Mit Melchior Kraus, der neben Untergeordneten manch Treffliches schuf, beginnt die bessere Zeit des Weimarischen Künstlerlebens. Und wenn es charakteristisch ist, daß zunächst die einheimischen Künstler noch lange bei allen Anregungen, die sie auch durch Stellung künstlerischer Preisfragen er¬ hielten, von Auswärtigen überflügelt wurden, so war doch Weimar ein be¬ deutender Mittelpunkt künstlerischen Strebens. In dem Maße als man sich um den in vielfacher Beziehung anregenden und fördernden Hof und um Goethes Kunstkreis schaarte, wirkte man auf Weimar und seine Bestrebungen. Wer nennt all die Namen, an die sich so manche herrliche Leistung knüpft. Ueberall kann man an künstlerischen Erzeugnissen den Gang der Entwickelung sich vergegenwärtigen; es ist ein weiter mühevoller Weg, der von der tief untersten Stufe zu den vollendetsten Werken weimarischer Künstler führt.
Von Einheimischen wirkte im vorigen Jahrhundert der fleißige Bild-. Hauer Klauer, der 1789 mit dem Neptun auf dem Markte der Stadt die erste Statue gab, und der die massenhaften Erzeugnisse seiner Kunst auch ge- werbmäßig durch seine Toreutikawaarenfabrik vervielfältigte. Gerade in dem gewerbsmäßigen Betrieb oocumentirte sich der Fortschritt. Vorzüglich drang das Kunstgewerbe durch das Jndustriecomptoir in die breite Masse. Ber- tuchs Bilderbuch nennen wir unter vielen bedeutenden Erzeugnissen, weil die Kunst mit diesem ein vernachlässigtes Gebiet betrat. Es war das erste deutsche Bilderbuch, das diesen Namen verdiente, leider aber durch die Gro߬ artigkeit seiner Anlage nicht so auf dem betretenen Gebiete wirkte, wie man es um der Jugendbildung willen hätte wünschen mögen. Erinnern wir uns an die elenden A-B-C-Bücher. an all die schlechten und unästhetischen Bilder unserer Kinderjahre, so werden wir das Verdienst Bertuchs um so höher schätzen, als man ihm in der Beschaffung besserer Bildungsmittel nacheiferte, und vor allem richtige Vorstellungen durch correcte Abbildungen zu erzeugen suchte. In kunstgewerblicher Hinsicht leistete Bertuchs Anstalt Großartiges, bis 1806 wurden die meisten Karten in und für ganz Deutschland in seinem Jndustriecomptoir gestochen; es beschäftigte nahe an 400 Personen, deren Zahl mit der Schlacht von Jena sofort auf 180 sank. Später arbeiteten über 100 "illuminirende Frauenzimmer," wie man diese zu nennen pflegte, in dem Institute, die das Coloriren wie Bertuch meinte erst lernen müßten. Denn was man mitunter unter Coloriren verstand, zeigte 1810 'ein von ihm pro- dueirtes Buch, in welchem stand "Nelken werden gemalt wie Rosen, -- aber anders."
Ueberall herrschte auf dem Kunstgebiete ein reges Leben. Die Anregungen, die der Schloßbau bis zu dem Anbau des linken Schloßflügels mit den Dichter¬ zimmern gab, wirkte unglaublich auf die Bestrebungen. Daher die Menge von Namen, welche in den verschiedensten Richtungen in der Plastik, Stein-
Mit Melchior Kraus, der neben Untergeordneten manch Treffliches schuf, beginnt die bessere Zeit des Weimarischen Künstlerlebens. Und wenn es charakteristisch ist, daß zunächst die einheimischen Künstler noch lange bei allen Anregungen, die sie auch durch Stellung künstlerischer Preisfragen er¬ hielten, von Auswärtigen überflügelt wurden, so war doch Weimar ein be¬ deutender Mittelpunkt künstlerischen Strebens. In dem Maße als man sich um den in vielfacher Beziehung anregenden und fördernden Hof und um Goethes Kunstkreis schaarte, wirkte man auf Weimar und seine Bestrebungen. Wer nennt all die Namen, an die sich so manche herrliche Leistung knüpft. Ueberall kann man an künstlerischen Erzeugnissen den Gang der Entwickelung sich vergegenwärtigen; es ist ein weiter mühevoller Weg, der von der tief untersten Stufe zu den vollendetsten Werken weimarischer Künstler führt.
