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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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Gerade die letzteren, die Zusätze, find äußerst interessant und werthvoll, ebenso
die kleineren Noten, als die größeren neu beigegebenen Excurse. Aenderungen
im Texte, eigentliche Umarbeitungen des Textes begegnen nicht gerade häufig;
aber sie kommen doch vor. Dürfen wir ganz aufrichtig unsere Meinung be¬
kennen, so würden wir wünschen, daß Ranke von seinem Principe auch an
diesen Stellen nicht abgewichen wäre. Welche Stellung er zu seinen Nach¬
folgern in der betreffenden Literatur nehmen will, hätte sich doch auch in
anderer Weise darthun lassen, etwa durch besonders bezeichnete Anmerkungen
oder nachträgliche Excurse.

Der neueste (24.) Band trägt den Specialtitel: Abhandlungen und
Versuche. Erste Sammlung." Er vereinigt Altes und Neues in sich.
Ein paar Abhandlungen aus der 1832 und 1833 von Ranke herausgegebenen
historisch-politischen Zeitschrift -- über die Bildung der großen Mächte Europas,
über die politischen Theorien der neuern Zeit. Eng daran schließt sich die
(lateinische) Habititationsrede des Meisters aus dem Jahre 1836 über Ver¬
wandtschaft und Unterschied von Geschichte und Politik, eine sehr geistreiche
und feine akademische Rede, die merkwürdiger Weise vielen Fachgenossen, ge¬
schweige denn dem größern Publikum unbekannt geblieben war. Auch einige
Abhandlungen, die er in der Akademie gelesen, sind hier zugängiger gemacht,
so die einschneidende Kritik der Memoiren von Pöllnitz und der Markgräfin
von Bayreuth über Friedrich Wilhelm I. Das ist jene Untersuchung Ranke's
aus dem Jahre 1849, in deren Fußstapfen neuerdings 1869 und 1870
Droysen getreten ist. Vergleicht man diese Studien der beiden Historiker
ersten Ranges mit einander, so ergiebt sich, daß das Resultat der Kritik in
seinen Grundzügen schon von Ranke vor zwei Jahrzehnten gefunden war:
Droysen hat es in Einzelheiten modificirt und durch ein äußerst fesselndes
und spannendes Detail bereichert. Jetzt bei dem Wiederabdrucke macht
Ranke Gebrauch von einzelnen Zusätzen seines Nachfolgers, der in einer
geradezu unbegreiflichen Weise von der früheren Leistung seines akademischen
Collegen seinerseits gar nicht Notiz genommen hatte. Aus den Schichten
der Akademie ist auch der Briefwechsel Friedrichs des Großen mit dem Prin¬
zen von Oranien hier aufgenommen worden.

Die preußische Geschichte behandeln auch zwei neue Abhandlungen 1)
über den Fall Danckelmann's, und 2) über die erste Redaction der Geschichte
der schlesischen Kriege von Friedrich II.: beide Artikel bringen neue Aufschlüsse
und legen Zeugniß davon, daß unser Altmeister trotz seiner Jahre in unge¬
schwächter rüstiger Geisteskraft und unverminderter Arbeitsenergie schafft und
wirkt. Möge ihm und uns noch lange, lange Zeit ein gütiges Geschick die
Fortdauer dieser Thätigkeit gewähren! Möge die volle Muße ihm noch ge¬
gönnt sein, in der er voll und reif das zum Abschlüsse führe, was er in jün¬
geren Jahren begonnen und vorbereitet hat.




Gerade die letzteren, die Zusätze, find äußerst interessant und werthvoll, ebenso
die kleineren Noten, als die größeren neu beigegebenen Excurse. Aenderungen
im Texte, eigentliche Umarbeitungen des Textes begegnen nicht gerade häufig;
aber sie kommen doch vor. Dürfen wir ganz aufrichtig unsere Meinung be¬
kennen, so würden wir wünschen, daß Ranke von seinem Principe auch an
diesen Stellen nicht abgewichen wäre. Welche Stellung er zu seinen Nach¬
folgern in der betreffenden Literatur nehmen will, hätte sich doch auch in
anderer Weise darthun lassen, etwa durch besonders bezeichnete Anmerkungen
oder nachträgliche Excurse.

Der neueste (24.) Band trägt den Specialtitel: Abhandlungen und
Versuche. Erste Sammlung." Er vereinigt Altes und Neues in sich.
Ein paar Abhandlungen aus der 1832 und 1833 von Ranke herausgegebenen
historisch-politischen Zeitschrift — über die Bildung der großen Mächte Europas,
über die politischen Theorien der neuern Zeit. Eng daran schließt sich die
(lateinische) Habititationsrede des Meisters aus dem Jahre 1836 über Ver¬
wandtschaft und Unterschied von Geschichte und Politik, eine sehr geistreiche
und feine akademische Rede, die merkwürdiger Weise vielen Fachgenossen, ge¬
schweige denn dem größern Publikum unbekannt geblieben war. Auch einige
Abhandlungen, die er in der Akademie gelesen, sind hier zugängiger gemacht,
so die einschneidende Kritik der Memoiren von Pöllnitz und der Markgräfin
von Bayreuth über Friedrich Wilhelm I. Das ist jene Untersuchung Ranke's
aus dem Jahre 1849, in deren Fußstapfen neuerdings 1869 und 1870
Droysen getreten ist. Vergleicht man diese Studien der beiden Historiker
ersten Ranges mit einander, so ergiebt sich, daß das Resultat der Kritik in
seinen Grundzügen schon von Ranke vor zwei Jahrzehnten gefunden war:
Droysen hat es in Einzelheiten modificirt und durch ein äußerst fesselndes
und spannendes Detail bereichert. Jetzt bei dem Wiederabdrucke macht
Ranke Gebrauch von einzelnen Zusätzen seines Nachfolgers, der in einer
geradezu unbegreiflichen Weise von der früheren Leistung seines akademischen
Collegen seinerseits gar nicht Notiz genommen hatte. Aus den Schichten
der Akademie ist auch der Briefwechsel Friedrichs des Großen mit dem Prin¬
zen von Oranien hier aufgenommen worden.

Die preußische Geschichte behandeln auch zwei neue Abhandlungen 1)
über den Fall Danckelmann's, und 2) über die erste Redaction der Geschichte
der schlesischen Kriege von Friedrich II.: beide Artikel bringen neue Aufschlüsse
und legen Zeugniß davon, daß unser Altmeister trotz seiner Jahre in unge¬
schwächter rüstiger Geisteskraft und unverminderter Arbeitsenergie schafft und
wirkt. Möge ihm und uns noch lange, lange Zeit ein gütiges Geschick die
Fortdauer dieser Thätigkeit gewähren! Möge die volle Muße ihm noch ge¬
gönnt sein, in der er voll und reif das zum Abschlüsse führe, was er in jün¬
geren Jahren begonnen und vorbereitet hat.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/320>, abgerufen am 05.02.2025.