Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.welche der Finanzminister getroffen hat, um dem in der vorigen Session ver¬ Am 23. October hat das Abgeordnetenhaus eine neue Geschäftsordnung Wir kommen nun zum Herrenhaus. Dasselbe begann am 22. October Man wußte längst, daß der erwähnte Bericht dem Herrenhaus die Ab¬ welche der Finanzminister getroffen hat, um dem in der vorigen Session ver¬ Am 23. October hat das Abgeordnetenhaus eine neue Geschäftsordnung Wir kommen nun zum Herrenhaus. Dasselbe begann am 22. October Man wußte längst, daß der erwähnte Bericht dem Herrenhaus die Ab¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0243" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/128697"/> <p xml:id="ID_722" prev="#ID_721"> welche der Finanzminister getroffen hat, um dem in der vorigen Session ver¬<lb/> einbarten Gesetz über die Oberrechnungskammer zu entsprechen.</p><lb/> <p xml:id="ID_723"> Am 23. October hat das Abgeordnetenhaus eine neue Geschäftsordnung<lb/> angenommen, welche in allen wesentlichen Stücken der viel besseren Geschäfts¬<lb/> ordnung des Reichstages nachgebildet ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_724"> Wir kommen nun zum Herrenhaus. Dasselbe begann am 22. October<lb/> die Berathung der Kreisordnung, des Gesetzes, über welches die vom Herren¬<lb/> haus mit der Berichterstattung beauftragte Commission so lange Zeit bedürfte<lb/> ins Reine zu kommen, daß um dieses Umstandes willen die Landtagssession<lb/> 1871 bis 72 nicht in der bisher üblichen Weise vom König für geschlossen<lb/> erklärt worden ist. Wir haben schon an dieser Stelle mehrmals ausgeführt,<lb/> daß wir die Folgen des formalen Schlusses der Sitzungsperioden innerhalb<lb/> ein und derselben Legislaturperiode im Allgemeinen nicht für günstig halten<lb/> und daß wir deshalb die Selbstvertagung der Häuser, wenn sie herbeizuführen<lb/> ist, dem Schluß der Sitzungsperioden vorziehen. Es ist ein offenbarer Ge¬<lb/> winn, daß die im Abgeordnetenhaus durchberathene Kreisordnung, nachdem<lb/> die nothwendige Erholungspause für den Landtag eingetreten, bei Wiederauf¬<lb/> nahme der Sitzungen sogleich vom Herrenhaus in Angriff genommen werden<lb/> kann, während der formale Schluß der Sitzungsperiode sowohl die Frucht der<lb/> Arbeiten des Abgeordnetenhauses, als den Bericht der Herrenhaus-Commission<lb/> ungültig gemacht hätte.</p><lb/> <p xml:id="ID_725" next="#ID_726"> Man wußte längst, daß der erwähnte Bericht dem Herrenhaus die Ab¬<lb/> lehnung der Kreisordnung empfiehlt und den weiteren Vorschlag macht, das<lb/> Herrenhaus möge die Regierung ersuchen, Provinzialgesetze über die Kreis-<lb/> verfassung vorzulegen. Die Herren von Kröcher als Referent, Freiherr von<lb/> Zedlitz, Graf Brühl, Graf zur Lippe, v. Kleist-Retzow, Graf Pfeil vertheidigten<lb/> diesen Standpunkt in der Generaldebatte, welche die Sitzungen vom 22. und<lb/> 23. October ausfüllte, während der Minister des Innern, Graf Eulenburg,<lb/> das Gesetz vertheidigte, wie es mit Zustimmung der Regierung aus dem Ab¬<lb/> geordnetenhaus gekommen, und darin unterstützt wurde von den Herren Graf<lb/> Arnim, Dr. Baumstark, Oberbürgermeister Gobbin. Der Minister sprach glück¬<lb/> lich, mit gesundem Menschenverstand und Witz. Aber diese Waffen prallen<lb/> ohnmächtig ab an Gegnern, deren Hirnschale aus vorweltlichem Gestein ge¬<lb/> bildet scheint, und nicht aus den durchlässigen Substanzen, welche dem leben¬<lb/> digen Odem der Gegenwart Zutritt zu der Seelenthätigkeit verstatten. Die<lb/> Anschauungen, welche aus so eigenthümlich planirten Seelen ans Tageslicht<lb/> treten, wollen wir uns diesmal nicht näher ansehen. Sie sind ohnedies seit<lb/> langer Zeit bekannt und ihre Haupteigenthümlichkeit besteht darin, sich nicht<lb/> organisch fortzubilden, was das Recht des lebendigen Geistes ist. "Da bei<lb/> Gesetzentwürfen, welche die Regierung eingebracht hat, kein Haus des Land-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0243]
welche der Finanzminister getroffen hat, um dem in der vorigen Session ver¬
einbarten Gesetz über die Oberrechnungskammer zu entsprechen.
