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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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lichen Zimmern wenigstens so beschaffen sein möchten, daß sie dem Zuschauer
einigermaßen eine befriedigende Täuschung bereiten und die Requisiten nicht
das Gepräge eines Wirthshausstückchens haben möchten. 1788 schwang man
sich zu einem Kronleuchter von Glas empor, den man von einem durchreisen¬
den Glashändler für kaum 30 Thaler erkaufte und die Einfachheit der ge¬
stimmten Einrichtung, welche dem Theater nach dem Umbau 1800 eigen war,
erhellt selbst aus der mir überkommenen Beschreibung*) eines Augenzeugen,
so sehr sie von dem Lobe auch erfüllt war. Es war in der That ein schwie¬
riger Weg mit taufenden von Hemmnissen, den Goethe bis zur Vollendung der
Schöpfung zurückgelegt hat. Er kämpfte nicht allein mit bescheidenen Mitteln,
sondern mit Mittelmäßigkeit der Leistungen und im Anfang mit einem Pub-
licum, dessen Geschmacksrichtung völlig irre geleitet worden war. Es war doch
ein bemerkenswerter Umstand, daß selbst die wissenschaftlichen Blätter in
Weimar erst Jahre nach der Eröffnung des Hoftheaters seiner Leistungen ge¬
dachten und 1794 ganz aufhörten um den anderen Bühnen die Aufmerk¬
samkeit zuzuwenden. Desto schneller ging es vorwärts. Die Direction selbst
theilt 1802 die 11jährigen Leistungen in 4 Perioden, und wenn gleichsam der
Begriff von dramatischer Kunst verloren gegangen war, so war er schon mit
Ifflands Auftreten wieder lebendig geworden. Aber in den strengen Anfor¬
derungen Goethe's, daß der Schauspieler sich in allen Rollen personell ver¬
leugne, daß er die rythmische Declamation als nothwendig einführte, darin
lagen die Schwierigkeiten, und die in Ifflands Gastspiel hervortretende Viel¬
seitigkeit des Schauspielers ist in Goethe's Theaterschule, in den sorgfältigen
Proben, mit Zähigkeit betont und erstrebt worden, wenn auch noch mancher
Schauspieler sich die jambischen Rollen wie Prosa ohne Absatz und Versein¬
theilung zur Erlernung schreiben ließ.

Eine weniger rasche Entwickelung erfuhr die Oper, weil es ihr lange an
geeignetem Personal fehlte und damals sogar hübsche Leute aus dem Chöre
des Gymnasiums zu jener verwendet werden mußten. Jede Kraft wurde
ausgenutzt, der Schneider und Maschinist spielten ihre Nebenrollen so gut,
wie der Schauspieler und Sänger, ein Umstand, der für die Vielseitigkeit und
das unserer Bühne nachgerühmte Zusammenspiel von höchster Bedeutung war.
Aber auch hier galt das alt bewährte Wort: Kleine Ursachen, große Wirkungen.
Seit der Zeit, in der ein Gymnasiast als Kobold in der Aufführung des Don
Juan mit seinem Schweif beim Verschwinden in einer Versenkung hängen
blieb und zum Gaudium des Publicums nach Freiheit ringend, sich sein
Schweifchen abriß, da war durch den öffentlichen Spott des Publicums die
Würde der Schule in Frage gestellt. Zum Segen beider Anstalten war das



>) In den hist. Mist. Nachr. w" Weimar S. 4g ff.

lichen Zimmern wenigstens so beschaffen sein möchten, daß sie dem Zuschauer
einigermaßen eine befriedigende Täuschung bereiten und die Requisiten nicht
das Gepräge eines Wirthshausstückchens haben möchten. 1788 schwang man
sich zu einem Kronleuchter von Glas empor, den man von einem durchreisen¬
den Glashändler für kaum 30 Thaler erkaufte und die Einfachheit der ge¬
stimmten Einrichtung, welche dem Theater nach dem Umbau 1800 eigen war,
erhellt selbst aus der mir überkommenen Beschreibung*) eines Augenzeugen,
so sehr sie von dem Lobe auch erfüllt war. Es war in der That ein schwie¬
riger Weg mit taufenden von Hemmnissen, den Goethe bis zur Vollendung der
Schöpfung zurückgelegt hat. Er kämpfte nicht allein mit bescheidenen Mitteln,
sondern mit Mittelmäßigkeit der Leistungen und im Anfang mit einem Pub-
licum, dessen Geschmacksrichtung völlig irre geleitet worden war. Es war doch
ein bemerkenswerter Umstand, daß selbst die wissenschaftlichen Blätter in
Weimar erst Jahre nach der Eröffnung des Hoftheaters seiner Leistungen ge¬
dachten und 1794 ganz aufhörten um den anderen Bühnen die Aufmerk¬
samkeit zuzuwenden. Desto schneller ging es vorwärts. Die Direction selbst
theilt 1802 die 11jährigen Leistungen in 4 Perioden, und wenn gleichsam der
Begriff von dramatischer Kunst verloren gegangen war, so war er schon mit
Ifflands Auftreten wieder lebendig geworden. Aber in den strengen Anfor¬
derungen Goethe's, daß der Schauspieler sich in allen Rollen personell ver¬
leugne, daß er die rythmische Declamation als nothwendig einführte, darin
lagen die Schwierigkeiten, und die in Ifflands Gastspiel hervortretende Viel¬
seitigkeit des Schauspielers ist in Goethe's Theaterschule, in den sorgfältigen
Proben, mit Zähigkeit betont und erstrebt worden, wenn auch noch mancher
Schauspieler sich die jambischen Rollen wie Prosa ohne Absatz und Versein¬
theilung zur Erlernung schreiben ließ.

