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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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die Dotationscasse erzielte Conservirung der, namentlich auch von Trochu, so
lebhaft angefochtenen, alten Soldaten. Es ist bemerkenswerth, daß diese Ein¬
buße von Berufssoldaten nicht gescheut wurde, obgleich das neue Nekrutirungs-
gesetz die Zahl der unausgebildeten Mannschaft so bedeutend vermehrte.

Die nach fünfjähriger Präsenz zur Reserve übergetretenen Mann¬
schaften können nur im Kriege auf kaiserliche Verfügung einberufen werden,
und zwar in der Art, daß die ältere Classe nicht vor gänzlicher Erschöpfung
der jüngeren herangezogen werden darf. Wie sie dann verwendet werden
sollen, davon sagt das Gesetz nichts; bei der Abneigung, welche die Franzosen
aber gegen den Gedanken haben, Verheirathete in das stehende Heer einzu¬
reihen, dürfte der größte Theil der Reservisten wohl zur Bildung fünfter und
sechster Bataillone bestimmt oder wie die Krümper mit der Mobilgarde ver¬
einigt werden. Die Soldaten der Reserve dürfen sich nämlich, wie bereits
erwähnt, während der drei letzten Jahre ihrer Dienstzeit in der Reserve ohne
Erlaubniß verheirathen; indeß alterirt dies ihre Verpflichtungen nicht.

In jedem Jahre fanden in der französischen Armee vom 1. September bis
I. April große Winterbeurlaubungen, sog. semestres, statt. Nach den Ab¬
sichten des Kriegsministers sollten dieselben von nun an umfassen: im zweiten
Dienstjahr ein Viertel des Contingents, im dritten ein Drittel, im vierten
zwei Fünftel und im fünften und letzten Dienstjahre die Hälfte und zwar
diese bis zur gänzlichen Entlassung. Danach dauerte die effective Dienst¬
zeit nur vom 1. September des ersten bis zum 1. September des vierten
Jahres, also überhaupt nur 4 Jahre, und auch von diesen war noch ein
monatelanger Urlaub abzurechnen.

Alles in Allem muß man das Gesetz als eine halbe Maßregel bezeichnen.
Das Om-ps legislo-til hielt die jährliche Bewilligung des Contingents aufrecht,
verweigerte die Bezeichnung der äöuxisms portion als eine zu freier und un¬
bedingter Verfügung der Regierung stehende Reserve und stellte sie nur für
die Mobilgarde zur Disposition.

Was die mobile Nationalgarde betrifft, so wurde sie gebildet:
1) aus denen, die sich im Jahre 1867 freigelost hatten oder sich in späteren
Jahren freilosen würden -- 2) aus denjenigen, welche als älteste Brüder von
Waisen, älteste Söhne 70jähriger oder blinder Väter u. s. w. seit 1867 dienst¬
frei geworden -- 3) aus denjenigen, welche sich seit 1867 hatten remplaciren
lassen. -- Man muß dem gegenüber anerkennen, daß innerhalb der Mo¬
bilgarde die allgemeine Wehrpflicht principiell angenommen
wurde. -- Freilich nur principiell; practisch wurde für eine Menge von


jedoch nur im Laufe des letzten Dienstjahres bei der Fahne abgeschlossen werden. Prämien
wurden den Wicderangcworbencn nicht mehr zugebilligt, sondern nur die Soldzulage.

die Dotationscasse erzielte Conservirung der, namentlich auch von Trochu, so
lebhaft angefochtenen, alten Soldaten. Es ist bemerkenswerth, daß diese Ein¬
buße von Berufssoldaten nicht gescheut wurde, obgleich das neue Nekrutirungs-
gesetz die Zahl der unausgebildeten Mannschaft so bedeutend vermehrte.

Die nach fünfjähriger Präsenz zur Reserve übergetretenen Mann¬
schaften können nur im Kriege auf kaiserliche Verfügung einberufen werden,
und zwar in der Art, daß die ältere Classe nicht vor gänzlicher Erschöpfung
der jüngeren herangezogen werden darf. Wie sie dann verwendet werden
sollen, davon sagt das Gesetz nichts; bei der Abneigung, welche die Franzosen
aber gegen den Gedanken haben, Verheirathete in das stehende Heer einzu¬
reihen, dürfte der größte Theil der Reservisten wohl zur Bildung fünfter und
sechster Bataillone bestimmt oder wie die Krümper mit der Mobilgarde ver¬
einigt werden. Die Soldaten der Reserve dürfen sich nämlich, wie bereits
erwähnt, während der drei letzten Jahre ihrer Dienstzeit in der Reserve ohne
Erlaubniß verheirathen; indeß alterirt dies ihre Verpflichtungen nicht.

