs verbleiben sollen — nur geeignet sei, das Land fortwährend in Täuschungen einzuwiegen. Nun ist die Ent¬ täuschung mit überraschender Schnelligkeit gekommen: die Schwaben können sich jetzt die Segnungen dieser Militairconvention an den Fingern- abrechnen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/325
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/325>, abgerufen am 22.07.2024.