Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.gangen und nannte die Legende Napoleon's und die Demoralisation der Wenn Trochu als Grundlage jedes gesunden Heerwesens die sociale Dis¬ Welch eine abscheuliche Scene zwischen zwei hervorragenden hohen Offi- In diesem ekelerregenden, durch Gambetta wo möglich noch übertroffenen Am 30. Mai begann die Specialdebatte. Der erste Titel des Ge- gangen und nannte die Legende Napoleon's und die Demoralisation der Wenn Trochu als Grundlage jedes gesunden Heerwesens die sociale Dis¬ Welch eine abscheuliche Scene zwischen zwei hervorragenden hohen Offi- In diesem ekelerregenden, durch Gambetta wo möglich noch übertroffenen Am 30. Mai begann die Specialdebatte. Der erste Titel des Ge- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0261" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/128715"/> <p xml:id="ID_787" prev="#ID_786"> gangen und nannte die Legende Napoleon's und die Demoralisation der<lb/> Armee als die Hauptgründe des Falls.</p><lb/> <p xml:id="ID_788"> Wenn Trochu als Grundlage jedes gesunden Heerwesens die sociale Dis¬<lb/> ciplin bezeichnete, so gab die Versammlung gleich in den nächsten Sitzungen<lb/> (28. und 29. Mai) einen vollgiltigen Beweis, daß sie keine Spur davon<lb/> habe. Oberst Denfert, der Vertheidiger Belforts, erhob sich nämlich gegen<lb/> das militärische Princip des passiven Gehorsams, welches die Mannszucht<lb/> lockere und Tage wie den 18. Brumaire und den 2. December möglich mache.<lb/> Dieser passive Gehorsam habe in der französischen Armee den Geist der<lb/> Initiative getödtet und sich so als eine Hauptursache der Niederlage er¬<lb/> wiesen. An seine Stelle sei das Princip der individuellen Verantwortlichkeit<lb/> zu setzen; denn die intelligente Initiative jedes einzelnen Heeresgliedes sei der<lb/> Grund der preußischen Erfolge. Die Ausführung dieses Gedankens sollte nur<lb/> die Einwände des Obersten Denfert gegen die Vorlage begründen, welche<lb/> nicht genug für den Unterricht thue, nur eine verstümmelte Anwendung der<lb/> allgemeinen Wehrpflicht sei und dem Kriegsminister eine zu große Gewalt<lb/> einräume; sie trug aber allerdings einen, für jedes militärische Ohr peinlichen<lb/> Charakter. Hatte die Majorität schon das Lob der Preußen kaum ertragen<lb/> und in heftigen Unterbrechungen ihren Unwillen zu erkennen gegeben, so trat<lb/> General Changarnier mit leidenschaftlichem Zorn zu Gunsten des passiven<lb/> Gehorsams ein und begann seine Rede mit den herausfordernden Worten: „Ob¬<lb/> gleich ich nicht einige Monate in einer Käsematte von Belfort zugebracht..."<lb/> Ein radicaler Abgeordneter, Pichat, rief ihm zu: „Wir, wir heißen Belfort!<lb/> Ihr heißet Metz!" und zu Beginn der Sitzung des nächsten Tages erklärte<lb/> Oberst Denfert, daß er sich Pichat's Wort aneigne und ebenfalls ausrufe:<lb/> „Wir heißen Belfort! Ihr heißet Metz!" Die Linke brüllte BravoI Die Rechte:<lb/> Zur Ordnung! Changarnier drohte dem Obersten Denfert mit der geballten<lb/> Faust und die Linke schrie ihm: „Metz! Metz!" entgegen, als er das Wort<lb/> ergriff.</p><lb/> <p xml:id="ID_789"> Welch eine abscheuliche Scene zwischen zwei hervorragenden hohen Offi-<lb/> cieren, im Schooße einer souveränen Versammlung und bei Gelegenheit einer<lb/> Debatte über militärische und nationale Disciplin!</p><lb/> <p xml:id="ID_790"> In diesem ekelerregenden, durch Gambetta wo möglich noch übertroffenen<lb/> Ton schloß eine Diskussion, welche General Chanzy mit der feierlichen Bitte<lb/> um leidenschaftslose Kürze eröffnet hatte. — Der kriegerische Charakter der<lb/> Versammlung sprach sich auch darin aus, daß die Parteien zum Theil Offi-<lb/> ciere an ihre Spitze sollten: das linke Centrum den General Chanzy, die Linke<lb/> den Obersten Denfert,</p><lb/> <p xml:id="ID_791"> Am 30. Mai begann die Specialdebatte. Der erste Titel des Ge-<lb/> setzes umfaßt in 7 Aüikeln die „allgemeine Bestimmungen". Sie lauten:</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0261]
gangen und nannte die Legende Napoleon's und die Demoralisation der
Armee als die Hauptgründe des Falls.
