Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

der Nationalität mit einer einzelnen Confession, zumal mit den Auswüchsen
dieser Confession, wie der Jesuitismus einer ist.

Auf den polnischen Streiter, der in Wahl und Führung seiner Waffen
nirgends den vornehmen Mann vermissen ließ, folgte der widerliche Cynismus
des Herrn Bebel. Zuhörer, die dem zweiten Tag dieser Verhandlung sei es
im Reichstag, sei es auf der Zuhörertribüne beigewohnt, versichern allerdings,
daß die abstoßende Gemeinheit der Rede in erheiternde Komik umgeschlagen
sei durch den Widerspruch zwischen der geringfügigen Person und den welt-
mördenschen Gelüsten des selbstgefälligen Sprechers. Die reichliche Heiterkeit,
welche der Sitzungsbericht bei dieser Rede verzeichnet, dient, jenen Eindruck zu
bestätigen.

Der Abgeordnete Löwe gab wieder einen Beweis des gesunden Menschen¬
verstandes, der diesem Redner so oft am rechten Ort zu Gebote steht, und
der uns immer wieder bedauern läßt, daß der Redner nicht immer so vor¬
trefflich inspirirt ist. Seinen Freunden, die zur Bekämpfung des Jesuitismus
auf die geistigen Waffen allein verwiesen hatten, entgegnete der Redner, indem
er eine der Philosophie bekannte Wahrheit in klassische Form kleidete, folgen¬
dermaßen: "Die Wahrheit siegt immer; aber sie siegt nicht jedesmal in der
Zeit, in der gekämpft wird, und nicht jedesmal an der Stelle, wo gekämpft
wird. Der Protestantismus hat gesiegt -- wir wollen sagen, hat sich be¬
hauptet -- trotz der Bartholomäusnacht; aber hat er denn in Frankreich
gesiegt?"

Den Schluß dieses Tages und die Krone der Verhandlung bildete Greises
Vortrag. Ueberzeugend war namentlich seine Ausführung, daß man die
Mitgliedschaft des Jesuitenordens den deutschen Staatsangehörigen für jetzt
nicht durch ein Strafgesetz verbieten könne, nachdem die Regierungen durch eine
zwanzigjährige Begünstigung des Ordens eine Zahl ihrer Unterthanen in den¬
selben hineingelockt haben. Es kann sonach nicht die Mitgliedschaft, sondern
nur die fernere Thätigkeit als Jesuit unter Strafe gestellt werden. Bei einem
solchen Gesetz ergiebt sich aber die dreifache Schwierigkeit: 1) zu unterscheiden,
wo Privatleben und Ordensthätigkeit in einander übergehen; 2) zu unterscheiden,
wo die Thätigkeit des Jesuitenordens unter dem Namen anderer, nicht ver¬
pönter Orden geübt wird, 3) zu unterscheiden, auf welcher Stufe der jesuitischen
Laufbahn dieselbe strafbar wird. Der Jesuitenorden ist von der Art, daß ihm >
die repressive, auf bestimmt bezeichnete Handlungen gerichtete Staatsthätigkeit
nicht beikommen kann. Wenn irgendwo, ist hier die präventive Staatsthätigkeit
am Platze. -- Es ist Unbildung, gegen diese Thätigkeit das Stichwort der Volks¬
versammlungen, Polizeiwirthschaft, auszugeben. Die präventive Thätigkeit der
Verwaltung kann die Bürgschaften geordneter Rechtsprechung sehr wohl gewähren.
Nur daß die rechtsprechenden Behörden die Kriterien der Strafbarkeit, bezw. der


der Nationalität mit einer einzelnen Confession, zumal mit den Auswüchsen
dieser Confession, wie der Jesuitismus einer ist.

Auf den polnischen Streiter, der in Wahl und Führung seiner Waffen
nirgends den vornehmen Mann vermissen ließ, folgte der widerliche Cynismus
des Herrn Bebel. Zuhörer, die dem zweiten Tag dieser Verhandlung sei es
im Reichstag, sei es auf der Zuhörertribüne beigewohnt, versichern allerdings,
daß die abstoßende Gemeinheit der Rede in erheiternde Komik umgeschlagen
sei durch den Widerspruch zwischen der geringfügigen Person und den welt-
mördenschen Gelüsten des selbstgefälligen Sprechers. Die reichliche Heiterkeit,
welche der Sitzungsbericht bei dieser Rede verzeichnet, dient, jenen Eindruck zu
bestätigen.

Der Abgeordnete Löwe gab wieder einen Beweis des gesunden Menschen¬
verstandes, der diesem Redner so oft am rechten Ort zu Gebote steht, und
der uns immer wieder bedauern läßt, daß der Redner nicht immer so vor¬
trefflich inspirirt ist. Seinen Freunden, die zur Bekämpfung des Jesuitismus
auf die geistigen Waffen allein verwiesen hatten, entgegnete der Redner, indem
er eine der Philosophie bekannte Wahrheit in klassische Form kleidete, folgen¬
dermaßen: „Die Wahrheit siegt immer; aber sie siegt nicht jedesmal in der
Zeit, in der gekämpft wird, und nicht jedesmal an der Stelle, wo gekämpft
wird. Der Protestantismus hat gesiegt — wir wollen sagen, hat sich be¬
hauptet — trotz der Bartholomäusnacht; aber hat er denn in Frankreich
gesiegt?"