Von Einheimischen wirkte im vorigen Jahrhundert der fleißige Bild-. Hauer Klauer, der 1789 mit dem Neptun auf dem Markte der Stadt die erste Statue gab, und der die massenhaften Erzeugnisse seiner Kunst auch ge- werbmäßig durch seine Toreutikawaarenfabrik vervielfältigte. Gerade in dem gewerbsmäßigen Betrieb oocumentirte sich der Fortschritt. Vorzüglich drang das Kunstgewerbe durch das Jndustriecomptoir in die breite Masse. Ber- tuchs Bilderbuch nennen wir unter vielen bedeutenden Erzeugnissen, weil die Kunst mit diesem ein vernachlässigtes Gebiet betrat. Es war das erste deutsche Bilderbuch, das diesen Namen verdiente, leider aber durch die Gro߬ artigkeit seiner Anlage nicht so auf dem betretenen Gebiete wirkte, wie man es um der Jugendbildung willen hätte wünschen mögen. Erinnern wir uns an die elenden A-B-C-Bücher. an all die schlechten und unästhetischen Bilder unserer Kinderjahre, so werden wir das Verdienst Bertuchs um so höher schätzen, als man ihm in der Beschaffung besserer Bildungsmittel nacheiferte, und vor allem richtige Vorstellungen durch correcte Abbildungen zu erzeugen suchte. In kunstgewerblicher Hinsicht leistete Bertuchs Anstalt Großartiges, bis 1806 wurden die meisten Karten in und für ganz Deutschland in seinem Jndustriecomptoir gestochen; es beschäftigte nahe an 400 Personen, deren Zahl mit der Schlacht von Jena sofort auf 180 sank. Später arbeiteten über 100 „illuminirende Frauenzimmer," wie man diese zu nennen pflegte, in dem Institute, die das Coloriren wie Bertuch meinte erst lernen müßten. Denn was man mitunter unter Coloriren verstand, zeigte 1810 'ein von ihm pro- dueirtes Buch, in welchem stand „Nelken werden gemalt wie Rosen, — aber anders."
Ueberall herrschte auf dem Kunstgebiete ein reges Leben. Die Anregungen, die der Schloßbau bis zu dem Anbau des linken Schloßflügels mit den Dichter¬ zimmern gab, wirkte unglaublich auf die Bestrebungen. Daher die Menge von Namen, welche in den verschiedensten Richtungen in der Plastik, Stein-
<TEI><text><body><div><divn="1"><pbfacs="#f0068"corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/127996"/><pxml:id="ID_172"> Mit Melchior Kraus, der neben Untergeordneten manch Treffliches schuf,<lb/>
beginnt die bessere Zeit des Weimarischen Künstlerlebens. Und wenn<lb/>
es charakteristisch ist, daß zunächst die einheimischen Künstler noch lange bei<lb/>
allen Anregungen, die sie auch durch Stellung künstlerischer Preisfragen er¬<lb/>
hielten, von Auswärtigen überflügelt wurden, so war doch Weimar ein be¬<lb/>
deutender Mittelpunkt künstlerischen Strebens. In dem Maße als man sich<lb/>
um den in vielfacher Beziehung anregenden und fördernden Hof und um<lb/>
Goethes Kunstkreis schaarte, wirkte man auf Weimar und seine Bestrebungen.<lb/>
Wer nennt all die Namen, an die sich so manche herrliche Leistung knüpft.<lb/>
Ueberall kann man an künstlerischen Erzeugnissen den Gang der Entwickelung<lb/>
sich vergegenwärtigen; es ist ein weiter mühevoller Weg, der von der tief<lb/>
untersten Stufe zu den vollendetsten Werken weimarischer Künstler führt.</p><lb/><pxml:id="ID_173"> Von Einheimischen wirkte im vorigen Jahrhundert der fleißige Bild-.<lb/>
Hauer Klauer, der 1789 mit dem Neptun auf dem Markte der Stadt die<lb/>
erste Statue gab, und der die massenhaften Erzeugnisse seiner Kunst auch ge-<lb/>
werbmäßig durch seine Toreutikawaarenfabrik vervielfältigte. Gerade in dem<lb/>
gewerbsmäßigen Betrieb oocumentirte sich der Fortschritt. Vorzüglich drang<lb/>
das Kunstgewerbe durch das Jndustriecomptoir in die breite Masse. Ber-<lb/>
tuchs Bilderbuch nennen wir unter vielen bedeutenden Erzeugnissen, weil die<lb/>
Kunst mit diesem ein vernachlässigtes Gebiet betrat. Es war das erste<lb/>
deutsche Bilderbuch, das diesen Namen verdiente, leider aber durch die Gro߬<lb/>
artigkeit seiner Anlage nicht so auf dem betretenen Gebiete wirkte, wie man<lb/>
es um der Jugendbildung willen hätte wünschen mögen. Erinnern wir uns<lb/>
an die elenden A-B-C-Bücher. an all die schlechten und unästhetischen Bilder<lb/>
unserer Kinderjahre, so werden wir das Verdienst Bertuchs um so höher<lb/>
schätzen, als man ihm in der Beschaffung besserer Bildungsmittel nacheiferte,<lb/>
und vor allem richtige Vorstellungen durch correcte Abbildungen zu erzeugen<lb/>
