Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

endet durch fast unveränderte Annahme der Unionsverfassung. Aber die Arbeit
der Volksvertretung wie der Regierung ist vergeblich gewesen. Kaumein halbes
Jahr später demüthigte sich Preußen zu Olmütz, und am 14. Mai 1851 schloß
der Kreislauf der deutschen Einheitsbestrebungen mit der Reactivirung des
Bundestages. Präsident Simson, wie soviele andere seiner Strebensgenossen
von Frankfurt, Gotha und Erfurt, hielt unter solchen Verhältnissen eine fernere
Betheiligung an der politischen Arbeit nutzlos, und zog sich daher Ende 1852
ganz vom öffentlichen Leben zurück, lediglich seinem Amt und seinen Studen¬
ten sich widmend. Er hatte bis dahin, trotz des Scheiterns der nationalen
Hoffnungen der Revolutionsjahre, seit August 1849 -- von Königsberg ge¬
wählt -- in der zweiten preußischen Kammer seinen Sitz behauptet und hier
eine hervorragende Rolle gespielt. So war er 1849 -- 50 Mitglied des Ver¬
fassung - Revisionsausschusses und nach dem Scheitern der deutschen Unions¬
verfassung einer der Führer der compacten und kräftigen Opposition gegen
die undeutsche und würdelose Politik des reactionären Ministeriums Manteuffel
gewesen. Aber mit dem völligen Durchbruch der Reaction, nach Beugung
des kurhessischen Verfassungsrechtes, der Paeification Schleswig-Holsteins, der
Veräußerung der deutschen Flotte und der retrograden Bewegung auf allen
Gebieten des inneren preußischen Staatslebens, entsagte er seiner letzten parla¬
mentarischen Function auch im engern Vaterlande.

Erst als mit der Regentschaft des Prinzen von Preußen und mit dem
Ministerium Schwerin-Auerswald die Verheißung einer neuen Zeit über
Deutschland kam, nahm Simson wieder ein Mandat für das Abgeordneten¬
haus an. So saß er 1858--60 für Königsberg, 1861 für Wetzlar. 1862
bis 67 für Montjoie-Malmedy in der Preußischen II. Kammer als
einer der Führer der Altliberalen, von allen Parteien gefeiert wegen
seiner Erfahrung, Gesinnung und Beredsamkeit. Das allgemeine Vertrauen
seiner Collegen übertrug ihm in den Jahren 1860 und 61 die Präsidenten¬
würde des Abgeordnetenhauses, bis nach Uebernahme der Regierungsleitung
durch Bismarck die schärfer sich zuspitzenden Parteiconflicte auch einen schärfer pro-
noncirten Fortschrittsmann, Grabow, auf den Präsidentenstuhl erhoben. Aber
bei einem heilverkündenden Ereignisse von eminenter Bedeutung hatte Simson noch
als Präsident des Abgeordnetenhauses die Glückwünsche der Volksvertretung
darzubringen gehabt: bei der Krönung König Wilhelm's I. zu Königsberg
am 18. October 1861. -- Die hervorragendste, wenn auch verborgenere Leistung
Simson's als preußischer Abgeordneter war wohl seine Leitung der Justizcom¬
mission, deren Vorsitzender er eine Reihe von Jahren hindurch, in guten und
bösen Tagen gewesen ist, bis er 1867, seinem Reichstagsmandate zu Liebe,
überhaupt eine Wiederwahl ins Preußische Abgeordnetenhaus ablehnte.

Das neue Deutschland seit 1866 hat Simson, wie die meisten seiner ehe-


endet durch fast unveränderte Annahme der Unionsverfassung. Aber die Arbeit
der Volksvertretung wie der Regierung ist vergeblich gewesen. Kaumein halbes
Jahr später demüthigte sich Preußen zu Olmütz, und am 14. Mai 1851 schloß
der Kreislauf der deutschen Einheitsbestrebungen mit der Reactivirung des
Bundestages. Präsident Simson, wie soviele andere seiner Strebensgenossen
von Frankfurt, Gotha und Erfurt, hielt unter solchen Verhältnissen eine fernere
Betheiligung an der politischen Arbeit nutzlos, und zog sich daher Ende 1852
ganz vom öffentlichen Leben zurück, lediglich seinem Amt und seinen Studen¬
ten sich widmend. Er hatte bis dahin, trotz des Scheiterns der nationalen
Hoffnungen der Revolutionsjahre, seit August 1849 — von Königsberg ge¬
wählt — in der zweiten preußischen Kammer seinen Sitz behauptet und hier
eine hervorragende Rolle gespielt. So war er 1849 — 50 Mitglied des Ver¬
fassung - Revisionsausschusses und nach dem Scheitern der deutschen Unions¬
verfassung einer der Führer der compacten und kräftigen Opposition gegen
die undeutsche und würdelose Politik des reactionären Ministeriums Manteuffel
gewesen. Aber mit dem völligen Durchbruch der Reaction, nach Beugung
des kurhessischen Verfassungsrechtes, der Paeification Schleswig-Holsteins, der
Veräußerung der deutschen Flotte und der retrograden Bewegung auf allen
Gebieten des inneren preußischen Staatslebens, entsagte er seiner letzten parla¬
mentarischen Function auch im engern Vaterlande.