Den Schluß dieses Tages und die Krone der Verhandlung bildete Greises
Vortrag. Ueberzeugend war namentlich seine Ausführung, daß man die
Mitgliedschaft des Jesuitenordens den deutschen Staatsangehörigen für jetzt
nicht durch ein Strafgesetz verbieten könne, nachdem die Regierungen durch eine
zwanzigjährige Begünstigung des Ordens eine Zahl ihrer Unterthanen in den¬
selben hineingelockt haben. Es kann sonach nicht die Mitgliedschaft, sondern
nur die fernere Thätigkeit als Jesuit unter Strafe gestellt werden. Bei einem
solchen Gesetz ergiebt sich aber die dreifache Schwierigkeit: 1) zu unterscheiden,
wo Privatleben und Ordensthätigkeit in einander übergehen; 2) zu unterscheiden,
wo die Thätigkeit des Jesuitenordens unter dem Namen anderer, nicht ver¬
pönter Orden geübt wird, 3) zu unterscheiden, auf welcher Stufe der jesuitischen
Laufbahn dieselbe strafbar wird. Der Jesuitenorden ist von der Art, daß ihm >
die repressive, auf bestimmt bezeichnete Handlungen gerichtete Staatsthätigkeit
nicht beikommen kann. Wenn irgendwo, ist hier die präventive Staatsthätigkeit
am Platze. — Es ist Unbildung, gegen diese Thätigkeit das Stichwort der Volks¬
versammlungen, Polizeiwirthschaft, auszugeben. Die präventive Thätigkeit der
Verwaltung kann die Bürgschaften geordneter Rechtsprechung sehr wohl gewähren.
Nur daß die rechtsprechenden Behörden die Kriterien der Strafbarkeit, bezw. der


