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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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das ganze Contingent, welches jährlich zu poliren. als Recht der
Kammern ausdrücklich anerkannt wurde. Als Knoten der lcvhaften De¬
batte erschienen Dienstzeit und Formation der Reserven: Schwaches Con¬
tingent und langer Dienst, starkes Contingent und kurzer Dienst, feste oder
wechselnde Reserve, besondere Cadres für die Reserve oder Einreihung derselben
in das Heer. Theil nahmen an der Discussion von Generalen der Republik:
Moncey und Jourdan. von Heerführern Napoleon's: Soult, Macdonald,
Mortier, Oudinot, Molitor, Gerard, Maison und Lobau, von andern Ken¬
nern Mathieu Dumas, d'Ambrugeac u. A. -- Mit besonderem Nachdruck trat
General d'Ambrugeac auf als Organ einer Anzahl der hervorragendsten Mi-
litairs. Er forderte ein festes Contingent von 60,000 Mann, die sämmtlich
fünf Jahr Dienst bei der Fahne thäten, dann fünf Jahr als Regimentsre¬
serve beurlaubt und nach Verlauf dieser zehn Jahre definitiv entlassen würden.
Man warf diesem Plan vor, daß er der nöthigen "Elasticität" entbehre, und
vor allen Dingen dem gesetzgebenden Körper eins seiner wichtigsten Rechte
raube: die jährliche Contingentsbewilligung. Indessen waren die Vorstellungen
der Vertreter der Armee doch kräftig genug, um die Kammer in wesentlichen
Punkten über die Vorlage der Regierung hinaus zu führen. Man machte
geltend, daß von der Dienstzeit 18 Monat verloren gingen durch die Losung,
die Revision, die Formation und den Marsch der Detachements, die Ein¬
reihung, die Equipirung und die erste Recrutenausbildung; erst das "pa,886r
an batcMou" sei als wirklicher Dienstanfang zu betrachten. Aus den Antrag
eines M. Passy wurde daher die Dienstzeit auf 7 Jahre festgesetzt
und beschlossen, daß sämmtliche durch das Gesetz zum Jahrescontingent be¬
rufene Leute auch wirklich "einzureihen" seien, d. h. si alio; factisch sollte der
größere Theil zu Hause gelassen oder "provisorisch beurlaubt" werden und
die "Reserve" bilden, welche einzuberufen eine königliche Ordonnanz genüge
und welche der Kriegsminister versammeln und üben lassen dürfe.

So entstand das berühmte Rekr utirungsgesetz vom 21. März
1832. Man freute sich der großen Elasticität seiner Bestimmungen, welche
die ganze Jugend zur Disposition des Staates stellte, ohne doch das "Land
zu diöcipliniren" und den Schatz zu überbürden, und scheint keinen Werth
auf den bedenklichen Umstand gelegt zu haben, daß die sogenannte "Reserve"
doch nur aus Rekruten bestand. -- Man dachte 1832 mit dieser Legislation
durch Aushebungen von 80,000 Mann und freiwillige Engagements eine
Kriegsstärke von 800,000 Mann erreichen zu können; die Probe auf das
Exempel ist jedoch nicht erfolgt. Wahrscheinlich wäre sie schlecht bestanden
worden. -- Die Bestimmungen über das Avancement, wenig von
denen d. I. 1818 unterschieden, wurden in einem besonderen Gesetz vom
14. April 1832 zusammengestellt. -- Um den Geist des Heeres der neuen


das ganze Contingent, welches jährlich zu poliren. als Recht der
Kammern ausdrücklich anerkannt wurde. Als Knoten der lcvhaften De¬
batte erschienen Dienstzeit und Formation der Reserven: Schwaches Con¬
tingent und langer Dienst, starkes Contingent und kurzer Dienst, feste oder
wechselnde Reserve, besondere Cadres für die Reserve oder Einreihung derselben
in das Heer. Theil nahmen an der Discussion von Generalen der Republik:
Moncey und Jourdan. von Heerführern Napoleon's: Soult, Macdonald,
Mortier, Oudinot, Molitor, Gerard, Maison und Lobau, von andern Ken¬
nern Mathieu Dumas, d'Ambrugeac u. A. — Mit besonderem Nachdruck trat
General d'Ambrugeac auf als Organ einer Anzahl der hervorragendsten Mi-
litairs. Er forderte ein festes Contingent von 60,000 Mann, die sämmtlich
fünf Jahr Dienst bei der Fahne thäten, dann fünf Jahr als Regimentsre¬
serve beurlaubt und nach Verlauf dieser zehn Jahre definitiv entlassen würden.
Man warf diesem Plan vor, daß er der nöthigen „Elasticität" entbehre, und
vor allen Dingen dem gesetzgebenden Körper eins seiner wichtigsten Rechte
raube: die jährliche Contingentsbewilligung. Indessen waren die Vorstellungen
der Vertreter der Armee doch kräftig genug, um die Kammer in wesentlichen
Punkten über die Vorlage der Regierung hinaus zu führen. Man machte
geltend, daß von der Dienstzeit 18 Monat verloren gingen durch die Losung,
die Revision, die Formation und den Marsch der Detachements, die Ein¬
reihung, die Equipirung und die erste Recrutenausbildung; erst das „pa,886r
an batcMou" sei als wirklicher Dienstanfang zu betrachten. Aus den Antrag
eines M. Passy wurde daher die Dienstzeit auf 7 Jahre festgesetzt
und beschlossen, daß sämmtliche durch das Gesetz zum Jahrescontingent be¬
rufene Leute auch wirklich „einzureihen" seien, d. h. si alio; factisch sollte der
größere Theil zu Hause gelassen oder „provisorisch beurlaubt" werden und
die „Reserve" bilden, welche einzuberufen eine königliche Ordonnanz genüge
und welche der Kriegsminister versammeln und üben lassen dürfe.

