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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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tragsmäßig zusichern läßt. Es genügt, wenn die Herrscher großer Nationen,
deren Entwicklung von einem aus dauerhaften, weil natürlichen Grundlagen
beruhenden Frieden Europas bedingt ist, sich von dem Bewußtsein vor der
ganzen Welt durchdrungen zeigen, daß die natürliche Grundlage eines dauer¬
haften europäischen Friedens jetzt vorhanden ist, die nur durch frevelhaften
Muthwillen und willkürliche Ansprüche unberechtigter Anmaßung gestört
werden kann.

Die feierlich imposante Anerkennung einer naturgemäßen Lage, die zu¬
gleich im höchsten Grade beruhigend und hoffnungsreich an segensvollen Ge¬
deihen ist, durch die höchsten Vertreter der mächtigsten Gemeinwesen des fest¬
ländischen Europa: das ist die Sprache, welche die Festlichkeiten, deren Zeuge
wir sind, zu den Zuschauern reden, die von nah und fern herbeiströmen.

In der genauen Beschreibung der Festlichkeiten wetteifern die Tages¬
blätter. Ich will nur den Eindruck des großen Zapfenstreiches schildern, mit
welchem gestern, der erste Hauptfesttag, schloß. Der Gedanke, den Lustgarten,
diesen jedem Deutschen wohlbekannten, durch seine architektonischen Umgebun¬
gen so imposanten Raum, durch electrische Lichter vom Dach des Schlosses zu
erleuchten, konnte unbehindert vom Regen zur Ausführung kommen, dessen
starker Erguß zwischen sieben und neun Uhr nur bestimmt gewesen schien, die
Luft und den Boden zu erfrischen. Feenhaft war der Eindruck, als die ersten
Lichtstrahlen auf die Schloßbrücke und auf die Gebäude fielen, die sich von
dieser Brücke auf der Seite der Linden nach dem Werderschen Markt hinzie¬
hen. Dagegen wollte es nicht gelingen, Lichtstrahlen auf die Gebäude des
Lustgartens und namentlich auf das dem Schloß gegenüberliegende Museum
zu concentriren. Der Anblick des Platzes war nichtsdestoweniger ein zauber¬
hafter, als zu den zahlreichen Gasflambeaux und den Lampenguirlanden, die
vom Schloß bis zur Statue Fridrich Wilhelm's III., einen Theil des Lustgar¬
tens umschlossen, die Fackeln der elfhundert Musiker traten, welche den Zapfen¬
streich ausführten. Bei den Musikstücken war die Bemerkung zu machen, wie
unsere Zeit auf falschem Wege ist, wenn sie in der Anhäufung materieller
Mittel, im Monströser die Größe sucht. Man konnte die Präcision und Ein¬
heit der Klangwirkung bewundern, wenn man an die Zahl der Ausführenden
dachte. Aber der Eindruck war kein imponirender. Weit wirkungsvoller tra¬
ten die Musikstücke hervor, welche von den Musikern der Cavallerieregimenter
allein ausgeführt wurden. Weit insinuanter der Ton, weit reiner und sicherer
die Klangwirkung. So bestätigt sich in unserer Zeit überall die alte Mähr vom
Thurm zu Babel. Aber zum Auseinanderfallen kam es bei diesen braven
Musikern nicht, deren sichere Dirigenten die Fackel als Taktstock durch das
grell und glänzend unterbrochene, aber doch nicht auszutilgende Dunkel des
Abends schwangen. Am ergreifendsten wirkte der preußische Zapfenstreich, in


tragsmäßig zusichern läßt. Es genügt, wenn die Herrscher großer Nationen,
deren Entwicklung von einem aus dauerhaften, weil natürlichen Grundlagen
beruhenden Frieden Europas bedingt ist, sich von dem Bewußtsein vor der
ganzen Welt durchdrungen zeigen, daß die natürliche Grundlage eines dauer¬
haften europäischen Friedens jetzt vorhanden ist, die nur durch frevelhaften
Muthwillen und willkürliche Ansprüche unberechtigter Anmaßung gestört
werden kann.

Die feierlich imposante Anerkennung einer naturgemäßen Lage, die zu¬
gleich im höchsten Grade beruhigend und hoffnungsreich an segensvollen Ge¬
deihen ist, durch die höchsten Vertreter der mächtigsten Gemeinwesen des fest¬
ländischen Europa: das ist die Sprache, welche die Festlichkeiten, deren Zeuge
wir sind, zu den Zuschauern reden, die von nah und fern herbeiströmen.