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0046" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/127974"/>
          <p xml:id="ID_111" prev="#ID_110"> der Nationalität mit einer einzelnen Confession, zumal mit den Auswüchsen<lb/>
dieser Confession, wie der Jesuitismus einer ist.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_112"> Auf den polnischen Streiter, der in Wahl und Führung seiner Waffen<lb/>
nirgends den vornehmen Mann vermissen ließ, folgte der widerliche Cynismus<lb/>
des Herrn Bebel. Zuhörer, die dem zweiten Tag dieser Verhandlung sei es<lb/>
im Reichstag, sei es auf der Zuhörertribüne beigewohnt, versichern allerdings,<lb/>
daß die abstoßende Gemeinheit der Rede in erheiternde Komik umgeschlagen<lb/>
sei durch den Widerspruch zwischen der geringfügigen Person und den welt-<lb/>
mördenschen Gelüsten des selbstgefälligen Sprechers. Die reichliche Heiterkeit,<lb/>
welche der Sitzungsbericht bei dieser Rede verzeichnet, dient, jenen Eindruck zu<lb/>
bestätigen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_113"> Der Abgeordnete Löwe gab wieder einen Beweis des gesunden Menschen¬<lb/>
verstandes, der diesem Redner so oft am rechten Ort zu Gebote steht, und<lb/>
der uns immer wieder bedauern läßt, daß der Redner nicht immer so vor¬<lb/>
trefflich inspirirt ist. Seinen Freunden, die zur Bekämpfung des Jesuitismus<lb/>
auf die geistigen Waffen allein verwiesen hatten, entgegnete der Redner, indem<lb/>
er eine der Philosophie bekannte Wahrheit in klassische Form kleidete, folgen¬<lb/>
dermaßen: &#x201E;Die Wahrheit siegt immer; aber sie siegt nicht jedesmal in der<lb/>
Zeit, in der gekämpft wird, und nicht jedesmal an der Stelle, wo gekämpft<lb/>
wird. Der Protestantismus hat gesiegt &#x2014; wir wollen sagen, hat sich be¬<lb/>
hauptet &#x2014; trotz der Bartholomäusnacht; aber hat er denn in Frankreich<lb/>
gesiegt?"</p><lb/>
          <p xml:id="ID_114" next="#ID_115"> Den Schluß dieses Tages und die Krone der Verhandlung bildete Greises<lb/>
Vortrag. Ueberzeugend war namentlich seine Ausführung, daß man die<lb/>
Mitgliedschaft des Jesuitenordens den deutschen Staatsangehörigen für jetzt<lb/>
nicht durch ein Strafgesetz verbieten könne, nachdem die Regierungen durch eine<lb/>
zwanzigjährige Begünstigung des Ordens eine Zahl ihrer Unterthanen in den¬<lb/>
selben hineingelockt haben. Es kann sonach nicht die Mitgliedschaft, sondern<lb/>
nur die fernere Thätigkeit als Jesuit unter Strafe gestellt werden. Bei einem<lb/>
solchen Gesetz ergiebt sich aber die dreifache Schwierigkeit: 1) zu unterscheiden,<lb/>
wo Privatleben und Ordensthätigkeit in einander übergehen; 2) zu unterscheiden,<lb/>
wo die Thätigkeit des Jesuitenordens unter dem Namen anderer, nicht ver¬<lb/>
pönter Orden geübt wird, 3) zu unterscheiden, auf welcher Stufe der jesuitischen<lb/>
Laufbahn dieselbe strafbar wird. Der Jesuitenorden ist von der Art, daß ihm &gt;<lb/>
die repressive, auf bestimmt bezeichnete Handlungen gerichtete Staatsthätigkeit<lb/>
nicht beikommen kann. Wenn irgendwo, ist hier die präventive Staatsthätigkeit<lb/>
am Platze. &#x2014; Es ist Unbildung, gegen diese Thätigkeit das Stichwort der Volks¬<lb/>
versammlungen, Polizeiwirthschaft, auszugeben. Die präventive Thätigkeit der<lb/>
Verwaltung kann die Bürgschaften geordneter Rechtsprechung sehr wohl gewähren.<lb/>
Nur daß die rechtsprechenden Behörden die Kriterien der Strafbarkeit, bezw. der</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0046] der Nationalität mit einer einzelnen Confession, zumal mit den Auswüchsen dieser Confession, wie der Jesuitismus einer ist. Auf den polnischen Streiter, der in Wahl und Führung seiner Waffen nirgends den vornehmen Mann vermissen ließ, folgte der widerliche Cynismus des Herrn Bebel. Zuhörer, die dem zweiten Tag dieser Verhandlung sei es im Reichstag, sei es auf der Zuhörertribüne beigewohnt, versichern allerdings, daß die abstoßende Gemeinheit der Rede in erheiternde Komik umgeschlagen sei durch den Widerspruch zwischen der geringfügigen Person und den welt- mördenschen Gelüsten des selbstgefälligen Sprechers. Die reichliche Heiterkeit, welche der Sitzungsbericht bei dieser Rede verzeichnet, dient, jenen Eindruck zu bestätigen. Der Abgeordnete Löwe gab wieder einen Beweis des gesunden Menschen¬ verstandes, der diesem Redner so oft am rechten Ort zu Gebote steht, und der uns immer wieder bedauern läßt, daß der Redner nicht immer so vor¬ trefflich inspirirt ist. Seinen Freunden, die zur Bekämpfung des Jesuitismus auf die geistigen Waffen allein verwiesen hatten, entgegnete der Redner, indem er eine der Philosophie bekannte Wahrheit in klassische Form kleidete, folgen¬ dermaßen: „Die Wahrheit siegt immer; aber sie siegt nicht jedesmal in der Zeit, in der gekämpft wird, und nicht jedesmal an der Stelle, wo gekämpft wird. Der Protestantismus hat gesiegt — wir wollen sagen, hat sich be¬ hauptet — trotz der Bartholomäusnacht; aber hat er denn in Frankreich gesiegt?" Den Schluß dieses Tages und die Krone der Verhandlung bildete Greises Vortrag. Ueberzeugend war namentlich seine Ausführung, daß man die Mitgliedschaft des Jesuitenordens den deutschen Staatsangehörigen für jetzt nicht durch ein Strafgesetz verbieten könne, nachdem die Regierungen durch eine zwanzigjährige Begünstigung des Ordens eine Zahl ihrer Unterthanen in den¬ selben hineingelockt haben. Es kann sonach nicht die Mitgliedschaft, sondern nur die fernere Thätigkeit als Jesuit unter Strafe gestellt werden. Bei einem solchen Gesetz ergiebt sich aber die dreifache Schwierigkeit: 1) zu unterscheiden, wo Privatleben und Ordensthätigkeit in einander übergehen; 2) zu unterscheiden, wo die Thätigkeit des Jesuitenordens unter dem Namen anderer, nicht ver¬ pönter Orden geübt wird, 3) zu unterscheiden, auf welcher Stufe der jesuitischen Laufbahn dieselbe strafbar wird. Der Jesuitenorden ist von der Art, daß ihm > die repressive, auf bestimmt bezeichnete Handlungen gerichtete Staatsthätigkeit nicht beikommen kann. Wenn irgendwo, ist hier die präventive Staatsthätigkeit am Platze. — Es ist Unbildung, gegen diese Thätigkeit das Stichwort der Volks¬ versammlungen, Polizeiwirthschaft, auszugeben. Die präventive Thätigkeit der Verwaltung kann die Bürgschaften geordneter Rechtsprechung sehr wohl gewähren. Nur daß die rechtsprechenden Behörden die Kriterien der Strafbarkeit, bezw. der

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/46
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/46>, abgerufen am 22.07.2024.