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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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zeihlicher Luxus" angesehen. Bürgershäuser ließen alle 2 Jahrdie Wände München,
um von den mächtigen Oefen nicht zu reden, in deren "Hölle" man bei düsterm
Lampenschein sich gern aufzuhalten pflegte. Manche Aenderungen stellten sich
nach der italienischen Reise der Herzogin Amalia ein, wo viele südländische
Erzeugnisse und Luxusartikel Eingang fanden. Es zeugt für die Einfachheit,
daß Bertuchs Journal für Luxus und Mode einen gewaltigen Sturm .hervor¬
rief, weil angeblich englischer und französischer Geschmack durch dasselbe ver¬
breitet und eine ungesunde Lebensanschauung befördert werden sollte. Trotz¬
dem wirkte dies Journal auf den Weimarischen Geschmack, nachdem die Ten¬
denz der Zeitschrift erweitert war, welche die besten literarischen Kräfte ver¬
traten. Es verbreitete sich über alles Wissenswerthe, förderte die Kenntniß
des Alterthums namentlich durch Aufsätze Böttigers und erweiterte den engern
Gesichtskreis so, daß dieses Organ bald als Vorkämpfer für die Einführung
einer deutschen Nationaltracht auftrat und den fremden Geschmack zu be¬
kämpfen suchte. Diese Zeitschrift ist im eigensten Sinne eine Weimarische
Culturzeitschrift, eine unerschöpfliche Fundgrube für Meles, was die Ent¬
wickelung unserer Zustände zur Anschauung zu bringen hat.

Aus dem Kreise unsrer Betrachtungen heben wir nur Noch zwei Bildungs¬
momente hervor: Musik und Theater.

Selbstverständlich richteten sich die musikalischen Leistungen nach der Voll¬
kommenheit der Instrumente, die man, soweit es das Clavier betraf, in Wei¬
mar mit allen Kräften anstrebte. Aus den Anfängen der klassischen Zeit
werden wir freilich an große UnVollkommenheit erinnert, an einen sournirten
Corpus mit 4 Tonveränderungen auf Rehfüßchen stehend, an das Bogenham-
merclavier, das sogar das stärkste Fahren vertragen konnte, an die Soctavigen
Instrumente, die fast allgemein im Gebrauche waren. 1800 bildete man eine
Dame im Grase sitzend, das Clavier auf dem Schoose spielend ab, es wurde
dringend wegen seines "figürlichen Anstandes" Herren und Damen empfohlen.
Nur langsam fanden die theuern Wiener Instrumente Eingang, während seit
1795 Weimar eine wahre Wuth ergriffen hatte, die Guitarre zu lernen. Seit
1804 kam die Harfe in Aufnahme, die sich, mit trefflichen Flügel, bei der Aus¬
stattung der Großfürstin befand. Seit 1812 gab es Instrumente in Harfen-
sonn, schrankartig, pyramidenförmig; es gab Apollofortepianos und auch solche
en (iir-M. Daß sie höheren Anforderungen nicht genügten, beweist die That¬
sache, daß 1823 "das Concert" der ersten russischen Pianistin nicht hätte
stattfinden können, wenn nicht die Frau Großfürstin ihr Instrument dazu
hergegeben hätte.

In den ersten Zeiten der Glanzperiode waren die musikalischen Leistungen
im Allgemeinen nicht bedeutend. Der Oper fehlten auch nach 1791 noch die
nöthigen Kräfte, und wenn auch Kranz, ein vorzüglicher Meister, 1797 Mo-


zeihlicher Luxus" angesehen. Bürgershäuser ließen alle 2 Jahrdie Wände München,
um von den mächtigen Oefen nicht zu reden, in deren „Hölle" man bei düsterm
Lampenschein sich gern aufzuhalten pflegte. Manche Aenderungen stellten sich
nach der italienischen Reise der Herzogin Amalia ein, wo viele südländische
Erzeugnisse und Luxusartikel Eingang fanden. Es zeugt für die Einfachheit,
daß Bertuchs Journal für Luxus und Mode einen gewaltigen Sturm .hervor¬
rief, weil angeblich englischer und französischer Geschmack durch dasselbe ver¬
breitet und eine ungesunde Lebensanschauung befördert werden sollte. Trotz¬
dem wirkte dies Journal auf den Weimarischen Geschmack, nachdem die Ten¬
denz der Zeitschrift erweitert war, welche die besten literarischen Kräfte ver¬
traten. Es verbreitete sich über alles Wissenswerthe, förderte die Kenntniß
des Alterthums namentlich durch Aufsätze Böttigers und erweiterte den engern
Gesichtskreis so, daß dieses Organ bald als Vorkämpfer für die Einführung
einer deutschen Nationaltracht auftrat und den fremden Geschmack zu be¬
kämpfen suchte. Diese Zeitschrift ist im eigensten Sinne eine Weimarische
Culturzeitschrift, eine unerschöpfliche Fundgrube für Meles, was die Ent¬
wickelung unserer Zustände zur Anschauung zu bringen hat.

Aus dem Kreise unsrer Betrachtungen heben wir nur Noch zwei Bildungs¬
momente hervor: Musik und Theater.