So entstand das berühmte Rekr utirungsgesetz vom 21. März
1832. Man freute sich der großen Elasticität seiner Bestimmungen, welche
die ganze Jugend zur Disposition des Staates stellte, ohne doch das „Land
zu diöcipliniren" und den Schatz zu überbürden, und scheint keinen Werth
auf den bedenklichen Umstand gelegt zu haben, daß die sogenannte „Reserve"
doch nur aus Rekruten bestand. — Man dachte 1832 mit dieser Legislation
durch Aushebungen von 80,000 Mann und freiwillige Engagements eine
Kriegsstärke von 800,000 Mann erreichen zu können; die Probe auf das
Exempel ist jedoch nicht erfolgt. Wahrscheinlich wäre sie schlecht bestanden
worden. — Die Bestimmungen über das Avancement, wenig von
denen d. I. 1818 unterschieden, wurden in einem besonderen Gesetz vom
14. April 1832 zusammengestellt. — Um den Geist des Heeres der neuen


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[0456] das ganze Contingent, welches jährlich zu poliren. als Recht der Kammern ausdrücklich anerkannt wurde. Als Knoten der lcvhaften De¬ batte erschienen Dienstzeit und Formation der Reserven: Schwaches Con¬ tingent und langer Dienst, starkes Contingent und kurzer Dienst, feste oder wechselnde Reserve, besondere Cadres für die Reserve oder Einreihung derselben in das Heer. Theil nahmen an der Discussion von Generalen der Republik: Moncey und Jourdan. von Heerführern Napoleon's: Soult, Macdonald, Mortier, Oudinot, Molitor, Gerard, Maison und Lobau, von andern Ken¬ nern Mathieu Dumas, d'Ambrugeac u. A. — Mit besonderem Nachdruck trat General d'Ambrugeac auf als Organ einer Anzahl der hervorragendsten Mi- litairs. Er forderte ein festes Contingent von 60,000 Mann, die sämmtlich fünf Jahr Dienst bei der Fahne thäten, dann fünf Jahr als Regimentsre¬ serve beurlaubt und nach Verlauf dieser zehn Jahre definitiv entlassen würden. Man warf diesem Plan vor, daß er der nöthigen „Elasticität" entbehre, und vor allen Dingen dem gesetzgebenden Körper eins seiner wichtigsten Rechte raube: die jährliche Contingentsbewilligung. Indessen waren die Vorstellungen der Vertreter der Armee doch kräftig genug, um die Kammer in wesentlichen Punkten über die Vorlage der Regierung hinaus zu führen. Man machte geltend, daß von der Dienstzeit 18 Monat verloren gingen durch die Losung, die Revision, die Formation und den Marsch der Detachements, die Ein¬ reihung, die Equipirung und die erste Recrutenausbildung; erst das „pa,886r an batcMou" sei als wirklicher Dienstanfang zu betrachten. Aus den Antrag eines M. Passy wurde daher die Dienstzeit auf 7 Jahre festgesetzt und beschlossen, daß sämmtliche durch das Gesetz zum Jahrescontingent be¬ rufene Leute auch wirklich „einzureihen" seien, d. h. si alio; factisch sollte der größere Theil zu Hause gelassen oder „provisorisch beurlaubt" werden und die „Reserve" bilden, welche einzuberufen eine königliche Ordonnanz genüge und welche der Kriegsminister versammeln und üben lassen dürfe. So entstand das berühmte Rekr utirungsgesetz vom 21. März 1832. Man freute sich der großen Elasticität seiner Bestimmungen, welche die ganze Jugend zur Disposition des Staates stellte, ohne doch das „Land zu diöcipliniren" und den Schatz zu überbürden, und scheint keinen Werth auf den bedenklichen Umstand gelegt zu haben, daß die sogenannte „Reserve" doch nur aus Rekruten bestand. — Man dachte 1832 mit dieser Legislation durch Aushebungen von 80,000 Mann und freiwillige Engagements eine Kriegsstärke von 800,000 Mann erreichen zu können; die Probe auf das Exempel ist jedoch nicht erfolgt. Wahrscheinlich wäre sie schlecht bestanden worden. — Die Bestimmungen über das Avancement, wenig von denen d. I. 1818 unterschieden, wurden in einem besonderen Gesetz vom 14. April 1832 zusammengestellt. — Um den Geist des Heeres der neuen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/456>, abgerufen am 25.08.2024.