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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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wovon das eine heißt: "liucro in LtZi'vitiuin", das andere: "OontlÄ Iwstöm
astöi-na !indol1t!>.s esto!" das dritte: "Die Wahrheit führt ein Schwert, Ge¬
rechtigkeit hat es geschmiedet"; er kennt keine Freundschaft, das Princip gilt
ihm Alles, das haben selbst seine Freunde von der Fortschrittspartei an ihm
erfahren, auch sie hat er seiner Ueberzeugung geopfert.

Franz Ziegler, ebenfalls ein Demokrat, aber von etwas anderem Stoffe,
Franz Ziegler, dessen Witz ewig jung bleibt, wie Jacoby ewig feierlich, nannte
einstens im Abgeordneten-Hause Johann Jacoby den "König Rhamses von
Aegypten", weil er gleich jenen, Jahrtausende alten, sitzenden Steinbildern,
ewig in derselben Stellung auf seinem Sitze verharrte, die Beine dicht neben
einander, die Füße gerade an sich gestreckt und die Handflächen aus den spitzen
Knieen, die rechte Hand auf dem rechten, und die linke Hand auf dem linken.
"König Rhamses von Aegypten" und "Philosoph Jacoby von Königsberg"
galten für synonym.

Nun kommt aber der Hamburger Verleger der "Gesammelten Schriften
und Reden" und gibt Jacoby den Politiker preis, um Jacoby den Philo¬
sophen zu retten. Er macht das belangreiche Zugeständniß, es gebe allerdings
wohl Menschen, welche in der Politik "Jacoby's Standpunkt nicht theilen",
oder welche durch den Standpunkt, den Jacoby in nationalen Fragen, so vor
Allem in der Frage der Annexion von Elsaß-Lothringen, einnimmt, "sich ab¬
gestoßen fühlen"; aber gerade diesen, fügt er hinzu, sind die gesammelten
Werke zu empfehlen, denn der Herr Verfasser ist "ein tief philosophisch
gebildeter Mann", er hat sogar den Aristoteles studirt und seine
Aufsätze gewähren einen interessanten Einblick in sein Geistesleben, man soll
ihn daher nicht als einen auf Irrwegen befindlichen unversöhnlichen Gegner
betrachten, sondern als einen "Philosophen, von dem auch der Gegner
lernen kann."

Das Letzte ist ein logischer Lapsus. Man kann überhaupt stets von
seinen Gegnern lernen, von politischen sowohl, wie von philosophischen. Un¬
sere Freunde zeigen uns unsere Fehler unter vier Augen, unsere Feinde im
Lichte der Oeffentlichkeit, Das ist der ganze Unterschied. Aber auch abge¬
sehen davon müssen wir Johann Jacoby gegen den Inhalt der identischen
Note auf das Allerentschiedenste in Schutz nehmen. Wäre Jacoby nichts, als
Philosoph, im wissenschaftlichen Sinne des Wortes, dann wäre er wenig,
und in Wirklichkeit ist er viel. Seine Aufsätze über Hegel und die Hege¬
lingen und über die griechische Tragödie, desgleichen seine Parallele "Kant und
Lessing" verrathen allerdings einen gewissen Grad von philosophischer Bildung,
auch fehlt es, wenn wir von der "Griechischen Tragödie" absetzn. nicht an
Kenntniß des Gegenstandes. Aber damit ist auch Alles gesagt, Irgend etwas
wissenschaftlich Neues erfährt man aus diesen "Philosophischen" Schriften nicht.


wovon das eine heißt: „liucro in LtZi'vitiuin", das andere: „OontlÄ Iwstöm
astöi-na !indol1t!>.s esto!" das dritte: „Die Wahrheit führt ein Schwert, Ge¬
rechtigkeit hat es geschmiedet"; er kennt keine Freundschaft, das Princip gilt
ihm Alles, das haben selbst seine Freunde von der Fortschrittspartei an ihm
erfahren, auch sie hat er seiner Ueberzeugung geopfert.

Franz Ziegler, ebenfalls ein Demokrat, aber von etwas anderem Stoffe,
Franz Ziegler, dessen Witz ewig jung bleibt, wie Jacoby ewig feierlich, nannte
einstens im Abgeordneten-Hause Johann Jacoby den „König Rhamses von
Aegypten", weil er gleich jenen, Jahrtausende alten, sitzenden Steinbildern,
ewig in derselben Stellung auf seinem Sitze verharrte, die Beine dicht neben
einander, die Füße gerade an sich gestreckt und die Handflächen aus den spitzen
Knieen, die rechte Hand auf dem rechten, und die linke Hand auf dem linken.
„König Rhamses von Aegypten" und „Philosoph Jacoby von Königsberg"
galten für synonym.

Nun kommt aber der Hamburger Verleger der „Gesammelten Schriften
und Reden" und gibt Jacoby den Politiker preis, um Jacoby den Philo¬
sophen zu retten. Er macht das belangreiche Zugeständniß, es gebe allerdings
wohl Menschen, welche in der Politik „Jacoby's Standpunkt nicht theilen",
oder welche durch den Standpunkt, den Jacoby in nationalen Fragen, so vor
Allem in der Frage der Annexion von Elsaß-Lothringen, einnimmt, „sich ab¬
gestoßen fühlen"; aber gerade diesen, fügt er hinzu, sind die gesammelten
Werke zu empfehlen, denn der Herr Verfasser ist „ein tief philosophisch
gebildeter Mann", er hat sogar den Aristoteles studirt und seine
Aufsätze gewähren einen interessanten Einblick in sein Geistesleben, man soll
ihn daher nicht als einen auf Irrwegen befindlichen unversöhnlichen Gegner
betrachten, sondern als einen „Philosophen, von dem auch der Gegner
lernen kann."

Das Letzte ist ein logischer Lapsus. Man kann überhaupt stets von
seinen Gegnern lernen, von politischen sowohl, wie von philosophischen. Un¬
sere Freunde zeigen uns unsere Fehler unter vier Augen, unsere Feinde im
Lichte der Oeffentlichkeit, Das ist der ganze Unterschied. Aber auch abge¬
sehen davon müssen wir Johann Jacoby gegen den Inhalt der identischen
Note auf das Allerentschiedenste in Schutz nehmen. Wäre Jacoby nichts, als
Philosoph, im wissenschaftlichen Sinne des Wortes, dann wäre er wenig,
und in Wirklichkeit ist er viel. Seine Aufsätze über Hegel und die Hege¬
lingen und über die griechische Tragödie, desgleichen seine Parallele „Kant und
Lessing" verrathen allerdings einen gewissen Grad von philosophischer Bildung,
auch fehlt es, wenn wir von der „Griechischen Tragödie" absetzn. nicht an
Kenntniß des Gegenstandes. Aber damit ist auch Alles gesagt, Irgend etwas
wissenschaftlich Neues erfährt man aus diesen „Philosophischen" Schriften nicht.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/292>, abgerufen am 22.07.2024.