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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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(vom Jahre 1871) im vollen Umfange, einschließlich seiner Rückwirkung, auf¬
recht erhalten bleiben müsse. Nun verloren Frankreich und Italien die Ge¬
duld und außer scharfen Collectio-Noten nach Athen gingen auch Flotten ins
Mittelmeer ab. So liegt die Sache heute und die Entscheidung wird nicht
lange mehr auf sich warten lassen. Deligeorgis will zugeben, daß die Lau-
riumfrage vor griechischen Gerichten entschieden werde; allein diese bieten
heute keine Garantie für einen gerechten Spruch und mit Recht lehnen Frank¬
reich und Italien diesen Vorschlag ab. Die Stimmung im ganzen griechischen
Volke ist zu aufgeregt, als daß man dort eine ruhige Beurtheilung des Falles
erwarten könnte. Andererseits lehnte aber König Georg es ab, die Sache vor
einem internationalen Gericht entscheiden zu sehen, da sie innerhalb der Com-
petenz griechischer Justiz liege.

Auch eine Wortklauberei ist bei dem Fall im Spiele. Wir haben oben
den französischen Text aus der Concessionsurkunde mitgetheilt; danach dürfen
die Herren Roux und Serpieri die anoiens amol-Als ausbeuten. Die grie¬
chische Regierung aber behauptet, es erstrecke sich dies nicht auf die Halden
(Ekbolades), sondern nur auf die Schlacken (sevri-^e). Die Halden lagen todt,
die Schlacken lagen todt ehe die Fremden kamen, Griechenland faulte und that
nichts, aber jetzt -- ü-ugW oonsumsro vadi.

Griechenland zeigt uns nicht nur keinen Aufschwung, sondern einen Rück¬
gang seit dem Jahre 1862, als es den biederen Hellenen einfiel, ohne jeglichen
Grund den harmlosen König Otto zu verjagen, der dreißig Jahre für ihr Wohl
gewirkt hatte. Man brauchte zur Abwechselung ein Nevolutiönchen. Nun
kommt der Aufschwung, die Blüthe hieß es. Aber Finanzen. Ackerbau. Straßen
Handel -- alles ging zurück und als der Dänenjüngling sein neues Reich
zum ersten Male bereiste, da war er in Gefahr, beim Passiren eines Flusses
zu ertrinken, über welchen in der türkischen Zeit allerdings noch eine Brücke
geführt hatte.




Dom preußischen Landtag.

Am 22. October haben beide Häuser des Lqndtags ihre Sitzungen wieder
eröffnet, die sie durch gemeinsamen Beschluß vom 10. Juni d. I. in Ueberein¬
stimmung mit der Negierung vertagt hatten.

Im Abgeordnetenhause legte der Finanzminister Camphausen den Ent¬
wurf zum Staatshaushaltsgesetz für 187S vor und verband damit einen Ueber-


Grmzbotcn 1872. IV. Z()

(vom Jahre 1871) im vollen Umfange, einschließlich seiner Rückwirkung, auf¬
recht erhalten bleiben müsse. Nun verloren Frankreich und Italien die Ge¬
duld und außer scharfen Collectio-Noten nach Athen gingen auch Flotten ins
Mittelmeer ab. So liegt die Sache heute und die Entscheidung wird nicht
lange mehr auf sich warten lassen. Deligeorgis will zugeben, daß die Lau-
riumfrage vor griechischen Gerichten entschieden werde; allein diese bieten
heute keine Garantie für einen gerechten Spruch und mit Recht lehnen Frank¬
reich und Italien diesen Vorschlag ab. Die Stimmung im ganzen griechischen
Volke ist zu aufgeregt, als daß man dort eine ruhige Beurtheilung des Falles
erwarten könnte. Andererseits lehnte aber König Georg es ab, die Sache vor
einem internationalen Gericht entscheiden zu sehen, da sie innerhalb der Com-
petenz griechischer Justiz liege.

Auch eine Wortklauberei ist bei dem Fall im Spiele. Wir haben oben
den französischen Text aus der Concessionsurkunde mitgetheilt; danach dürfen
die Herren Roux und Serpieri die anoiens amol-Als ausbeuten. Die grie¬
chische Regierung aber behauptet, es erstrecke sich dies nicht auf die Halden
(Ekbolades), sondern nur auf die Schlacken (sevri-^e). Die Halden lagen todt,
die Schlacken lagen todt ehe die Fremden kamen, Griechenland faulte und that
nichts, aber jetzt — ü-ugW oonsumsro vadi.

Griechenland zeigt uns nicht nur keinen Aufschwung, sondern einen Rück¬
gang seit dem Jahre 1862, als es den biederen Hellenen einfiel, ohne jeglichen
Grund den harmlosen König Otto zu verjagen, der dreißig Jahre für ihr Wohl
gewirkt hatte. Man brauchte zur Abwechselung ein Nevolutiönchen. Nun
kommt der Aufschwung, die Blüthe hieß es. Aber Finanzen. Ackerbau. Straßen
Handel — alles ging zurück und als der Dänenjüngling sein neues Reich
zum ersten Male bereiste, da war er in Gefahr, beim Passiren eines Flusses
zu ertrinken, über welchen in der türkischen Zeit allerdings noch eine Brücke
geführt hatte.




Dom preußischen Landtag.

Am 22. October haben beide Häuser des Lqndtags ihre Sitzungen wieder
eröffnet, die sie durch gemeinsamen Beschluß vom 10. Juni d. I. in Ueberein¬
stimmung mit der Negierung vertagt hatten.

Im Abgeordnetenhause legte der Finanzminister Camphausen den Ent¬
wurf zum Staatshaushaltsgesetz für 187S vor und verband damit einen Ueber-


Grmzbotcn 1872. IV. Z()
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/241>, abgerufen am 03.07.2024.