Eine weniger rasche Entwickelung erfuhr die Oper, weil es ihr lange an
geeignetem Personal fehlte und damals sogar hübsche Leute aus dem Chöre
des Gymnasiums zu jener verwendet werden mußten. Jede Kraft wurde
ausgenutzt, der Schneider und Maschinist spielten ihre Nebenrollen so gut,
wie der Schauspieler und Sänger, ein Umstand, der für die Vielseitigkeit und
das unserer Bühne nachgerühmte Zusammenspiel von höchster Bedeutung war.
Aber auch hier galt das alt bewährte Wort: Kleine Ursachen, große Wirkungen.
Seit der Zeit, in der ein Gymnasiast als Kobold in der Aufführung des Don
Juan mit seinem Schweif beim Verschwinden in einer Versenkung hängen
blieb und zum Gaudium des Publicums nach Freiheit ringend, sich sein
Schweifchen abriß, da war durch den öffentlichen Spott des Publicums die
Würde der Schule in Frage gestellt. Zum Segen beider Anstalten war das



>) In den hist. Mist. Nachr. w» Weimar S. 4g ff.
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[0075] lichen Zimmern wenigstens so beschaffen sein möchten, daß sie dem Zuschauer einigermaßen eine befriedigende Täuschung bereiten und die Requisiten nicht das Gepräge eines Wirthshausstückchens haben möchten. 1788 schwang man sich zu einem Kronleuchter von Glas empor, den man von einem durchreisen¬ den Glashändler für kaum 30 Thaler erkaufte und die Einfachheit der ge¬ stimmten Einrichtung, welche dem Theater nach dem Umbau 1800 eigen war, erhellt selbst aus der mir überkommenen Beschreibung*) eines Augenzeugen, so sehr sie von dem Lobe auch erfüllt war. Es war in der That ein schwie¬ riger Weg mit taufenden von Hemmnissen, den Goethe bis zur Vollendung der Schöpfung zurückgelegt hat. Er kämpfte nicht allein mit bescheidenen Mitteln, sondern mit Mittelmäßigkeit der Leistungen und im Anfang mit einem Pub- licum, dessen Geschmacksrichtung völlig irre geleitet worden war. Es war doch ein bemerkenswerter Umstand, daß selbst die wissenschaftlichen Blätter in Weimar erst Jahre nach der Eröffnung des Hoftheaters seiner Leistungen ge¬ dachten und 1794 ganz aufhörten um den anderen Bühnen die Aufmerk¬ samkeit zuzuwenden. Desto schneller ging es vorwärts. Die Direction selbst theilt 1802 die 11jährigen Leistungen in 4 Perioden, und wenn gleichsam der Begriff von dramatischer Kunst verloren gegangen war, so war er schon mit Ifflands Auftreten wieder lebendig geworden. Aber in den strengen Anfor¬ derungen Goethe's, daß der Schauspieler sich in allen Rollen personell ver¬ leugne, daß er die rythmische Declamation als nothwendig einführte, darin lagen die Schwierigkeiten, und die in Ifflands Gastspiel hervortretende Viel¬ seitigkeit des Schauspielers ist in Goethe's Theaterschule, in den sorgfältigen Proben, mit Zähigkeit betont und erstrebt worden, wenn auch noch mancher Schauspieler sich die jambischen Rollen wie Prosa ohne Absatz und Versein¬ theilung zur Erlernung schreiben ließ. Eine weniger rasche Entwickelung erfuhr die Oper, weil es ihr lange an geeignetem Personal fehlte und damals sogar hübsche Leute aus dem Chöre des Gymnasiums zu jener verwendet werden mußten. Jede Kraft wurde ausgenutzt, der Schneider und Maschinist spielten ihre Nebenrollen so gut, wie der Schauspieler und Sänger, ein Umstand, der für die Vielseitigkeit und das unserer Bühne nachgerühmte Zusammenspiel von höchster Bedeutung war. Aber auch hier galt das alt bewährte Wort: Kleine Ursachen, große Wirkungen. Seit der Zeit, in der ein Gymnasiast als Kobold in der Aufführung des Don Juan mit seinem Schweif beim Verschwinden in einer Versenkung hängen blieb und zum Gaudium des Publicums nach Freiheit ringend, sich sein Schweifchen abriß, da war durch den öffentlichen Spott des Publicums die Würde der Schule in Frage gestellt. Zum Segen beider Anstalten war das >) In den hist. Mist. Nachr. w» Weimar S. 4g ff.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/75>, abgerufen am 25.08.2024.