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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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Schreibekunst, im Malen thätig waren. Je tiefer wir in das Jahrhundert
gehen, desto schwieriger ist es alle Namen zu erwähnen. Die Fülle guter Namen
ruft uns aber auch in das Gedächtniß zurück, was auch in dieser Beziehung
von dem kunstsinnigen Hofe geleistet worden ist, und wie viele Meisterwerke
Weimarischer Künstler ohne diesen Factor im Museum fehlen würden, um das
Wirken der Vergangenheit zur Freude der Gegenwart und der Zukunft im
freundlichen Bilde vor die Seele zu stellen.

Bei all diesen erfreulichen Erscheinungen blieb Weimar in Einem, in
der Begründung eines öffentlichen gut geleiteten Organs, einer allen Kreisen
gewidmeten Zeitung merkwürdig zurück. Ein sogenanntes öffentliches Wochen¬
blatt mit Bekanntmachungen aller Art, Fabeln, vielleicht auch einigen schlechten
Gedichten, Belehrungen im Gebiete der Landwirthschaft u. f. w. war alles, was
erschien. Politik war ausgeschlossen; erst mit dem Sieg bei Leipzig trat es mit
einigen wenn auch zahmen politischen Nachrichten hervor, und die Geistlosigkeit der
Redaction bekundete sich niemals evidenter als 1807, als das Blatt sich herbei¬
ließ, das Verdienst der eben dahingegangenen verdienstvollen Fürstin, der Herzogin
Amalia zu schildern und ihr einen Nachruf zu widmen. Um diese Zeit strebte
man eine Art Zeitung an, die den wenig versprechenden Namen: "Weimarisches
Allerlei" führen sollte. Doch ist jede Spur ihres Erscheinens geschwunden.
Nicht etwa die Censur hielt, wie anderwärts, von derartigen Unternehmungen
ab. Es war lediglich die geringe Aussicht auf das Interesse der Massen.
Die gebildete Bevölkerung hatte ihre fremden Zeitungen in hinreichender Zahl,
die meist auch die mehr und mehr in Aufnahme kommenden Leseinstitute, deren
bedeutendstes 1814 17 Zeitungen hielt, zu verbreiten suchten. Eine Zeitung
hätte unendlich für den raschen Aufschwung gewirkt; aber mit 1808 kam die
Censur, und die Großmächte, welche Weimar als einen gefährlichen Mittel¬
punkt deutscher Bewegung ansahen, drückten ebenso mächtig auf Karl August als
dieser seine deutsche Gesinnung behauptete, wenn man auch zu Ehren der französi¬
schen Dynastie Obelisken auf dem Fürstenplatz errichtete und wir mit dem Eintritt
der französischen Gesandtschaft das durch Goethe geleitete Theater unter schärferer
Controle in Betreff der Aufführungen finden. Erst 1816 besserte sich das Wochen¬
blatt, indem es einigem politischen Interesse, der Völker-, Vaterlandskunde,
und Geschichte gerecht wurde. 1817 kam dann das Oppositionsblatt, das sich
sogar die Aufgabe stellte, die wilden Mißbräuche der Presse zu zügeln. Sehr
bezeichnend sagte damals Wielands Sohn, daß Karl August das Neue
mit dem Alten verbinden wolle. Metternich machte diesem Weimarischen
Lieblingskinde vom Troppauer Convent aus ein Ende. Nicht minder unglück¬
lich war das alte Landsturmblatt, an dessen Stelle das Sonntagsblatt trat,
und recht eigentlich für den Bürger und Bauer am siebenten Tage eine Erholung
gewähren sollte. Nur brauchten die Ankündigungen mit einer gewissen Scheu


Schreibekunst, im Malen thätig waren. Je tiefer wir in das Jahrhundert
gehen, desto schwieriger ist es alle Namen zu erwähnen. Die Fülle guter Namen
ruft uns aber auch in das Gedächtniß zurück, was auch in dieser Beziehung
von dem kunstsinnigen Hofe geleistet worden ist, und wie viele Meisterwerke
Weimarischer Künstler ohne diesen Factor im Museum fehlen würden, um das
Wirken der Vergangenheit zur Freude der Gegenwart und der Zukunft im
freundlichen Bilde vor die Seele zu stellen.

Bei all diesen erfreulichen Erscheinungen blieb Weimar in Einem, in
der Begründung eines öffentlichen gut geleiteten Organs, einer allen Kreisen
gewidmeten Zeitung merkwürdig zurück. Ein sogenanntes öffentliches Wochen¬
blatt mit Bekanntmachungen aller Art, Fabeln, vielleicht auch einigen schlechten
Gedichten, Belehrungen im Gebiete der Landwirthschaft u. f. w. war alles, was
erschien. Politik war ausgeschlossen; erst mit dem Sieg bei Leipzig trat es mit
einigen wenn auch zahmen politischen Nachrichten hervor, und die Geistlosigkeit der
Redaction bekundete sich niemals evidenter als 1807, als das Blatt sich herbei¬
ließ, das Verdienst der eben dahingegangenen verdienstvollen Fürstin, der Herzogin
Amalia zu schildern und ihr einen Nachruf zu widmen. Um diese Zeit strebte
man eine Art Zeitung an, die den wenig versprechenden Namen: „Weimarisches
Allerlei" führen sollte. Doch ist jede Spur ihres Erscheinens geschwunden.
Nicht etwa die Censur hielt, wie anderwärts, von derartigen Unternehmungen
ab. Es war lediglich die geringe Aussicht auf das Interesse der Massen.
Die gebildete Bevölkerung hatte ihre fremden Zeitungen in hinreichender Zahl,
die meist auch die mehr und mehr in Aufnahme kommenden Leseinstitute, deren
bedeutendstes 1814 17 Zeitungen hielt, zu verbreiten suchten. Eine Zeitung
hätte unendlich für den raschen Aufschwung gewirkt; aber mit 1808 kam die
Censur, und die Großmächte, welche Weimar als einen gefährlichen Mittel¬
punkt deutscher Bewegung ansahen, drückten ebenso mächtig auf Karl August als
dieser seine deutsche Gesinnung behauptete, wenn man auch zu Ehren der französi¬
schen Dynastie Obelisken auf dem Fürstenplatz errichtete und wir mit dem Eintritt
der französischen Gesandtschaft das durch Goethe geleitete Theater unter schärferer
Controle in Betreff der Aufführungen finden. Erst 1816 besserte sich das Wochen¬
blatt, indem es einigem politischen Interesse, der Völker-, Vaterlandskunde,
und Geschichte gerecht wurde. 1817 kam dann das Oppositionsblatt, das sich
sogar die Aufgabe stellte, die wilden Mißbräuche der Presse zu zügeln. Sehr
bezeichnend sagte damals Wielands Sohn, daß Karl August das Neue
mit dem Alten verbinden wolle. Metternich machte diesem Weimarischen
Lieblingskinde vom Troppauer Convent aus ein Ende. Nicht minder unglück¬
lich war das alte Landsturmblatt, an dessen Stelle das Sonntagsblatt trat,
und recht eigentlich für den Bürger und Bauer am siebenten Tage eine Erholung
gewähren sollte. Nur brauchten die Ankündigungen mit einer gewissen Scheu


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/69>, abgerufen am 25.08.2024.