Selbstverständlich richteten sich die musikalischen Leistungen nach der Voll¬
kommenheit der Instrumente, die man, soweit es das Clavier betraf, in Wei¬
mar mit allen Kräften anstrebte. Aus den Anfängen der klassischen Zeit
werden wir freilich an große UnVollkommenheit erinnert, an einen sournirten
Corpus mit 4 Tonveränderungen auf Rehfüßchen stehend, an das Bogenham-
merclavier, das sogar das stärkste Fahren vertragen konnte, an die Soctavigen
Instrumente, die fast allgemein im Gebrauche waren. 1800 bildete man eine
Dame im Grase sitzend, das Clavier auf dem Schoose spielend ab, es wurde
dringend wegen seines „figürlichen Anstandes" Herren und Damen empfohlen.
Nur langsam fanden die theuern Wiener Instrumente Eingang, während seit
1795 Weimar eine wahre Wuth ergriffen hatte, die Guitarre zu lernen. Seit
1804 kam die Harfe in Aufnahme, die sich, mit trefflichen Flügel, bei der Aus¬
stattung der Großfürstin befand. Seit 1812 gab es Instrumente in Harfen-
sonn, schrankartig, pyramidenförmig; es gab Apollofortepianos und auch solche
en (iir-M. Daß sie höheren Anforderungen nicht genügten, beweist die That¬
sache, daß 1823 „das Concert" der ersten russischen Pianistin nicht hätte
stattfinden können, wenn nicht die Frau Großfürstin ihr Instrument dazu
hergegeben hätte.

In den ersten Zeiten der Glanzperiode waren die musikalischen Leistungen
im Allgemeinen nicht bedeutend. Der Oper fehlten auch nach 1791 noch die
nöthigen Kräfte, und wenn auch Kranz, ein vorzüglicher Meister, 1797 Mo-


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[0072] zeihlicher Luxus" angesehen. Bürgershäuser ließen alle 2 Jahrdie Wände München, um von den mächtigen Oefen nicht zu reden, in deren „Hölle" man bei düsterm Lampenschein sich gern aufzuhalten pflegte. Manche Aenderungen stellten sich nach der italienischen Reise der Herzogin Amalia ein, wo viele südländische Erzeugnisse und Luxusartikel Eingang fanden. Es zeugt für die Einfachheit, daß Bertuchs Journal für Luxus und Mode einen gewaltigen Sturm .hervor¬ rief, weil angeblich englischer und französischer Geschmack durch dasselbe ver¬ breitet und eine ungesunde Lebensanschauung befördert werden sollte. Trotz¬ dem wirkte dies Journal auf den Weimarischen Geschmack, nachdem die Ten¬ denz der Zeitschrift erweitert war, welche die besten literarischen Kräfte ver¬ traten. Es verbreitete sich über alles Wissenswerthe, förderte die Kenntniß des Alterthums namentlich durch Aufsätze Böttigers und erweiterte den engern Gesichtskreis so, daß dieses Organ bald als Vorkämpfer für die Einführung einer deutschen Nationaltracht auftrat und den fremden Geschmack zu be¬ kämpfen suchte. Diese Zeitschrift ist im eigensten Sinne eine Weimarische Culturzeitschrift, eine unerschöpfliche Fundgrube für Meles, was die Ent¬ wickelung unserer Zustände zur Anschauung zu bringen hat. Aus dem Kreise unsrer Betrachtungen heben wir nur Noch zwei Bildungs¬ momente hervor: Musik und Theater. Selbstverständlich richteten sich die musikalischen Leistungen nach der Voll¬ kommenheit der Instrumente, die man, soweit es das Clavier betraf, in Wei¬ mar mit allen Kräften anstrebte. Aus den Anfängen der klassischen Zeit werden wir freilich an große UnVollkommenheit erinnert, an einen sournirten Corpus mit 4 Tonveränderungen auf Rehfüßchen stehend, an das Bogenham- merclavier, das sogar das stärkste Fahren vertragen konnte, an die Soctavigen Instrumente, die fast allgemein im Gebrauche waren. 1800 bildete man eine Dame im Grase sitzend, das Clavier auf dem Schoose spielend ab, es wurde dringend wegen seines „figürlichen Anstandes" Herren und Damen empfohlen. Nur langsam fanden die theuern Wiener Instrumente Eingang, während seit 1795 Weimar eine wahre Wuth ergriffen hatte, die Guitarre zu lernen. Seit 1804 kam die Harfe in Aufnahme, die sich, mit trefflichen Flügel, bei der Aus¬ stattung der Großfürstin befand. Seit 1812 gab es Instrumente in Harfen- sonn, schrankartig, pyramidenförmig; es gab Apollofortepianos und auch solche en (iir-M. Daß sie höheren Anforderungen nicht genügten, beweist die That¬ sache, daß 1823 „das Concert" der ersten russischen Pianistin nicht hätte stattfinden können, wenn nicht die Frau Großfürstin ihr Instrument dazu hergegeben hätte. In den ersten Zeiten der Glanzperiode waren die musikalischen Leistungen im Allgemeinen nicht bedeutend. Der Oper fehlten auch nach 1791 noch die nöthigen Kräfte, und wenn auch Kranz, ein vorzüglicher Meister, 1797 Mo-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/72>, abgerufen am 25.08.2024.