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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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französischen und zwei schweizerischen Regimentern. Das Artillerieeorps der
Garde zählte drei Regimenter.

Die Linien-Infanterie wurde bis 1823 auf 64 Regimenter zu drei
Bataillonen, die leichte Infanterie auf 20 Regimenter zu zwei Bataillonen
gebracht. Außerdem bestanden vier Regimenter Schweizer zu drei Bataillonen
und das Fremden-Regiment (Legion) Hohenlohe-Bartenstein. -- Es fällt auf,
daß die fremden Truppen in dieser Liste wieder eine gewisse Rolle spielen.
Die Schweizer treten allerdings damit nur an den Platz, den sie seit fast
zehn Jahrhunderten eingenommen und den ihre Treue während der Hundert
Tage überdies neu verdient hatte. Eine mit der Eidgenossenschaft am 1. Juni
1816 abgeschlossene Capitulation hatte ihre Rechte und ihren Ersatz gesichert. --
Was die Legion Hohenlohe anbetrifft, so setzte sich dieselbe aus fremden
Mannschaften zusammen, welche aus den acht Regimentern fremder Truppen
übergeblieben waren, die im Feldzuge von Waterloo noch unter Napoleon's
Fahnen gefochten und die der schon als Emigrantenparteiführer bekannte
Fürst v. Hohenlohe-Bartenstein in drei Bataillonen reorganisirt hatte. --
Durchweg wurden die fremden Truppen an besonders wichtigen Stellen: am
Hoflager oder in Seeplätzen dislocirt, wo sie zur unmittelbaren Vertheidigung
der Krone oder zur Sicherung einer etwa nothwendig werdenden Expatriirung
derselben verwendet werden konnten.

Die Reiterei bestand aus 1 Reg. Carabiniers, 6 Cürassier-, 10 Dra¬
goner-, 24 Chasseur- und 10 Husaren-Regimentern, die Artillerie aus
8 Fuß- und 1 reitenden Regiment, 8 Train-Escadrons, 12 Handwerks- und
mehreren Garnison-Compagnien. Die Truppen desGenie-Corps zählten
3 Regimenter. Die Stärke der Gendarmerie betrug 16,000 Mann. --
Die ganze Armee zählte i. I. 1823 (einschließlich der 20,200 Mann Garde)
176.500 Mann.*)

In Folge der Ermordung des Herzogs von Berry gewann indeß die
ultraroyalistische Partei im Rathe des Königs die Oberhand und der Kriegs¬
minister ließ es sich angelegen sein, die Interessen derselben dadurch wahrzu¬
nehmen, daß er eine große Anzahl napoleonischer Officiere aus der Armee
entließ und alte Royalisten in deren Stellen einschob. So wurde das Heer
zum Spielball der Parteien, und die schroffen Gegensätze der letzteren machten
sich auf Kosten der Mannszucht und Kameradschaft nur allzu bemerkbar.
Reibungen zwischen den französischen und den Schweizer-Truppen, Befein¬
dungen der Gardecorps durch die Linienregimenter, Duelle auf Leben und
Tod unter den alten und den neuen Officieren, waren an der Tagesordnung.
Zuweilen stellte jede der feindlichen Parteien acht oder zehn Duellanten auf



) v. Zedlitz: Frankreich als Militärstaat unter Ludwin. XVIII. Leipzig, 1825.

französischen und zwei schweizerischen Regimentern. Das Artillerieeorps der
Garde zählte drei Regimenter.

Die Linien-Infanterie wurde bis 1823 auf 64 Regimenter zu drei
Bataillonen, die leichte Infanterie auf 20 Regimenter zu zwei Bataillonen
gebracht. Außerdem bestanden vier Regimenter Schweizer zu drei Bataillonen
und das Fremden-Regiment (Legion) Hohenlohe-Bartenstein. — Es fällt auf,
daß die fremden Truppen in dieser Liste wieder eine gewisse Rolle spielen.
Die Schweizer treten allerdings damit nur an den Platz, den sie seit fast
zehn Jahrhunderten eingenommen und den ihre Treue während der Hundert
Tage überdies neu verdient hatte. Eine mit der Eidgenossenschaft am 1. Juni
1816 abgeschlossene Capitulation hatte ihre Rechte und ihren Ersatz gesichert. —
Was die Legion Hohenlohe anbetrifft, so setzte sich dieselbe aus fremden
Mannschaften zusammen, welche aus den acht Regimentern fremder Truppen
übergeblieben waren, die im Feldzuge von Waterloo noch unter Napoleon's
Fahnen gefochten und die der schon als Emigrantenparteiführer bekannte
Fürst v. Hohenlohe-Bartenstein in drei Bataillonen reorganisirt hatte. —
Durchweg wurden die fremden Truppen an besonders wichtigen Stellen: am
Hoflager oder in Seeplätzen dislocirt, wo sie zur unmittelbaren Vertheidigung
der Krone oder zur Sicherung einer etwa nothwendig werdenden Expatriirung
derselben verwendet werden konnten.

