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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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sympathisch ist ihm die consistoricile Verfassung. Aber auch der episcopalen
ist er nicht sehr günstig. Schon um ihrer Aehnlichkeit mit der consistorialen
nicht. Denn eine Gestaltung der Episcopalverfassung wenigstens ist mit der
Consistorialverfassung identisch, die in Dänemark bestehende. Der Landesherr
setzt den Bischof ein, der keine andere Bedeutung hat, als bei uns der Su¬
perintendent. An diese Form hat offenbar Schleiermacher gedacht, wenn er
von der Consistorialverfassung sagt, sie sei mit ihr identisch, ohne Episcopat
sei sie nur eine abgestumpfte Pyramide, die Spitze latitire im Landesherrn.
Anders erscheint ihm natürlich die bischöfliche Verfassung Schwedens. Hier
wird der Bischof von der Geistlichkeit einer bestimmten Bezirksverbindung in
Gemeinschaft mit dem, Consistorium, welches dem Bischof untergeben ist, ge¬
wählt. Von drei Vorgeschlagenen wählt der König als das Oberhaupt der
Kirche einen, und zwar gewöhnlich den, welchem die meisten Stimmen zu
Theil geworden. Das ist eine wirkliche episcopale Verfassung, nur daß die
Kirche aus den Umfang des einzelnen Staates beschränkt ist. Die zu fassen¬
den Beschlüsse werden von den Bischöfen vorgelegt, vom Oberhaupt des Staats
sanctionirt. Hier wird der Bischof auf rein kirchliche Weise eingesetzt. Noch
ein anderes Bild gewährt die Episcopalverfassung Englands. Das Oberhaupt
des Staats ist an Stelle der römischen Kurie getreten und ernennt die Bi¬
schöfe, die aber nun allein die Leitung der kirchlichen Angelegenheiten in die
Hand genommen haben. Bei der Beurtheilung des Episcopalsystems sieht
Schleiermacher natürlich von der Gestaltung desselben in Dänemark ab, da es
unter das Urtheil zu stellen ist, das er über das consistoriale gefällt hat.
Zwei Gefahren scheinen ihm dem Episcopalsystem zu drohen. Einmal, daß
die Bischöfe in das aristokratische Element des Staatslebens hineingezogen
und damit in unmittelbare Verbindung gesetzt werden; sodann, daß eine Spal¬
tung zwischen der Geistlichkeit entsteht, in die Hand des einen Theils nur das
Kirchenregiment, in die Hände des anderen nur der Kirchendienst gelegt wird.
Bei den Gefahren ist die englische, der letzteren auch die schwedische Kirche
nicht entgangen. Diese beurtheilt Schleiermacher überhaupt günstiger, weil sie
ein rein kirchliches Verfahren in der Leitung der Kirche zur Geltung gebracht


bleiben müsse. Ich denke, das ist Bekenntniß genug, um zu beweisen, daß wir in allen wesent¬
lichen Puncten mit der evangelischen Kirche halten und auf demselben Grunde des Glaubens
stehen bleiben, zugleich aber auch, daß wir den würdigen Ernst haben uns selbst und unseren
Lehrern keinen Schein vor zu machen von einer symbolischen Autorität, welche doch in der
That nichts gelte." Diese Worte hat Schenkel (F. Schleiermacher S. S42) entstellt, indem er
Seht. sagen läßt, die Täuflinge und Konfirmanden sollten das sogenannte apostolische Symbolum
lediglich mit Bezug auf den Unterricht, der ihnen darüber ertheilt worden, wiederholen.
Dies Wort "lediglich" ist weder von Schleiermach er gebraucht noch im Sinne des Citats ent¬
halten, giebt letzterem vielmehr eine von Schleiermacher hier nicht beabsichtigte tendenziöse
Färbung.

sympathisch ist ihm die consistoricile Verfassung. Aber auch der episcopalen
ist er nicht sehr günstig. Schon um ihrer Aehnlichkeit mit der consistorialen
nicht. Denn eine Gestaltung der Episcopalverfassung wenigstens ist mit der
Consistorialverfassung identisch, die in Dänemark bestehende. Der Landesherr
setzt den Bischof ein, der keine andere Bedeutung hat, als bei uns der Su¬
perintendent. An diese Form hat offenbar Schleiermacher gedacht, wenn er
von der Consistorialverfassung sagt, sie sei mit ihr identisch, ohne Episcopat
sei sie nur eine abgestumpfte Pyramide, die Spitze latitire im Landesherrn.
Anders erscheint ihm natürlich die bischöfliche Verfassung Schwedens. Hier
wird der Bischof von der Geistlichkeit einer bestimmten Bezirksverbindung in
Gemeinschaft mit dem, Consistorium, welches dem Bischof untergeben ist, ge¬
wählt. Von drei Vorgeschlagenen wählt der König als das Oberhaupt der
Kirche einen, und zwar gewöhnlich den, welchem die meisten Stimmen zu
Theil geworden. Das ist eine wirkliche episcopale Verfassung, nur daß die
Kirche aus den Umfang des einzelnen Staates beschränkt ist. Die zu fassen¬
den Beschlüsse werden von den Bischöfen vorgelegt, vom Oberhaupt des Staats
sanctionirt. Hier wird der Bischof auf rein kirchliche Weise eingesetzt. Noch
ein anderes Bild gewährt die Episcopalverfassung Englands. Das Oberhaupt
des Staats ist an Stelle der römischen Kurie getreten und ernennt die Bi¬
schöfe, die aber nun allein die Leitung der kirchlichen Angelegenheiten in die
Hand genommen haben. Bei der Beurtheilung des Episcopalsystems sieht
Schleiermacher natürlich von der Gestaltung desselben in Dänemark ab, da es
unter das Urtheil zu stellen ist, das er über das consistoriale gefällt hat.
Zwei Gefahren scheinen ihm dem Episcopalsystem zu drohen. Einmal, daß
die Bischöfe in das aristokratische Element des Staatslebens hineingezogen
und damit in unmittelbare Verbindung gesetzt werden; sodann, daß eine Spal¬
tung zwischen der Geistlichkeit entsteht, in die Hand des einen Theils nur das
Kirchenregiment, in die Hände des anderen nur der Kirchendienst gelegt wird.
Bei den Gefahren ist die englische, der letzteren auch die schwedische Kirche
nicht entgangen. Diese beurtheilt Schleiermacher überhaupt günstiger, weil sie
ein rein kirchliches Verfahren in der Leitung der Kirche zur Geltung gebracht


bleiben müsse. Ich denke, das ist Bekenntniß genug, um zu beweisen, daß wir in allen wesent¬
lichen Puncten mit der evangelischen Kirche halten und auf demselben Grunde des Glaubens
stehen bleiben, zugleich aber auch, daß wir den würdigen Ernst haben uns selbst und unseren
Lehrern keinen Schein vor zu machen von einer symbolischen Autorität, welche doch in der
That nichts gelte." Diese Worte hat Schenkel (F. Schleiermacher S. S42) entstellt, indem er
Seht. sagen läßt, die Täuflinge und Konfirmanden sollten das sogenannte apostolische Symbolum
lediglich mit Bezug auf den Unterricht, der ihnen darüber ertheilt worden, wiederholen.
Dies Wort „lediglich" ist weder von Schleiermach er gebraucht noch im Sinne des Citats ent¬
halten, giebt letzterem vielmehr eine von Schleiermacher hier nicht beabsichtigte tendenziöse
Färbung.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/488>, abgerufen am 22.12.2024.