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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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desgenossen. Es kam die Zeit, wo der vornehme Spott der Genossen über
den jungen Heißsporn der erzwungenen Achtung Platz machte, daß er den Puls¬
schlag unsrer Tage richtiger gewürdigt habe, als sie alle.

Das Jahr 1848 kam. Es gewährte das in vollem Maße, was bis dahin
im Kreise seiner Standesgenossen auch nur dem Namen nach zu nennen ver-
pönt war: die Ablösung aller dinglichen Freiheiten und Gerechtsame, inson¬
derheit derjenigen des Adels. Fürst Hohenlohe war in der Kammer der Reichs¬
rathe fast alleinstehend das Echo der Volksvertretung der liberalisirenden Re¬
gierung; vor allen hervorragend durch die juristische Bedeutung seiner Beweis¬
führung. Seine klare, feste Gesinnung machte ihn in weiteren Kreisen bekannt.
Das inzwischen in Frankfurt eingesetzte Neichsministerium sandte ihn als Reichs¬
gesandten nach Athen, Florenz und Rom; in Athen fand er Gelegenheit, die
dortigen Deutschen in einer Rede zu begrüßen, die wegen ihres hervorragenden
nationalen Inhalts die Runde durch Europa machte. Von Griechenland
sandte ihn die Reichsgewalt nach Gaeta zum flüchtigen Papst; doch schon im
Frühjahr 1849 kehrte er nach Frankfurt zurück und lehnte ein ihm im Mi¬
nisterium des Fürsten Wittgenstein angebotenes Portefeuille ab, ließ sich da¬
gegen wiederholt zu höchst delicaten Aufträgen in London verwenden, die bei
dem bekannten Vorurtheil der Engländer gegen unser Anrecht auf Schleswig-
Holstein ebensoviel Tact als Scharfsinn erforderten.

Mit dem Eintritt der Wiedererneuerung des Bundestags unter dem domi-
nirenden Einfluß Oesterreichs tritt Fürst Hohenlohe vom politischen Schau¬
platz ab, ein volles Jahrzehnt hindurch. Er hatte in dem tiefen Schmerz, den
er damals durchzukosten hatte, einen reichen Trost in dem heitern Frieden
seiner blühenden Familie. Denn fast gleichzeitig mit seinem ersten politischen
Wirken hatte er die geistvolle Fürstin von Sayn-Wittgenstein heimgeführt.
Nun stand ihm ein Kreis blühender Kinder am heimischen Herde. Zum ersten
Male war er ganz sich, seiner Familie hingegeben. Die Einsässigen und
Nachbarn von Schillingsfürst in Mittelfranken zählen noch jetzt jene Jahre
zu den gesegnetsten ihres Lebens. Fürst Hohenlohe ging allen als Vorbild
voran, in der intensiven Bewirthschaftung seiner Güter, wie die modernen
Productionsverhältnisse der Landwirthschaft sie erheischen, ließ allen, die wollten,
Rath und That werden zu demselben Zwecke; er griff rastlos helfend ein in
die Hebung und Läuterung der Armenpflege seiner Landschaft, gründete ein
Asyl für arme Kinder, bemühte sich erfolgreich für die Hebung der Volksschulen,
soweit sein persönlicher Einfluß reichte. Dann folgte er dem Rufe seines
Schwiegervaters nach Litthauen, der die Verwaltung seiner eigenen großen
Güter in Hohenlohes Händen wünschte. Mit langen und wiederholten Reisen
nach England, Frankreich und Italien schloß der zehnjährige Zeitraum, wo er
nur als Privatmann lebte und wirkte.


desgenossen. Es kam die Zeit, wo der vornehme Spott der Genossen über
den jungen Heißsporn der erzwungenen Achtung Platz machte, daß er den Puls¬
schlag unsrer Tage richtiger gewürdigt habe, als sie alle.

Das Jahr 1848 kam. Es gewährte das in vollem Maße, was bis dahin
im Kreise seiner Standesgenossen auch nur dem Namen nach zu nennen ver-
pönt war: die Ablösung aller dinglichen Freiheiten und Gerechtsame, inson¬
derheit derjenigen des Adels. Fürst Hohenlohe war in der Kammer der Reichs¬
rathe fast alleinstehend das Echo der Volksvertretung der liberalisirenden Re¬
gierung; vor allen hervorragend durch die juristische Bedeutung seiner Beweis¬
führung. Seine klare, feste Gesinnung machte ihn in weiteren Kreisen bekannt.
Das inzwischen in Frankfurt eingesetzte Neichsministerium sandte ihn als Reichs¬
gesandten nach Athen, Florenz und Rom; in Athen fand er Gelegenheit, die
dortigen Deutschen in einer Rede zu begrüßen, die wegen ihres hervorragenden
nationalen Inhalts die Runde durch Europa machte. Von Griechenland
sandte ihn die Reichsgewalt nach Gaeta zum flüchtigen Papst; doch schon im
Frühjahr 1849 kehrte er nach Frankfurt zurück und lehnte ein ihm im Mi¬
nisterium des Fürsten Wittgenstein angebotenes Portefeuille ab, ließ sich da¬
gegen wiederholt zu höchst delicaten Aufträgen in London verwenden, die bei
dem bekannten Vorurtheil der Engländer gegen unser Anrecht auf Schleswig-
Holstein ebensoviel Tact als Scharfsinn erforderten.

Mit dem Eintritt der Wiedererneuerung des Bundestags unter dem domi-
nirenden Einfluß Oesterreichs tritt Fürst Hohenlohe vom politischen Schau¬
platz ab, ein volles Jahrzehnt hindurch. Er hatte in dem tiefen Schmerz, den
er damals durchzukosten hatte, einen reichen Trost in dem heitern Frieden
seiner blühenden Familie. Denn fast gleichzeitig mit seinem ersten politischen
Wirken hatte er die geistvolle Fürstin von Sayn-Wittgenstein heimgeführt.
Nun stand ihm ein Kreis blühender Kinder am heimischen Herde. Zum ersten
Male war er ganz sich, seiner Familie hingegeben. Die Einsässigen und
Nachbarn von Schillingsfürst in Mittelfranken zählen noch jetzt jene Jahre
zu den gesegnetsten ihres Lebens. Fürst Hohenlohe ging allen als Vorbild
voran, in der intensiven Bewirthschaftung seiner Güter, wie die modernen
Productionsverhältnisse der Landwirthschaft sie erheischen, ließ allen, die wollten,
Rath und That werden zu demselben Zwecke; er griff rastlos helfend ein in
die Hebung und Läuterung der Armenpflege seiner Landschaft, gründete ein
Asyl für arme Kinder, bemühte sich erfolgreich für die Hebung der Volksschulen,
soweit sein persönlicher Einfluß reichte. Dann folgte er dem Rufe seines
Schwiegervaters nach Litthauen, der die Verwaltung seiner eigenen großen
Güter in Hohenlohes Händen wünschte. Mit langen und wiederholten Reisen
nach England, Frankreich und Italien schloß der zehnjährige Zeitraum, wo er
nur als Privatmann lebte und wirkte.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/51>, abgerufen am 22.07.2024.