Erst als mit der Regentschaft des Prinzen von Preußen und mit dem
Ministerium Schwerin-Auerswald die Verheißung einer neuen Zeit über
Deutschland kam, nahm Simson wieder ein Mandat für das Abgeordneten¬
haus an. So saß er 1858—60 für Königsberg, 1861 für Wetzlar. 1862
bis 67 für Montjoie-Malmedy in der Preußischen II. Kammer als
einer der Führer der Altliberalen, von allen Parteien gefeiert wegen
seiner Erfahrung, Gesinnung und Beredsamkeit. Das allgemeine Vertrauen
seiner Collegen übertrug ihm in den Jahren 1860 und 61 die Präsidenten¬
würde des Abgeordnetenhauses, bis nach Uebernahme der Regierungsleitung
durch Bismarck die schärfer sich zuspitzenden Parteiconflicte auch einen schärfer pro-
noncirten Fortschrittsmann, Grabow, auf den Präsidentenstuhl erhoben. Aber
bei einem heilverkündenden Ereignisse von eminenter Bedeutung hatte Simson noch
als Präsident des Abgeordnetenhauses die Glückwünsche der Volksvertretung
darzubringen gehabt: bei der Krönung König Wilhelm's I. zu Königsberg
am 18. October 1861. — Die hervorragendste, wenn auch verborgenere Leistung
Simson's als preußischer Abgeordneter war wohl seine Leitung der Justizcom¬
mission, deren Vorsitzender er eine Reihe von Jahren hindurch, in guten und
bösen Tagen gewesen ist, bis er 1867, seinem Reichstagsmandate zu Liebe,
überhaupt eine Wiederwahl ins Preußische Abgeordnetenhaus ablehnte.