Die Reiterei bestand aus 1 Reg. Carabiniers, 6 Cürassier-, 10 Dra¬
goner-, 24 Chasseur- und 10 Husaren-Regimentern, die Artillerie aus
8 Fuß- und 1 reitenden Regiment, 8 Train-Escadrons, 12 Handwerks- und
mehreren Garnison-Compagnien. Die Truppen desGenie-Corps zählten
3 Regimenter. Die Stärke der Gendarmerie betrug 16,000 Mann. —
Die ganze Armee zählte i. I. 1823 (einschließlich der 20,200 Mann Garde)
176.500 Mann.*)

In Folge der Ermordung des Herzogs von Berry gewann indeß die
ultraroyalistische Partei im Rathe des Königs die Oberhand und der Kriegs¬
minister ließ es sich angelegen sein, die Interessen derselben dadurch wahrzu¬
nehmen, daß er eine große Anzahl napoleonischer Officiere aus der Armee
entließ und alte Royalisten in deren Stellen einschob. So wurde das Heer
zum Spielball der Parteien, und die schroffen Gegensätze der letzteren machten
sich auf Kosten der Mannszucht und Kameradschaft nur allzu bemerkbar.
Reibungen zwischen den französischen und den Schweizer-Truppen, Befein¬
dungen der Gardecorps durch die Linienregimenter, Duelle auf Leben und
Tod unter den alten und den neuen Officieren, waren an der Tagesordnung.
Zuweilen stellte jede der feindlichen Parteien acht oder zehn Duellanten auf



) v. Zedlitz: Frankreich als Militärstaat unter Ludwin. XVIII. Leipzig, 1825.
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[0446] französischen und zwei schweizerischen Regimentern. Das Artillerieeorps der Garde zählte drei Regimenter. Die Linien-Infanterie wurde bis 1823 auf 64 Regimenter zu drei Bataillonen, die leichte Infanterie auf 20 Regimenter zu zwei Bataillonen gebracht. Außerdem bestanden vier Regimenter Schweizer zu drei Bataillonen und das Fremden-Regiment (Legion) Hohenlohe-Bartenstein. — Es fällt auf, daß die fremden Truppen in dieser Liste wieder eine gewisse Rolle spielen. Die Schweizer treten allerdings damit nur an den Platz, den sie seit fast zehn Jahrhunderten eingenommen und den ihre Treue während der Hundert Tage überdies neu verdient hatte. Eine mit der Eidgenossenschaft am 1. Juni 1816 abgeschlossene Capitulation hatte ihre Rechte und ihren Ersatz gesichert. — Was die Legion Hohenlohe anbetrifft, so setzte sich dieselbe aus fremden Mannschaften zusammen, welche aus den acht Regimentern fremder Truppen übergeblieben waren, die im Feldzuge von Waterloo noch unter Napoleon's Fahnen gefochten und die der schon als Emigrantenparteiführer bekannte Fürst v. Hohenlohe-Bartenstein in drei Bataillonen reorganisirt hatte. — Durchweg wurden die fremden Truppen an besonders wichtigen Stellen: am Hoflager oder in Seeplätzen dislocirt, wo sie zur unmittelbaren Vertheidigung der Krone oder zur Sicherung einer etwa nothwendig werdenden Expatriirung derselben verwendet werden konnten. Die Reiterei bestand aus 1 Reg. Carabiniers, 6 Cürassier-, 10 Dra¬ goner-, 24 Chasseur- und 10 Husaren-Regimentern, die Artillerie aus 8 Fuß- und 1 reitenden Regiment, 8 Train-Escadrons, 12 Handwerks- und mehreren Garnison-Compagnien. Die Truppen desGenie-Corps zählten 3 Regimenter. Die Stärke der Gendarmerie betrug 16,000 Mann. — Die ganze Armee zählte i. I. 1823 (einschließlich der 20,200 Mann Garde) 176.500 Mann.*) In Folge der Ermordung des Herzogs von Berry gewann indeß die ultraroyalistische Partei im Rathe des Königs die Oberhand und der Kriegs¬ minister ließ es sich angelegen sein, die Interessen derselben dadurch wahrzu¬ nehmen, daß er eine große Anzahl napoleonischer Officiere aus der Armee entließ und alte Royalisten in deren Stellen einschob. So wurde das Heer zum Spielball der Parteien, und die schroffen Gegensätze der letzteren machten sich auf Kosten der Mannszucht und Kameradschaft nur allzu bemerkbar. Reibungen zwischen den französischen und den Schweizer-Truppen, Befein¬ dungen der Gardecorps durch die Linienregimenter, Duelle auf Leben und Tod unter den alten und den neuen Officieren, waren an der Tagesordnung. Zuweilen stellte jede der feindlichen Parteien acht oder zehn Duellanten auf ) v. Zedlitz: Frankreich als Militärstaat unter Ludwin. XVIII. Leipzig, 1825.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/446>, abgerufen am 22.07.2024.