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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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denn damit sei das Princip der allgemeinen Wehrpflicht zur Geltung gebracht.
"Das Princip, ja!" so höhnten andere Blätter, "das Princip spielt in
unserem modernen Leben überall da eine große Rolle, wo eben die Realität,
die gemeine Wahrheit fehlt!" --

Am 14. Januar wurde das ganze Militärgesetz vom Corps legislatif
mit 200 gegen 60 Stimmen angenommen und sofort auch im Senat einge¬
bracht. Hier hielt am 27. Januar Brenier eine von Feindschaft gegen
Preußen strotzende Rede, sprach sich zu Gunsten unbedingter Wiederherstellung
des französischen Uebergewichts in Europa aus, erklärte die bisherigen Rüstungen
für unzureichend und verlangte, daß man alle lebendigen Kräfte der Nation
aufbiete, um der Welt Achtung', ja Schrecken einzuflößen. Michel Chevalier
sprach gegen das Gesetz. Frankreich solle auf^le Schiedsrichterrolle in Europa
verzichten. Allen andern ebenbürtig zu sein, sei schon eine große Stellung.
Der Kaiser möge seinen Spruch: I'empire e'ost 1a Mix zur Wahrheit machen;
dadurch werde er mehr für die Größe des Landes thun als durch ein Wehr¬
gesetz, dessen innerer Werth selbst nach dem Urtheile vieler Militärs noch sehr
zweifelhaft sei und das weder in den Salons noch in den Hütten freudig
aufgenommen werde. Chevalier's Stimme verhallte. Vice-Admiral Bouet-
Mllaumez plädirte zu Gunsten der Vorlage, der er dem preußischen System
gegenüber den Preis ertheilte, weil das Hereinziehen aller Elemente des Volks
in die Armee diese weniger ausdauernd und tüchtig mache. Auch Niet er¬
klärte voll großer Zuversicht: "Mit einer Armee wie die, welche das Gesetz
organisiren soll, mit einer Nationalgarde von 500,000 Mann, mit den Be¬
festigungen von Paris und Lyon, von Langres und Belfort, mit dem schönen
verschanzten Lager von Metz, mit Straßburg, Lille und so vielen anderen
wichtigen Festungen glaube ich, daß unser Land fest auf den Frieden bauen
darf und die schlimmen Gedanken unserer Nachbarn nicht zu fürchten braucht."
Am 29. Januar wurde das Militärgesetz vom Senate mit 125 Stimmen
gegen die eine Chevalier's angenommen.

So konnte endlich nach funszehnmonatlichen Vorbereitungen und siebzehn
Sitzungen ig, loi militaire <1u 1. kevrioi' 1868 sammt dem Specialgesetze
für die Bildung der Saras nationale mobile erlassen werden. Das Militär¬
gesetz zerfällt in zwei Artikel, von denen der erste die schon erläuterten, so
wesentlich amendirten Bestimmungen über die Wehrpflicht enthält, während
der zweite die alten Bestimmungen des Gesetzes von 1832 über Loskauf und
Stellvertretung wieder herstellt, indem er das Dotativnsgesetz vom Jahre 185S,
sowie die das röNMgölnent und die vxonäration ein servieo betreffenden Be¬
stimmungen aufhebt. *) In letzterer Maßregel lag ein Verzichten auf die durch



') Rcngagements blieben übrigens ans die Dauer von 2 bis 5 Jahren zulässig, dursten

denn damit sei das Princip der allgemeinen Wehrpflicht zur Geltung gebracht.
„Das Princip, ja!" so höhnten andere Blätter, „das Princip spielt in
unserem modernen Leben überall da eine große Rolle, wo eben die Realität,
die gemeine Wahrheit fehlt!" —

Am 14. Januar wurde das ganze Militärgesetz vom Corps legislatif
mit 200 gegen 60 Stimmen angenommen und sofort auch im Senat einge¬
bracht. Hier hielt am 27. Januar Brenier eine von Feindschaft gegen
Preußen strotzende Rede, sprach sich zu Gunsten unbedingter Wiederherstellung
des französischen Uebergewichts in Europa aus, erklärte die bisherigen Rüstungen
für unzureichend und verlangte, daß man alle lebendigen Kräfte der Nation
aufbiete, um der Welt Achtung', ja Schrecken einzuflößen. Michel Chevalier
sprach gegen das Gesetz. Frankreich solle auf^le Schiedsrichterrolle in Europa
verzichten. Allen andern ebenbürtig zu sein, sei schon eine große Stellung.
Der Kaiser möge seinen Spruch: I'empire e'ost 1a Mix zur Wahrheit machen;
dadurch werde er mehr für die Größe des Landes thun als durch ein Wehr¬
gesetz, dessen innerer Werth selbst nach dem Urtheile vieler Militärs noch sehr
zweifelhaft sei und das weder in den Salons noch in den Hütten freudig
aufgenommen werde. Chevalier's Stimme verhallte. Vice-Admiral Bouet-
Mllaumez plädirte zu Gunsten der Vorlage, der er dem preußischen System
gegenüber den Preis ertheilte, weil das Hereinziehen aller Elemente des Volks
in die Armee diese weniger ausdauernd und tüchtig mache. Auch Niet er¬
klärte voll großer Zuversicht: „Mit einer Armee wie die, welche das Gesetz
organisiren soll, mit einer Nationalgarde von 500,000 Mann, mit den Be¬
festigungen von Paris und Lyon, von Langres und Belfort, mit dem schönen
verschanzten Lager von Metz, mit Straßburg, Lille und so vielen anderen
wichtigen Festungen glaube ich, daß unser Land fest auf den Frieden bauen
darf und die schlimmen Gedanken unserer Nachbarn nicht zu fürchten braucht."
Am 29. Januar wurde das Militärgesetz vom Senate mit 125 Stimmen
gegen die eine Chevalier's angenommen.

