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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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werden districtwcise durch ein Verwaltungs-Reglement formirt werden; zu ihr gehören
alle Wehrpflichtigen, welche ihren Wohnsitz im Bezirke haben.

. Gegen die fünfjährige Dienstzeit und für die dreijährige
hatten die Herren Keller, Trochu, Randot und Chevandier Amendements ein¬
gebracht und trat zuerst der klerikale Deputirte Keller unter dem Beifall
auch seiner politischen Gegner in die Schranken.

Noch entschiedener als Keller erhob sich General Trochu gegen die fünf¬
jährige Dienstzeit. Er sagt u. A.:

"Die Commission macht gegen meinen Antrag hauptsächlich geltend, daß es sich
für jetzt überhaupt nur um Ueb ergan gs be Stimmungen handle und daß mein
System der wirklich allgemeinen und gleichwährenden Dienstpflicht
einer späteren Zukunft vorbehalten bleiben müsse. Allein die Zeit der Halb¬
heiten und schüchternen Versuche scheint mir vorüber."

Zuerst bemüht sich General Ducrot, die Ausführungen seines "vor¬
trefflichen alten Freundes Trochu" zu widerlegen. In seinen Augen ist eine
dreijährige Dienstzeit nicht genügend, den Soldaten in allen Theilen seines
Berufes entsprechend auszubilden; unbestreitbar scheint ihm dies namentlich für
die Cavallerie und Artillerie. "Wir haben", sagt er, "in ganz Frankreich
nur wenig Leute, die wirklich zu reiten verstehen; die besten Reiter lieferte
uns das Elsaß und diese haben wir also jetzt verloren. Die dreijährige
Dienstzeit sei daher schon im Interesse der Specialwaffen durchaus verwerflich.

Ihm gegenüber constatirt der Abgeordnete Randot das Befremden der
Laien über so große Verschiedenheiten in den Anschauungen der Fachmänner
und befürwortet die unbedingte Anlehnung an das preußische Vorbild. General
Chanzy dagegen tritt für die Regierungsvorlage ein. Er sagt:

"Wir dürfen uns nicht darüber täuschen, daß wir nicht nur durch die
Zahl, sondern auch durch die größere Solidität der feindlichen Armeen besiegt worden.
Nun haben wir aber jetzt noch nicht das nöthige Handwerkszeug, näm¬
lich die nöthigen Cadres, um in kurzer Zeit eine bedeutende Anzahl
von Soldaten ausbilden zu können: es wäre also äußerst unklug, schon jetzt
mit allen Traditionen und Gewohnheiten, namentlich also auch mit der fünfjährigen
Dienstzeit, zu brechen."

Am 8. Juni sprach sich Herr Thiers, nachdem er in der Einleitung darauf
aufmerksam gemacht, daß Fankreich und Europa ihn höre, in gleichem Sinne
aus. Es war jene bekannte Rede, in der er die beliebte Unbesieglichkeit seiner
Nation in die Phrase hüllte: "Die Schuld lag nicht an dem Gesetze von 1832,
sondern lediglich an der Ueberstürzung. Nicht also das preußische System hat
das französische, sondern die preußische Ne gi erun g hat die französische besiegt,
(Zustimmung.)" In einemMonate, welcher leicht durch Unterhand¬
lungen zu gewinnen war, konnte man eine Million krtegs"
tüchtiger Soldaten und noch mehr ins Feld stellen.


werden districtwcise durch ein Verwaltungs-Reglement formirt werden; zu ihr gehören
alle Wehrpflichtigen, welche ihren Wohnsitz im Bezirke haben.

. Gegen die fünfjährige Dienstzeit und für die dreijährige
hatten die Herren Keller, Trochu, Randot und Chevandier Amendements ein¬
gebracht und trat zuerst der klerikale Deputirte Keller unter dem Beifall
auch seiner politischen Gegner in die Schranken.

Noch entschiedener als Keller erhob sich General Trochu gegen die fünf¬
jährige Dienstzeit. Er sagt u. A.:

„Die Commission macht gegen meinen Antrag hauptsächlich geltend, daß es sich
für jetzt überhaupt nur um Ueb ergan gs be Stimmungen handle und daß mein
System der wirklich allgemeinen und gleichwährenden Dienstpflicht
einer späteren Zukunft vorbehalten bleiben müsse. Allein die Zeit der Halb¬
heiten und schüchternen Versuche scheint mir vorüber."

Zuerst bemüht sich General Ducrot, die Ausführungen seines „vor¬
trefflichen alten Freundes Trochu" zu widerlegen. In seinen Augen ist eine
dreijährige Dienstzeit nicht genügend, den Soldaten in allen Theilen seines
Berufes entsprechend auszubilden; unbestreitbar scheint ihm dies namentlich für
die Cavallerie und Artillerie. „Wir haben", sagt er, „in ganz Frankreich
nur wenig Leute, die wirklich zu reiten verstehen; die besten Reiter lieferte
uns das Elsaß und diese haben wir also jetzt verloren. Die dreijährige
Dienstzeit sei daher schon im Interesse der Specialwaffen durchaus verwerflich.

Ihm gegenüber constatirt der Abgeordnete Randot das Befremden der
Laien über so große Verschiedenheiten in den Anschauungen der Fachmänner
und befürwortet die unbedingte Anlehnung an das preußische Vorbild. General
Chanzy dagegen tritt für die Regierungsvorlage ein. Er sagt:

„Wir dürfen uns nicht darüber täuschen, daß wir nicht nur durch die
Zahl, sondern auch durch die größere Solidität der feindlichen Armeen besiegt worden.
Nun haben wir aber jetzt noch nicht das nöthige Handwerkszeug, näm¬
lich die nöthigen Cadres, um in kurzer Zeit eine bedeutende Anzahl
von Soldaten ausbilden zu können: es wäre also äußerst unklug, schon jetzt
mit allen Traditionen und Gewohnheiten, namentlich also auch mit der fünfjährigen
Dienstzeit, zu brechen."

Am 8. Juni sprach sich Herr Thiers, nachdem er in der Einleitung darauf
aufmerksam gemacht, daß Fankreich und Europa ihn höre, in gleichem Sinne
aus. Es war jene bekannte Rede, in der er die beliebte Unbesieglichkeit seiner
Nation in die Phrase hüllte: „Die Schuld lag nicht an dem Gesetze von 1832,
sondern lediglich an der Ueberstürzung. Nicht also das preußische System hat
das französische, sondern die preußische Ne gi erun g hat die französische besiegt,
(Zustimmung.)" In einemMonate, welcher leicht durch Unterhand¬
lungen zu gewinnen war, konnte man eine Million krtegs"
tüchtiger Soldaten und noch mehr ins Feld stellen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/268>, abgerufen am 22.07.2024.