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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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liebe Uebelstände daraus, daß man, um dem Grundsatz der Gleichheit zu hul¬
digen, auch bei diesen Specialwaffen an dem Avancement der Unterofficiere
festhält. Ein tüchtiger Wallmeister oder Zeugwart ist kaum noch zu finden.
"Und all' diese Mängel nimmt man nur deshalb in den Kauf, um dem un¬
verständigen Eigensinne der öffentlichen Meinung gerecht zu werden, die sich
doch durchaus nicht erhitzt, wenn sich z. B, der älteste Geselle dem jüngsten
Meister fügen muß, der zufällig vermögender war als er, oder die keinen An¬
stoß nimmt, wenn auf andern Gebieten des Staatsdienstes die dargethane
wissenschaftliche Befähigung die schärfsten Grenzen zieht."")

Die nicht aus den Reihen der Unteroffiziere hervorgehenden Officiere
entstammen den Militärschulen.

Da ist erstens die Schule von Saint-Cyr. (Eintrittsalter 17 bis 20
Jahr, Jahrespension 1500 Francs, Cursus 2 Jahre.) Diese öoolo imxürialo "xü-
eialo militaire dient zur Bildung von Officieren der Infanterie, Cavallerie und der
Marine. Die Bedingungen zum Eintritt sind ein bestandenes Examen und frei¬
willige Verpflichtung zu längerer Dienstzeit. Die Organisation ist rein militärisch.
-- Nicht ausschließlich Militärbildungsanstalt ist die polytechnische Schule zu
Paris, aus welcher die jungen Leute hervorgehen, welche später als Untcrlieutenants
auf der Artillerie- und Ingenieur-Schule zu Metz weiter ausgebildet werden. Die
Ausnahmebedingungen und die Cursuszeit entsprechen denen der Schule von Se. Cyr;
die Pension ist geringer. -- Die öeols imporicrlo (l'^pplieat-ion no l'artil-
lerik et an Zünio zu Metz hat einen zwei-bis dreijährigen Cursus, welcher als
vierjährige Dienstzeit angerechnet wird.(!) Nach der Abgangsprüfung treten die Un¬
tcrlieutenants sogleich als wirkliche Artillerie- oder Genie-Officiere in die Armee. --
Die öoolv imperialo et'applieatiou ä'neae, major zu Paris ist dem Gc-
uerolstabe angeschlossen und erhält außer den 30 besten Zöglingen von Se. Cyr
jährlich 22 besonders empfohlene Untcrlieutenants aus der Armee. Der Cursus ist
zweijährig, und nach Abcommandirungen zu den verschiedenen Waffen kommen die
Officiere in den Generalstab.**)

Die Menge der aus den höheren Classen in die Armee tretenden Offi¬
ciere nimmt allmählig aber stetig ab. Die Zahl der zur Schule von Saint-
Cyr angemeldeten jungen Leute pflegte früher jährlich 2000 zu betragen; in
den letzten Jahren des Kaiserreichs sinkt sie auf 000. Ein großer Theil der
Officiere besteht aus Officierssöhnen, die auf Kosten des Staates von frühester




') Pfister a. a. O.
") Zu diesen Schulen treten noch hinzu: die Cavallerieschule zu Saumnr zur Her¬
anbildung von Reitlehrern für die Reiterei; das Militärcrzichungshaus von la Fleche
(öl'Muöo) für die Söhne verdienter unbemittelter Officiere und Unterofficiere, eine Art Ka¬
dettencorps, dessen Zöglinge meist in die polytechnische Schule oder die von Se. Chr über¬
treten; die "Lote an ssrvivo alö halten mille-Urs zu Straßburg zur Heranbildung von
Wundärzten und Apothekern für das Heer; eine ärztliche Fortbildungsanstalt zu Paris
U"d drei Tbicrarzncischulcn.

liebe Uebelstände daraus, daß man, um dem Grundsatz der Gleichheit zu hul¬
digen, auch bei diesen Specialwaffen an dem Avancement der Unterofficiere
festhält. Ein tüchtiger Wallmeister oder Zeugwart ist kaum noch zu finden.
„Und all' diese Mängel nimmt man nur deshalb in den Kauf, um dem un¬
verständigen Eigensinne der öffentlichen Meinung gerecht zu werden, die sich
doch durchaus nicht erhitzt, wenn sich z. B, der älteste Geselle dem jüngsten
Meister fügen muß, der zufällig vermögender war als er, oder die keinen An¬
stoß nimmt, wenn auf andern Gebieten des Staatsdienstes die dargethane
wissenschaftliche Befähigung die schärfsten Grenzen zieht."")

Die nicht aus den Reihen der Unteroffiziere hervorgehenden Officiere
entstammen den Militärschulen.

Da ist erstens die Schule von Saint-Cyr. (Eintrittsalter 17 bis 20
Jahr, Jahrespension 1500 Francs, Cursus 2 Jahre.) Diese öoolo imxürialo »xü-
eialo militaire dient zur Bildung von Officieren der Infanterie, Cavallerie und der
Marine. Die Bedingungen zum Eintritt sind ein bestandenes Examen und frei¬
willige Verpflichtung zu längerer Dienstzeit. Die Organisation ist rein militärisch.
— Nicht ausschließlich Militärbildungsanstalt ist die polytechnische Schule zu
Paris, aus welcher die jungen Leute hervorgehen, welche später als Untcrlieutenants
auf der Artillerie- und Ingenieur-Schule zu Metz weiter ausgebildet werden. Die
Ausnahmebedingungen und die Cursuszeit entsprechen denen der Schule von Se. Cyr;
die Pension ist geringer. — Die öeols imporicrlo (l'^pplieat-ion no l'artil-
lerik et an Zünio zu Metz hat einen zwei-bis dreijährigen Cursus, welcher als
vierjährige Dienstzeit angerechnet wird.(!) Nach der Abgangsprüfung treten die Un¬
tcrlieutenants sogleich als wirkliche Artillerie- oder Genie-Officiere in die Armee. —
Die öoolv imperialo et'applieatiou ä'neae, major zu Paris ist dem Gc-
uerolstabe angeschlossen und erhält außer den 30 besten Zöglingen von Se. Cyr
jährlich 22 besonders empfohlene Untcrlieutenants aus der Armee. Der Cursus ist
zweijährig, und nach Abcommandirungen zu den verschiedenen Waffen kommen die
Officiere in den Generalstab.**)

