Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.aber taktvollsten Weise sich empört gegen den Geist des siebzehnten; mir lag So erzählte unser Gewährsmann. Es war der letzte "Staupenschlag", Iriese aus Merlin. Wir sind mitten in den Festlichkeiten. Der Glanz derselben beschäftigt, Auch der Einwand der Mißgünstigen hat wenig auf sich, daß wenn im Mo¬ Unter den mächtigen Herrschern des Continents fühlt der Kaiser Franz Grenzboten III. 1872.
aber taktvollsten Weise sich empört gegen den Geist des siebzehnten; mir lag So erzählte unser Gewährsmann. Es war der letzte „Staupenschlag", Iriese aus Merlin. Wir sind mitten in den Festlichkeiten. Der Glanz derselben beschäftigt, Auch der Einwand der Mißgünstigen hat wenig auf sich, daß wenn im Mo¬ Unter den mächtigen Herrschern des Continents fühlt der Kaiser Franz Grenzboten III. 1872.
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aber taktvollsten Weise sich empört gegen den Geist des siebzehnten; mir lag
ferne, ihn noch einmal zu beschwören.
So erzählte unser Gewährsmann. Es war der letzte „Staupenschlag",
der in Preußen vollzogen wurde, wenn auch erst das Jahr 1848 ihn gesetzlich
beseitigte.
Iriese aus Merlin.
Wir sind mitten in den Festlichkeiten. Der Glanz derselben beschäftigt,
hier am Orte wenigstens, die Sinne genug, um den Conjecturen Einhalt zu
thun. Aber dieselben umschwirren uns mit immer noch steigender Production
von Außen. Ob nun von dieser Monarchenzusammenkunft diplomatische Acte
ausgehen, was die unterrichteten Personen nach wie vor in Abrede stellen —
der Eindruck derselben wird ein imponirender, unvergeßlicher bleiben. Wenn
bei der gestrigen Galatafel der Kaiser Franz Joseph das Glas auf den deut¬
schen Kaiser erhebt, und der Kaiser Alexander auf das Wohl der preußischen
Armee, so ist der Lapidarstyl dieser Toaste sprechender als jemals eine Cir-
cularnote sein kann. Denn die abgeneigte Presse wird sich und Anderen ver¬
gebens einreden, daß solche Trinksprüche nichtssagende Höflichkeiten seien. Der
Kaiser Alexander hätte wohl noch einen anderen Gegenstand für seinen Toast
gefunden, und der Kaiser Franz Joseph wäre nicht nach Berlin gekommen,
wenn ihm die Anerkennung und Begrüßung des deutschen Reiches mit höchst
eigenem Munde irgendwie widerstrebt hätte.
Auch der Einwand der Mißgünstigen hat wenig auf sich, daß wenn im Mo¬
mente des Handelns die Interessen sprechen oder die Leidenschaften, die Höf¬
lichkeiten aus der Vergangenheit vergessen sind. Eine Zusammenkunft, wie
die jetzt gefeierte, muß bei den hohen Teilnehmern einen tiefen Eindruck
zurücklassen, weil sie in ihrem Verlauf offenbart, daß sie nicht das Ergebniß
der Laune oder des Zufalls, sondern einer geschichtlichen Lage ist.
Unter den mächtigen Herrschern des Continents fühlt der Kaiser Franz
Joseph sich wieder als ein Mächtiger: ein Gefühl, was ihm der Gegensatz
gegen Deutschland und Nußland, was ihm die Stütze auf den abenteuerlichen
Westen bei der inneren Lage seines in einem folgenreichen und nicht leicht zu-
vollziehenden Uebergang begriffenen Reiches verkümmern mußte. Der Kaiser
betritt in Berlin wieder den Boden, der seinem Hause so ehrwürdigen und
seinem Character so tief sympathischen monarchischen Tradition. Die drei
Grenzboten III. 1872.
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