So konnte endlich nach funszehnmonatlichen Vorbereitungen und siebzehn
Sitzungen ig, loi militaire <1u 1. kevrioi' 1868 sammt dem Specialgesetze
für die Bildung der Saras nationale mobile erlassen werden. Das Militär¬
gesetz zerfällt in zwei Artikel, von denen der erste die schon erläuterten, so
wesentlich amendirten Bestimmungen über die Wehrpflicht enthält, während
der zweite die alten Bestimmungen des Gesetzes von 1832 über Loskauf und
Stellvertretung wieder herstellt, indem er das Dotativnsgesetz vom Jahre 185S,
sowie die das röNMgölnent und die vxonäration ein servieo betreffenden Be¬
stimmungen aufhebt. *) In letzterer Maßregel lag ein Verzichten auf die durch



') Rcngagements blieben übrigens ans die Dauer von 2 bis 5 Jahren zulässig, dursten
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[0148] denn damit sei das Princip der allgemeinen Wehrpflicht zur Geltung gebracht. „Das Princip, ja!" so höhnten andere Blätter, „das Princip spielt in unserem modernen Leben überall da eine große Rolle, wo eben die Realität, die gemeine Wahrheit fehlt!" — Am 14. Januar wurde das ganze Militärgesetz vom Corps legislatif mit 200 gegen 60 Stimmen angenommen und sofort auch im Senat einge¬ bracht. Hier hielt am 27. Januar Brenier eine von Feindschaft gegen Preußen strotzende Rede, sprach sich zu Gunsten unbedingter Wiederherstellung des französischen Uebergewichts in Europa aus, erklärte die bisherigen Rüstungen für unzureichend und verlangte, daß man alle lebendigen Kräfte der Nation aufbiete, um der Welt Achtung', ja Schrecken einzuflößen. Michel Chevalier sprach gegen das Gesetz. Frankreich solle auf^le Schiedsrichterrolle in Europa verzichten. Allen andern ebenbürtig zu sein, sei schon eine große Stellung. Der Kaiser möge seinen Spruch: I'empire e'ost 1a Mix zur Wahrheit machen; dadurch werde er mehr für die Größe des Landes thun als durch ein Wehr¬ gesetz, dessen innerer Werth selbst nach dem Urtheile vieler Militärs noch sehr zweifelhaft sei und das weder in den Salons noch in den Hütten freudig aufgenommen werde. Chevalier's Stimme verhallte. Vice-Admiral Bouet- Mllaumez plädirte zu Gunsten der Vorlage, der er dem preußischen System gegenüber den Preis ertheilte, weil das Hereinziehen aller Elemente des Volks in die Armee diese weniger ausdauernd und tüchtig mache. Auch Niet er¬ klärte voll großer Zuversicht: „Mit einer Armee wie die, welche das Gesetz organisiren soll, mit einer Nationalgarde von 500,000 Mann, mit den Be¬ festigungen von Paris und Lyon, von Langres und Belfort, mit dem schönen verschanzten Lager von Metz, mit Straßburg, Lille und so vielen anderen wichtigen Festungen glaube ich, daß unser Land fest auf den Frieden bauen darf und die schlimmen Gedanken unserer Nachbarn nicht zu fürchten braucht." Am 29. Januar wurde das Militärgesetz vom Senate mit 125 Stimmen gegen die eine Chevalier's angenommen. So konnte endlich nach funszehnmonatlichen Vorbereitungen und siebzehn Sitzungen ig, loi militaire <1u 1. kevrioi' 1868 sammt dem Specialgesetze für die Bildung der Saras nationale mobile erlassen werden. Das Militär¬ gesetz zerfällt in zwei Artikel, von denen der erste die schon erläuterten, so wesentlich amendirten Bestimmungen über die Wehrpflicht enthält, während der zweite die alten Bestimmungen des Gesetzes von 1832 über Loskauf und Stellvertretung wieder herstellt, indem er das Dotativnsgesetz vom Jahre 185S, sowie die das röNMgölnent und die vxonäration ein servieo betreffenden Be¬ stimmungen aufhebt. *) In letzterer Maßregel lag ein Verzichten auf die durch ') Rcngagements blieben übrigens ans die Dauer von 2 bis 5 Jahren zulässig, dursten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/148>, abgerufen am 22.07.2024.