Die Menge der aus den höheren Classen in die Armee tretenden Offi¬
ciere nimmt allmählig aber stetig ab. Die Zahl der zur Schule von Saint-
Cyr angemeldeten jungen Leute pflegte früher jährlich 2000 zu betragen; in
den letzten Jahren des Kaiserreichs sinkt sie auf 000. Ein großer Theil der
Officiere besteht aus Officierssöhnen, die auf Kosten des Staates von frühester




') Pfister a. a. O.
") Zu diesen Schulen treten noch hinzu: die Cavallerieschule zu Saumnr zur Her¬
anbildung von Reitlehrern für die Reiterei; das Militärcrzichungshaus von la Fleche
(öl'Muöo) für die Söhne verdienter unbemittelter Officiere und Unterofficiere, eine Art Ka¬
dettencorps, dessen Zöglinge meist in die polytechnische Schule oder die von Se. Chr über¬
treten; die »Lote an ssrvivo alö halten mille-Urs zu Straßburg zur Heranbildung von
Wundärzten und Apothekern für das Heer; eine ärztliche Fortbildungsanstalt zu Paris
U»d drei Tbicrarzncischulcn.
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[0104] liebe Uebelstände daraus, daß man, um dem Grundsatz der Gleichheit zu hul¬ digen, auch bei diesen Specialwaffen an dem Avancement der Unterofficiere festhält. Ein tüchtiger Wallmeister oder Zeugwart ist kaum noch zu finden. „Und all' diese Mängel nimmt man nur deshalb in den Kauf, um dem un¬ verständigen Eigensinne der öffentlichen Meinung gerecht zu werden, die sich doch durchaus nicht erhitzt, wenn sich z. B, der älteste Geselle dem jüngsten Meister fügen muß, der zufällig vermögender war als er, oder die keinen An¬ stoß nimmt, wenn auf andern Gebieten des Staatsdienstes die dargethane wissenschaftliche Befähigung die schärfsten Grenzen zieht."") Die nicht aus den Reihen der Unteroffiziere hervorgehenden Officiere entstammen den Militärschulen. Da ist erstens die Schule von Saint-Cyr. (Eintrittsalter 17 bis 20 Jahr, Jahrespension 1500 Francs, Cursus 2 Jahre.) Diese öoolo imxürialo »xü- eialo militaire dient zur Bildung von Officieren der Infanterie, Cavallerie und der Marine. Die Bedingungen zum Eintritt sind ein bestandenes Examen und frei¬ willige Verpflichtung zu längerer Dienstzeit. Die Organisation ist rein militärisch. — Nicht ausschließlich Militärbildungsanstalt ist die polytechnische Schule zu Paris, aus welcher die jungen Leute hervorgehen, welche später als Untcrlieutenants auf der Artillerie- und Ingenieur-Schule zu Metz weiter ausgebildet werden. Die Ausnahmebedingungen und die Cursuszeit entsprechen denen der Schule von Se. Cyr; die Pension ist geringer. — Die öeols imporicrlo (l'^pplieat-ion no l'artil- lerik et an Zünio zu Metz hat einen zwei-bis dreijährigen Cursus, welcher als vierjährige Dienstzeit angerechnet wird.(!) Nach der Abgangsprüfung treten die Un¬ tcrlieutenants sogleich als wirkliche Artillerie- oder Genie-Officiere in die Armee. — Die öoolv imperialo et'applieatiou ä'neae, major zu Paris ist dem Gc- uerolstabe angeschlossen und erhält außer den 30 besten Zöglingen von Se. Cyr jährlich 22 besonders empfohlene Untcrlieutenants aus der Armee. Der Cursus ist zweijährig, und nach Abcommandirungen zu den verschiedenen Waffen kommen die Officiere in den Generalstab.**) Die Menge der aus den höheren Classen in die Armee tretenden Offi¬ ciere nimmt allmählig aber stetig ab. Die Zahl der zur Schule von Saint- Cyr angemeldeten jungen Leute pflegte früher jährlich 2000 zu betragen; in den letzten Jahren des Kaiserreichs sinkt sie auf 000. Ein großer Theil der Officiere besteht aus Officierssöhnen, die auf Kosten des Staates von frühester ') Pfister a. a. O. ") Zu diesen Schulen treten noch hinzu: die Cavallerieschule zu Saumnr zur Her¬ anbildung von Reitlehrern für die Reiterei; das Militärcrzichungshaus von la Fleche (öl'Muöo) für die Söhne verdienter unbemittelter Officiere und Unterofficiere, eine Art Ka¬ dettencorps, dessen Zöglinge meist in die polytechnische Schule oder die von Se. Chr über¬ treten; die »Lote an ssrvivo alö halten mille-Urs zu Straßburg zur Heranbildung von Wundärzten und Apothekern für das Heer; eine ärztliche Fortbildungsanstalt zu Paris U»d drei Tbicrarzncischulcn.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/104>, abgerufen am 22.07.2024.