In jedem Jahre fanden in der französischen Armee vom 1. September bis
I. April große Winterbeurlaubungen, sog. semestres, statt. Nach den Ab¬
sichten des Kriegsministers sollten dieselben von nun an umfassen: im zweiten
Dienstjahr ein Viertel des Contingents, im dritten ein Drittel, im vierten
zwei Fünftel und im fünften und letzten Dienstjahre die Hälfte und zwar
diese bis zur gänzlichen Entlassung. Danach dauerte die effective Dienst¬
zeit nur vom 1. September des ersten bis zum 1. September des vierten
Jahres, also überhaupt nur 4 Jahre, und auch von diesen war noch ein
monatelanger Urlaub abzurechnen.

Alles in Allem muß man das Gesetz als eine halbe Maßregel bezeichnen.
Das Om-ps legislo-til hielt die jährliche Bewilligung des Contingents aufrecht,
verweigerte die Bezeichnung der äöuxisms portion als eine zu freier und un¬
bedingter Verfügung der Regierung stehende Reserve und stellte sie nur für
die Mobilgarde zur Disposition.

Was die mobile Nationalgarde betrifft, so wurde sie gebildet:
1) aus denen, die sich im Jahre 1867 freigelost hatten oder sich in späteren
Jahren freilosen würden — 2) aus denjenigen, welche als älteste Brüder von
Waisen, älteste Söhne 70jähriger oder blinder Väter u. s. w. seit 1867 dienst¬
frei geworden — 3) aus denjenigen, welche sich seit 1867 hatten remplaciren
lassen. — Man muß dem gegenüber anerkennen, daß innerhalb der Mo¬
bilgarde die allgemeine Wehrpflicht principiell angenommen
wurde. — Freilich nur principiell; practisch wurde für eine Menge von


jedoch nur im Laufe des letzten Dienstjahres bei der Fahne abgeschlossen werden. Prämien
wurden den Wicderangcworbencn nicht mehr zugebilligt, sondern nur die Soldzulage.
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[0149] die Dotationscasse erzielte Conservirung der, namentlich auch von Trochu, so lebhaft angefochtenen, alten Soldaten. Es ist bemerkenswerth, daß diese Ein¬ buße von Berufssoldaten nicht gescheut wurde, obgleich das neue Nekrutirungs- gesetz die Zahl der unausgebildeten Mannschaft so bedeutend vermehrte. Die nach fünfjähriger Präsenz zur Reserve übergetretenen Mann¬ schaften können nur im Kriege auf kaiserliche Verfügung einberufen werden, und zwar in der Art, daß die ältere Classe nicht vor gänzlicher Erschöpfung der jüngeren herangezogen werden darf. Wie sie dann verwendet werden sollen, davon sagt das Gesetz nichts; bei der Abneigung, welche die Franzosen aber gegen den Gedanken haben, Verheirathete in das stehende Heer einzu¬ reihen, dürfte der größte Theil der Reservisten wohl zur Bildung fünfter und sechster Bataillone bestimmt oder wie die Krümper mit der Mobilgarde ver¬ einigt werden. Die Soldaten der Reserve dürfen sich nämlich, wie bereits erwähnt, während der drei letzten Jahre ihrer Dienstzeit in der Reserve ohne Erlaubniß verheirathen; indeß alterirt dies ihre Verpflichtungen nicht. In jedem Jahre fanden in der französischen Armee vom 1. September bis I. April große Winterbeurlaubungen, sog. semestres, statt. Nach den Ab¬ sichten des Kriegsministers sollten dieselben von nun an umfassen: im zweiten Dienstjahr ein Viertel des Contingents, im dritten ein Drittel, im vierten zwei Fünftel und im fünften und letzten Dienstjahre die Hälfte und zwar diese bis zur gänzlichen Entlassung. Danach dauerte die effective Dienst¬ zeit nur vom 1. September des ersten bis zum 1. September des vierten Jahres, also überhaupt nur 4 Jahre, und auch von diesen war noch ein monatelanger Urlaub abzurechnen. Alles in Allem muß man das Gesetz als eine halbe Maßregel bezeichnen. Das Om-ps legislo-til hielt die jährliche Bewilligung des Contingents aufrecht, verweigerte die Bezeichnung der äöuxisms portion als eine zu freier und un¬ bedingter Verfügung der Regierung stehende Reserve und stellte sie nur für die Mobilgarde zur Disposition. Was die mobile Nationalgarde betrifft, so wurde sie gebildet: 1) aus denen, die sich im Jahre 1867 freigelost hatten oder sich in späteren Jahren freilosen würden — 2) aus denjenigen, welche als älteste Brüder von Waisen, älteste Söhne 70jähriger oder blinder Väter u. s. w. seit 1867 dienst¬ frei geworden — 3) aus denjenigen, welche sich seit 1867 hatten remplaciren lassen. — Man muß dem gegenüber anerkennen, daß innerhalb der Mo¬ bilgarde die allgemeine Wehrpflicht principiell angenommen wurde. — Freilich nur principiell; practisch wurde für eine Menge von jedoch nur im Laufe des letzten Dienstjahres bei der Fahne abgeschlossen werden. Prämien wurden den Wicderangcworbencn nicht mehr zugebilligt, sondern nur die Soldzulage.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/149>, abgerufen am 22.07.2024.