In der genauen Beschreibung der Festlichkeiten wetteifern die Tages¬
blätter. Ich will nur den Eindruck des großen Zapfenstreiches schildern, mit
welchem gestern, der erste Hauptfesttag, schloß. Der Gedanke, den Lustgarten,
diesen jedem Deutschen wohlbekannten, durch seine architektonischen Umgebun¬
gen so imposanten Raum, durch electrische Lichter vom Dach des Schlosses zu
erleuchten, konnte unbehindert vom Regen zur Ausführung kommen, dessen
starker Erguß zwischen sieben und neun Uhr nur bestimmt gewesen schien, die
Luft und den Boden zu erfrischen. Feenhaft war der Eindruck, als die ersten
Lichtstrahlen auf die Schloßbrücke und auf die Gebäude fielen, die sich von
dieser Brücke auf der Seite der Linden nach dem Werderschen Markt hinzie¬
hen. Dagegen wollte es nicht gelingen, Lichtstrahlen auf die Gebäude des
Lustgartens und namentlich auf das dem Schloß gegenüberliegende Museum
zu concentriren. Der Anblick des Platzes war nichtsdestoweniger ein zauber¬
hafter, als zu den zahlreichen Gasflambeaux und den Lampenguirlanden, die
vom Schloß bis zur Statue Fridrich Wilhelm's III., einen Theil des Lustgar¬
tens umschlossen, die Fackeln der elfhundert Musiker traten, welche den Zapfen¬
streich ausführten. Bei den Musikstücken war die Bemerkung zu machen, wie
unsere Zeit auf falschem Wege ist, wenn sie in der Anhäufung materieller
Mittel, im Monströser die Größe sucht. Man konnte die Präcision und Ein¬
heit der Klangwirkung bewundern, wenn man an die Zahl der Ausführenden
dachte. Aber der Eindruck war kein imponirender. Weit wirkungsvoller tra¬
ten die Musikstücke hervor, welche von den Musikern der Cavallerieregimenter
allein ausgeführt wurden. Weit insinuanter der Ton, weit reiner und sicherer
die Klangwirkung. So bestätigt sich in unserer Zeit überall die alte Mähr vom
Thurm zu Babel. Aber zum Auseinanderfallen kam es bei diesen braven
Musikern nicht, deren sichere Dirigenten die Fackel als Taktstock durch das
grell und glänzend unterbrochene, aber doch nicht auszutilgende Dunkel des
Abends schwangen. Am ergreifendsten wirkte der preußische Zapfenstreich, in


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[0475] tragsmäßig zusichern läßt. Es genügt, wenn die Herrscher großer Nationen, deren Entwicklung von einem aus dauerhaften, weil natürlichen Grundlagen beruhenden Frieden Europas bedingt ist, sich von dem Bewußtsein vor der ganzen Welt durchdrungen zeigen, daß die natürliche Grundlage eines dauer¬ haften europäischen Friedens jetzt vorhanden ist, die nur durch frevelhaften Muthwillen und willkürliche Ansprüche unberechtigter Anmaßung gestört werden kann. Die feierlich imposante Anerkennung einer naturgemäßen Lage, die zu¬ gleich im höchsten Grade beruhigend und hoffnungsreich an segensvollen Ge¬ deihen ist, durch die höchsten Vertreter der mächtigsten Gemeinwesen des fest¬ ländischen Europa: das ist die Sprache, welche die Festlichkeiten, deren Zeuge wir sind, zu den Zuschauern reden, die von nah und fern herbeiströmen. In der genauen Beschreibung der Festlichkeiten wetteifern die Tages¬ blätter. Ich will nur den Eindruck des großen Zapfenstreiches schildern, mit welchem gestern, der erste Hauptfesttag, schloß. Der Gedanke, den Lustgarten, diesen jedem Deutschen wohlbekannten, durch seine architektonischen Umgebun¬ gen so imposanten Raum, durch electrische Lichter vom Dach des Schlosses zu erleuchten, konnte unbehindert vom Regen zur Ausführung kommen, dessen starker Erguß zwischen sieben und neun Uhr nur bestimmt gewesen schien, die Luft und den Boden zu erfrischen. Feenhaft war der Eindruck, als die ersten Lichtstrahlen auf die Schloßbrücke und auf die Gebäude fielen, die sich von dieser Brücke auf der Seite der Linden nach dem Werderschen Markt hinzie¬ hen. Dagegen wollte es nicht gelingen, Lichtstrahlen auf die Gebäude des Lustgartens und namentlich auf das dem Schloß gegenüberliegende Museum zu concentriren. Der Anblick des Platzes war nichtsdestoweniger ein zauber¬ hafter, als zu den zahlreichen Gasflambeaux und den Lampenguirlanden, die vom Schloß bis zur Statue Fridrich Wilhelm's III., einen Theil des Lustgar¬ tens umschlossen, die Fackeln der elfhundert Musiker traten, welche den Zapfen¬ streich ausführten. Bei den Musikstücken war die Bemerkung zu machen, wie unsere Zeit auf falschem Wege ist, wenn sie in der Anhäufung materieller Mittel, im Monströser die Größe sucht. Man konnte die Präcision und Ein¬ heit der Klangwirkung bewundern, wenn man an die Zahl der Ausführenden dachte. Aber der Eindruck war kein imponirender. Weit wirkungsvoller tra¬ ten die Musikstücke hervor, welche von den Musikern der Cavallerieregimenter allein ausgeführt wurden. Weit insinuanter der Ton, weit reiner und sicherer die Klangwirkung. So bestätigt sich in unserer Zeit überall die alte Mähr vom Thurm zu Babel. Aber zum Auseinanderfallen kam es bei diesen braven Musikern nicht, deren sichere Dirigenten die Fackel als Taktstock durch das grell und glänzend unterbrochene, aber doch nicht auszutilgende Dunkel des Abends schwangen. Am ergreifendsten wirkte der preußische Zapfenstreich, in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/475>, abgerufen am 25.08.2024.