suchte. In kunstgewerblicher Hinsicht leistete Bertuchs Anstalt Großartiges,<lb/>
bis 1806 wurden die meisten Karten in und für ganz Deutschland in seinem<lb/>
Jndustriecomptoir gestochen; es beschäftigte nahe an 400 Personen, deren<lb/>
Zahl mit der Schlacht von Jena sofort auf 180 sank. Später arbeiteten<lb/>
über 100 „illuminirende Frauenzimmer," wie man diese zu nennen pflegte, in<lb/>
dem Institute, die das Coloriren wie Bertuch meinte erst lernen müßten. Denn<lb/>
was man mitunter unter Coloriren verstand, zeigte 1810 'ein von ihm pro-<lb/>
dueirtes Buch, in welchem stand „Nelken werden gemalt wie Rosen, — aber<lb/>
anders."</p><lb/><pxml:id="ID_174"next="#ID_175"> Ueberall herrschte auf dem Kunstgebiete ein reges Leben. Die Anregungen,<lb/>
die der Schloßbau bis zu dem Anbau des linken Schloßflügels mit den Dichter¬<lb/>
zimmern gab, wirkte unglaublich auf die Bestrebungen. Daher die Menge<lb/>
von Namen, welche in den verschiedensten Richtungen in der Plastik, Stein-</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[0068]
Mit Melchior Kraus, der neben Untergeordneten manch Treffliches schuf,
beginnt die bessere Zeit des Weimarischen Künstlerlebens. Und wenn
es charakteristisch ist, daß zunächst die einheimischen Künstler noch lange bei
allen Anregungen, die sie auch durch Stellung künstlerischer Preisfragen er¬
hielten, von Auswärtigen überflügelt wurden, so war doch Weimar ein be¬
deutender Mittelpunkt künstlerischen Strebens. In dem Maße als man sich
um den in vielfacher Beziehung anregenden und fördernden Hof und um
Goethes Kunstkreis schaarte, wirkte man auf Weimar und seine Bestrebungen.
Wer nennt all die Namen, an die sich so manche herrliche Leistung knüpft.
Ueberall kann man an künstlerischen Erzeugnissen den Gang der Entwickelung
sich vergegenwärtigen; es ist ein weiter mühevoller Weg, der von der tief
untersten Stufe zu den vollendetsten Werken weimarischer Künstler führt.
Von Einheimischen wirkte im vorigen Jahrhundert der fleißige Bild-.
Hauer Klauer, der 1789 mit dem Neptun auf dem Markte der Stadt die
erste Statue gab, und der die massenhaften Erzeugnisse seiner Kunst auch ge-
werbmäßig durch seine Toreutikawaarenfabrik vervielfältigte. Gerade in dem
gewerbsmäßigen Betrieb oocumentirte sich der Fortschritt. Vorzüglich drang
das Kunstgewerbe durch das Jndustriecomptoir in die breite Masse. Ber-
tuchs Bilderbuch nennen wir unter vielen bedeutenden Erzeugnissen, weil die
Kunst mit diesem ein vernachlässigtes Gebiet betrat. Es war das erste
deutsche Bilderbuch, das diesen Namen verdiente, leider aber durch die Gro߬
artigkeit seiner Anlage nicht so auf dem betretenen Gebiete wirkte, wie man
es um der Jugendbildung willen hätte wünschen mögen. Erinnern wir uns
an die elenden A-B-C-Bücher. an all die schlechten und unästhetischen Bilder
unserer Kinderjahre, so werden wir das Verdienst Bertuchs um so höher
schätzen, als man ihm in der Beschaffung besserer Bildungsmittel nacheiferte,
und vor allem richtige Vorstellungen durch correcte Abbildungen zu erzeugen
suchte. In kunstgewerblicher Hinsicht leistete Bertuchs Anstalt Großartiges,
bis 1806 wurden die meisten Karten in und für ganz Deutschland in seinem
Jndustriecomptoir gestochen; es beschäftigte nahe an 400 Personen, deren
Zahl mit der Schlacht von Jena sofort auf 180 sank. Später arbeiteten
über 100 „illuminirende Frauenzimmer," wie man diese zu nennen pflegte, in
dem Institute, die das Coloriren wie Bertuch meinte erst lernen müßten. Denn
was man mitunter unter Coloriren verstand, zeigte 1810 'ein von ihm pro-
dueirtes Buch, in welchem stand „Nelken werden gemalt wie Rosen, — aber
anders."
Ueberall herrschte auf dem Kunstgebiete ein reges Leben. Die Anregungen,
die der Schloßbau bis zu dem Anbau des linken Schloßflügels mit den Dichter¬
zimmern gab, wirkte unglaublich auf die Bestrebungen. Daher die Menge
von Namen, welche in den verschiedensten Richtungen in der Plastik, Stein-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:
Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.
Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;
Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/68>, abgerufen am 02.01.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.