Wenn Trochu als Grundlage jedes gesunden Heerwesens die sociale Dis¬
ciplin bezeichnete, so gab die Versammlung gleich in den nächsten Sitzungen
(28. und 29. Mai) einen vollgiltigen Beweis, daß sie keine Spur davon
habe. Oberst Denfert, der Vertheidiger Belforts, erhob sich nämlich gegen
das militärische Princip des passiven Gehorsams, welches die Mannszucht
lockere und Tage wie den 18. Brumaire und den 2. December möglich mache.
Dieser passive Gehorsam habe in der französischen Armee den Geist der
Initiative getödtet und sich so als eine Hauptursache der Niederlage er¬
wiesen. An seine Stelle sei das Princip der individuellen Verantwortlichkeit
zu setzen; denn die intelligente Initiative jedes einzelnen Heeresgliedes sei der
Grund der preußischen Erfolge. Die Ausführung dieses Gedankens sollte nur
die Einwände des Obersten Denfert gegen die Vorlage begründen, welche
nicht genug für den Unterricht thue, nur eine verstümmelte Anwendung der
allgemeinen Wehrpflicht sei und dem Kriegsminister eine zu große Gewalt
einräume; sie trug aber allerdings einen, für jedes militärische Ohr peinlichen
Charakter. Hatte die Majorität schon das Lob der Preußen kaum ertragen
und in heftigen Unterbrechungen ihren Unwillen zu erkennen gegeben, so trat
General Changarnier mit leidenschaftlichem Zorn zu Gunsten des passiven
Gehorsams ein und begann seine Rede mit den herausfordernden Worten: „Ob¬
gleich ich nicht einige Monate in einer Käsematte von Belfort zugebracht..."
Ein radicaler Abgeordneter, Pichat, rief ihm zu: „Wir, wir heißen Belfort!
Ihr heißet Metz!" und zu Beginn der Sitzung des nächsten Tages erklärte
Oberst Denfert, daß er sich Pichat's Wort aneigne und ebenfalls ausrufe:
„Wir heißen Belfort! Ihr heißet Metz!" Die Linke brüllte BravoI Die Rechte:
Zur Ordnung! Changarnier drohte dem Obersten Denfert mit der geballten
Faust und die Linke schrie ihm: „Metz! Metz!" entgegen, als er das Wort
ergriff.
Welch eine abscheuliche Scene zwischen zwei hervorragenden hohen Offi-
cieren, im Schooße einer souveränen Versammlung und bei Gelegenheit einer
Debatte über militärische und nationale Disciplin!
In diesem ekelerregenden, durch Gambetta wo möglich noch übertroffenen
Ton schloß eine Diskussion, welche General Chanzy mit der feierlichen Bitte
um leidenschaftslose Kürze eröffnet hatte. — Der kriegerische Charakter der
Versammlung sprach sich auch darin aus, daß die Parteien zum Theil Offi-
ciere an ihre Spitze sollten: das linke Centrum den General Chanzy, die Linke
den Obersten Denfert,
Am 30. Mai begann die Specialdebatte. Der erste Titel des Ge-
setzes umfaßt in 7 Aüikeln die „allgemeine Bestimmungen". Sie lauten:
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |