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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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Wäsche trage, sich mit einer Dienstdirne verlobt habe und, die eigene niedere
Herkunft vergessend, seine Untergebenen Schlute."

In der Dien stführung der Truppentheile tritt das französische System
der Centralisation stark hervor. Der Colonel steht in den meisten Bezie¬
hungen direct mit dem Kriegsminister in Verbindung und befiehlt jeden
Dienst innerhalb seines Regiments, das fast stets in einer Garnison vereint
steht. Und zwar wird, dem schematischen Sinn der Franzosen gemäß, der
Dienst so eingerichtet, daß alle 24 Compagnien, alle 3 oder 6 Escadrons,
alle 12 oder 8 Batterien desselben an jedem Tage genau dieselbe Beschäfti¬
gung haben/") -- Der Lieutenant-Colonel führt keinen Truppentheil,
sondern ist in der That lediglich Stellvertreter des Obersten. -- Der Major
hat etwa die Stellung unseres etatsmäßigen Stabsofsiciers. -- Die üb¬
rigen Stabsosficiere des Regiments heißen bei der Infanterie edok
tlo batMon -- bei der Cavallerie, wo sie die aus 2 Escadrons bestehende
Division commandiren, edel ä'eLea.dron, bei der Artillerie führen die Ab-
theilungs-Commandanten denselben Titel. Diese Stabsosficiere, so wie die
Capitaine haben in Frankreich auch nicht annähernd die Selbstständigkeit wie
bei uns. Es hat das seinen Grund zum nicht geringen Theil in der
übertriebenen Theilung der Arbeit. Schon die Ausbildung des Re¬
kruten geschieht nicht bei der Compagnie, sondern entweder beim Depot
des Regiments oder unter Leitung eines besonders dazu commandirten
Stabsofsiciers. Allerdings haben hierdurch die Cadres während des Win¬
terhalbjahres einen ziemlich bequemen Dienst, aber es kann dabei die Aus¬
bildung der Compagnie nicht so aus Einem Guß sein, es kann sich nicht
zwischen den Rekruten und ihren nächsten Vorgesetzten das enge Verhältniß
entwickeln, als wenn die Capitaines, von ihren Officieren und Unterofsicieren un¬
terstützt, die militärische Erziehung der Recrutenvom ersten Tage an übernehmen,
wie dies bei uns geschieht/") -- Aber auch nach Einstellung der Recruten in die
Compagnie hat deren Hauptmann bei Weitem nicht den Einfluß wie iq"
Preußen. So wird das Schießen, Turnen, Fechten bei der Infanterie, das
Reiten bei der Cavallerie, das Reiten und Fahren bei der Artillerie
nicht, wie bei uns, unter der ausschließlichen Leitung und Verantwortung der
Capitaines betrieben, sondern bei jedem Regiment oder Bataillon ist ein Ca-




") "Daß bei uns innerhalb eines Regiments oder Bataillons die eine Compagnie exercirt,
während eine andere turnt, eine dritte Felddicnst übt und so fort, erscheint den Franzosen ganz
unbegreiflich. Auf diese Weise sind die Functionen des Colonels auf Kosten aller übrigen
Chargen sehr ausgedehnt." (Hauptmann Baron v. Lütinghauscn gen. Wolfs: Die Aus¬
bildung und Taktik der französischen Armee. Posen 1870.)
") Edda.

Wäsche trage, sich mit einer Dienstdirne verlobt habe und, die eigene niedere
Herkunft vergessend, seine Untergebenen Schlute."

In der Dien stführung der Truppentheile tritt das französische System
der Centralisation stark hervor. Der Colonel steht in den meisten Bezie¬
hungen direct mit dem Kriegsminister in Verbindung und befiehlt jeden
Dienst innerhalb seines Regiments, das fast stets in einer Garnison vereint
steht. Und zwar wird, dem schematischen Sinn der Franzosen gemäß, der
Dienst so eingerichtet, daß alle 24 Compagnien, alle 3 oder 6 Escadrons,
alle 12 oder 8 Batterien desselben an jedem Tage genau dieselbe Beschäfti¬
gung haben/") — Der Lieutenant-Colonel führt keinen Truppentheil,
sondern ist in der That lediglich Stellvertreter des Obersten. — Der Major
hat etwa die Stellung unseres etatsmäßigen Stabsofsiciers. — Die üb¬
rigen Stabsosficiere des Regiments heißen bei der Infanterie edok
tlo batMon — bei der Cavallerie, wo sie die aus 2 Escadrons bestehende
Division commandiren, edel ä'eLea.dron, bei der Artillerie führen die Ab-
theilungs-Commandanten denselben Titel. Diese Stabsosficiere, so wie die
Capitaine haben in Frankreich auch nicht annähernd die Selbstständigkeit wie
bei uns. Es hat das seinen Grund zum nicht geringen Theil in der
übertriebenen Theilung der Arbeit. Schon die Ausbildung des Re¬
kruten geschieht nicht bei der Compagnie, sondern entweder beim Depot
des Regiments oder unter Leitung eines besonders dazu commandirten
Stabsofsiciers. Allerdings haben hierdurch die Cadres während des Win¬
terhalbjahres einen ziemlich bequemen Dienst, aber es kann dabei die Aus¬
bildung der Compagnie nicht so aus Einem Guß sein, es kann sich nicht
zwischen den Rekruten und ihren nächsten Vorgesetzten das enge Verhältniß
entwickeln, als wenn die Capitaines, von ihren Officieren und Unterofsicieren un¬
terstützt, die militärische Erziehung der Recrutenvom ersten Tage an übernehmen,
wie dies bei uns geschieht/") — Aber auch nach Einstellung der Recruten in die
Compagnie hat deren Hauptmann bei Weitem nicht den Einfluß wie iq»
Preußen. So wird das Schießen, Turnen, Fechten bei der Infanterie, das
Reiten bei der Cavallerie, das Reiten und Fahren bei der Artillerie
nicht, wie bei uns, unter der ausschließlichen Leitung und Verantwortung der
Capitaines betrieben, sondern bei jedem Regiment oder Bataillon ist ein Ca-