Das neue Deutschland seit 1866 hat Simson, wie die meisten seiner ehe-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0022" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/128476"/>
          <p xml:id="ID_41" prev="#ID_40"> endet durch fast unveränderte Annahme der Unionsverfassung. Aber die Arbeit<lb/>
der Volksvertretung wie der Regierung ist vergeblich gewesen. Kaumein halbes<lb/>
Jahr später demüthigte sich Preußen zu Olmütz, und am 14. Mai 1851 schloß<lb/>
der Kreislauf der deutschen Einheitsbestrebungen mit der Reactivirung des<lb/>
Bundestages. Präsident Simson, wie soviele andere seiner Strebensgenossen<lb/>
von Frankfurt, Gotha und Erfurt, hielt unter solchen Verhältnissen eine fernere<lb/>
Betheiligung an der politischen Arbeit nutzlos, und zog sich daher Ende 1852<lb/>
ganz vom öffentlichen Leben zurück, lediglich seinem Amt und seinen Studen¬<lb/>
ten sich widmend. Er hatte bis dahin, trotz des Scheiterns der nationalen<lb/>
Hoffnungen der Revolutionsjahre, seit August 1849 &#x2014; von Königsberg ge¬<lb/>
wählt &#x2014; in der zweiten preußischen Kammer seinen Sitz behauptet und hier<lb/>
eine hervorragende Rolle gespielt. So war er 1849 &#x2014; 50 Mitglied des Ver¬<lb/>
fassung - Revisionsausschusses und nach dem Scheitern der deutschen Unions¬<lb/>
verfassung einer der Führer der compacten und kräftigen Opposition gegen<lb/>
die undeutsche und würdelose Politik des reactionären Ministeriums Manteuffel<lb/>
gewesen. Aber mit dem völligen Durchbruch der Reaction, nach Beugung<lb/>
des kurhessischen Verfassungsrechtes, der Paeification Schleswig-Holsteins, der<lb/>
Veräußerung der deutschen Flotte und der retrograden Bewegung auf allen<lb/>
Gebieten des inneren preußischen Staatslebens, entsagte er seiner letzten parla¬<lb/>
mentarischen Function auch im engern Vaterlande.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_42"> Erst als mit der Regentschaft des Prinzen von Preußen und mit dem<lb/>
Ministerium Schwerin-Auerswald die Verheißung einer neuen Zeit über<lb/>
Deutschland kam, nahm Simson wieder ein Mandat für das Abgeordneten¬<lb/>
haus an. So saß er 1858&#x2014;60 für Königsberg, 1861 für Wetzlar. 1862<lb/>
bis 67 für Montjoie-Malmedy in der Preußischen II. Kammer als<lb/>
einer der Führer der Altliberalen, von allen Parteien gefeiert wegen<lb/>
seiner Erfahrung, Gesinnung und Beredsamkeit. Das allgemeine Vertrauen<lb/>
seiner Collegen übertrug ihm in den Jahren 1860 und 61 die Präsidenten¬<lb/>
würde des Abgeordnetenhauses, bis nach Uebernahme der Regierungsleitung<lb/>
durch Bismarck die schärfer sich zuspitzenden Parteiconflicte auch einen schärfer pro-<lb/>
noncirten Fortschrittsmann, Grabow, auf den Präsidentenstuhl erhoben. Aber<lb/>
bei einem heilverkündenden Ereignisse von eminenter Bedeutung hatte Simson noch<lb/>
als Präsident des Abgeordnetenhauses die Glückwünsche der Volksvertretung<lb/>
darzubringen gehabt: bei der Krönung König Wilhelm's I. zu Königsberg<lb/>
am 18. October 1861. &#x2014; Die hervorragendste, wenn auch verborgenere Leistung<lb/>
Simson's als preußischer Abgeordneter war wohl seine Leitung der Justizcom¬<lb/>
mission, deren Vorsitzender er eine Reihe von Jahren hindurch, in guten und<lb/>
bösen Tagen gewesen ist, bis er 1867, seinem Reichstagsmandate zu Liebe,<lb/>
überhaupt eine Wiederwahl ins Preußische Abgeordnetenhaus ablehnte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_43" next="#ID_44"> Das neue Deutschland seit 1866 hat Simson, wie die meisten seiner ehe-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0022] endet durch fast unveränderte Annahme der Unionsverfassung. Aber die Arbeit der Volksvertretung wie der Regierung ist vergeblich gewesen. Kaumein halbes Jahr später demüthigte sich Preußen zu Olmütz, und am 14. Mai 1851 schloß der Kreislauf der deutschen Einheitsbestrebungen mit der Reactivirung des Bundestages. Präsident Simson, wie soviele andere seiner Strebensgenossen von Frankfurt, Gotha und Erfurt, hielt unter solchen Verhältnissen eine fernere Betheiligung an der politischen Arbeit nutzlos, und zog sich daher Ende 1852 ganz vom öffentlichen Leben zurück, lediglich seinem Amt und seinen Studen¬ ten sich widmend. Er hatte bis dahin, trotz des Scheiterns der nationalen Hoffnungen der Revolutionsjahre, seit August 1849 — von Königsberg ge¬ wählt — in der zweiten preußischen Kammer seinen Sitz behauptet und hier eine hervorragende Rolle gespielt. So war er 1849 — 50 Mitglied des Ver¬ fassung - Revisionsausschusses und nach dem Scheitern der deutschen Unions¬ verfassung einer der Führer der compacten und kräftigen Opposition gegen die undeutsche und würdelose Politik des reactionären Ministeriums Manteuffel gewesen. Aber mit dem völligen Durchbruch der Reaction, nach Beugung des kurhessischen Verfassungsrechtes, der Paeification Schleswig-Holsteins, der Veräußerung der deutschen Flotte und der retrograden Bewegung auf allen Gebieten des inneren preußischen Staatslebens, entsagte er seiner letzten parla¬ mentarischen Function auch im engern Vaterlande. Erst als mit der Regentschaft des Prinzen von Preußen und mit dem Ministerium Schwerin-Auerswald die Verheißung einer neuen Zeit über Deutschland kam, nahm Simson wieder ein Mandat für das Abgeordneten¬ haus an. So saß er 1858—60 für Königsberg, 1861 für Wetzlar. 1862 bis 67 für Montjoie-Malmedy in der Preußischen II. Kammer als einer der Führer der Altliberalen, von allen Parteien gefeiert wegen seiner Erfahrung, Gesinnung und Beredsamkeit. Das allgemeine Vertrauen seiner Collegen übertrug ihm in den Jahren 1860 und 61 die Präsidenten¬ würde des Abgeordnetenhauses, bis nach Uebernahme der Regierungsleitung durch Bismarck die schärfer sich zuspitzenden Parteiconflicte auch einen schärfer pro- noncirten Fortschrittsmann, Grabow, auf den Präsidentenstuhl erhoben. Aber bei einem heilverkündenden Ereignisse von eminenter Bedeutung hatte Simson noch als Präsident des Abgeordnetenhauses die Glückwünsche der Volksvertretung darzubringen gehabt: bei der Krönung König Wilhelm's I. zu Königsberg am 18. October 1861. — Die hervorragendste, wenn auch verborgenere Leistung Simson's als preußischer Abgeordneter war wohl seine Leitung der Justizcom¬ mission, deren Vorsitzender er eine Reihe von Jahren hindurch, in guten und bösen Tagen gewesen ist, bis er 1867, seinem Reichstagsmandate zu Liebe, überhaupt eine Wiederwahl ins Preußische Abgeordnetenhaus ablehnte. Das neue Deutschland seit 1866 hat Simson, wie die meisten seiner ehe-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/22
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/22>, abgerufen am 03.07.2024.