Am 23. October hat das Abgeordnetenhaus eine neue Geschäftsordnung
angenommen, welche in allen wesentlichen Stücken der viel besseren Geschäfts¬
ordnung des Reichstages nachgebildet ist.
Wir kommen nun zum Herrenhaus. Dasselbe begann am 22. October
die Berathung der Kreisordnung, des Gesetzes, über welches die vom Herren¬
haus mit der Berichterstattung beauftragte Commission so lange Zeit bedürfte
ins Reine zu kommen, daß um dieses Umstandes willen die Landtagssession
1871 bis 72 nicht in der bisher üblichen Weise vom König für geschlossen
erklärt worden ist. Wir haben schon an dieser Stelle mehrmals ausgeführt,
daß wir die Folgen des formalen Schlusses der Sitzungsperioden innerhalb
ein und derselben Legislaturperiode im Allgemeinen nicht für günstig halten
und daß wir deshalb die Selbstvertagung der Häuser, wenn sie herbeizuführen
ist, dem Schluß der Sitzungsperioden vorziehen. Es ist ein offenbarer Ge¬
winn, daß die im Abgeordnetenhaus durchberathene Kreisordnung, nachdem
die nothwendige Erholungspause für den Landtag eingetreten, bei Wiederauf¬
nahme der Sitzungen sogleich vom Herrenhaus in Angriff genommen werden
kann, während der formale Schluß der Sitzungsperiode sowohl die Frucht der
Arbeiten des Abgeordnetenhauses, als den Bericht der Herrenhaus-Commission
ungültig gemacht hätte.
Man wußte längst, daß der erwähnte Bericht dem Herrenhaus die Ab¬
lehnung der Kreisordnung empfiehlt und den weiteren Vorschlag macht, das
Herrenhaus möge die Regierung ersuchen, Provinzialgesetze über die Kreis-
verfassung vorzulegen. Die Herren von Kröcher als Referent, Freiherr von
Zedlitz, Graf Brühl, Graf zur Lippe, v. Kleist-Retzow, Graf Pfeil vertheidigten
diesen Standpunkt in der Generaldebatte, welche die Sitzungen vom 22. und
23. October ausfüllte, während der Minister des Innern, Graf Eulenburg,
das Gesetz vertheidigte, wie es mit Zustimmung der Regierung aus dem Ab¬
geordnetenhaus gekommen, und darin unterstützt wurde von den Herren Graf
Arnim, Dr. Baumstark, Oberbürgermeister Gobbin. Der Minister sprach glück¬
lich, mit gesundem Menschenverstand und Witz. Aber diese Waffen prallen
ohnmächtig ab an Gegnern, deren Hirnschale aus vorweltlichem Gestein ge¬
bildet scheint, und nicht aus den durchlässigen Substanzen, welche dem leben¬
digen Odem der Gegenwart Zutritt zu der Seelenthätigkeit verstatten. Die
Anschauungen, welche aus so eigenthümlich planirten Seelen ans Tageslicht
treten, wollen wir uns diesmal nicht näher ansehen. Sie sind ohnedies seit
langer Zeit bekannt und ihre Haupteigenthümlichkeit besteht darin, sich nicht
organisch fortzubilden, was das Recht des lebendigen Geistes ist. "Da bei
Gesetzentwürfen, welche die Regierung eingebracht hat, kein Haus des Land-
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