") „Daß bei uns innerhalb eines Regiments oder Bataillons die eine Compagnie exercirt,
während eine andere turnt, eine dritte Felddicnst übt und so fort, erscheint den Franzosen ganz
unbegreiflich. Auf diese Weise sind die Functionen des Colonels auf Kosten aller übrigen
Chargen sehr ausgedehnt." (Hauptmann Baron v. Lütinghauscn gen. Wolfs: Die Aus¬
bildung und Taktik der französischen Armee. Posen 1870.)
") Edda.
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[0108] Wäsche trage, sich mit einer Dienstdirne verlobt habe und, die eigene niedere Herkunft vergessend, seine Untergebenen Schlute." In der Dien stführung der Truppentheile tritt das französische System der Centralisation stark hervor. Der Colonel steht in den meisten Bezie¬ hungen direct mit dem Kriegsminister in Verbindung und befiehlt jeden Dienst innerhalb seines Regiments, das fast stets in einer Garnison vereint steht. Und zwar wird, dem schematischen Sinn der Franzosen gemäß, der Dienst so eingerichtet, daß alle 24 Compagnien, alle 3 oder 6 Escadrons, alle 12 oder 8 Batterien desselben an jedem Tage genau dieselbe Beschäfti¬ gung haben/") — Der Lieutenant-Colonel führt keinen Truppentheil, sondern ist in der That lediglich Stellvertreter des Obersten. — Der Major hat etwa die Stellung unseres etatsmäßigen Stabsofsiciers. — Die üb¬ rigen Stabsosficiere des Regiments heißen bei der Infanterie edok tlo batMon — bei der Cavallerie, wo sie die aus 2 Escadrons bestehende Division commandiren, edel ä'eLea.dron, bei der Artillerie führen die Ab- theilungs-Commandanten denselben Titel. Diese Stabsosficiere, so wie die Capitaine haben in Frankreich auch nicht annähernd die Selbstständigkeit wie bei uns. Es hat das seinen Grund zum nicht geringen Theil in der übertriebenen Theilung der Arbeit. Schon die Ausbildung des Re¬ kruten geschieht nicht bei der Compagnie, sondern entweder beim Depot des Regiments oder unter Leitung eines besonders dazu commandirten Stabsofsiciers. Allerdings haben hierdurch die Cadres während des Win¬ terhalbjahres einen ziemlich bequemen Dienst, aber es kann dabei die Aus¬ bildung der Compagnie nicht so aus Einem Guß sein, es kann sich nicht zwischen den Rekruten und ihren nächsten Vorgesetzten das enge Verhältniß entwickeln, als wenn die Capitaines, von ihren Officieren und Unterofsicieren un¬ terstützt, die militärische Erziehung der Recrutenvom ersten Tage an übernehmen, wie dies bei uns geschieht/") — Aber auch nach Einstellung der Recruten in die Compagnie hat deren Hauptmann bei Weitem nicht den Einfluß wie iq» Preußen. So wird das Schießen, Turnen, Fechten bei der Infanterie, das Reiten bei der Cavallerie, das Reiten und Fahren bei der Artillerie nicht, wie bei uns, unter der ausschließlichen Leitung und Verantwortung der Capitaines betrieben, sondern bei jedem Regiment oder Bataillon ist ein Ca- ") „Daß bei uns innerhalb eines Regiments oder Bataillons die eine Compagnie exercirt, während eine andere turnt, eine dritte Felddicnst übt und so fort, erscheint den Franzosen ganz unbegreiflich. Auf diese Weise sind die Functionen des Colonels auf Kosten aller übrigen Chargen sehr ausgedehnt." (Hauptmann Baron v. Lütinghauscn gen. Wolfs: Die Aus¬ bildung und Taktik der französischen Armee. Posen 1870.) ") Edda.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/108>, abgerufen am 22.07.2024.