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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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hier bestatten, um der Verdienste des Ordens theilhaftig zu werden. Aber
kein Stein kündet mehr den Ort, wo man den großen, friedliebenden Johann I.,
ohne Zweifel den bedeutendsten Fürsten des Geschlechts, einsenkte. Er führte
die Ringmauern der Städte auf, die jetzt die wichtigsten in der Mark sind,
die Mauern von Berlin und Frankfurt, er setzte den Roland, das Merkzeichen
deutschen Rechts, auf ihre Märkte, er theilte ihnen mit freigebiger Hand aus
dem Schatze der eignen Machtvollkommenheit die Grundbedingungen einer
lebenskräftigen Entwickelung großmüthig mit.

Unser Blick ruht auf dem Boden, als suche er die einstmaligen Fugen
der Grabesplatten. Draußen hat sich das Wetter geklärt, ein warmer Strahl
der Abendsonne fällt durch das hohe Fenster der Giebelseite. Welch glän¬
zenden Fürsten hat man hier zur Ruhe geläutet! Neben Johann I. schlafen
seine Söhne Johann, Otto, Conrao, Heinrich und Albrecht. Das lebendigste
Bild unter ihnen ist uns von Markgraf Otto mit dem Pfeile aufbewahrt ge¬
blieben. Oft hat der mächtige Fürst hier gebetet, -- nie hat er drüben in
Werbellin geweilt, ohne das Kloster zum Seelenheile seiner Borfahren zu be¬
denken. Im vollsten Sinne ist Otto ein Mann "von hohem Muth", wie es
damals hieß, rasch und feurig zu Kampf und Streit, unverzagt im Unglück.
Von seinem großen geschichtlichen Blick zeugen seine Bestrebungen, Magdeburg
vor Allem aufs Engste mit der Mark zu verknüpfen. Da erblicken wir ihn
in der blutigen Schlacht bei Frohse, wie er als vorderster Kämpfer mit blitzen¬
dem Schwerte sich Bahn machen will zu der Moritzfahne des Erzstifts; --
schon greift die eisenbeschuhte Hand nach dem heiligen Panier, da stürzt sein
Pferd, und die Zünfte der Bischofsstadt haben den Stolz, einen Markgrafen
gefangen in ihre Mauern einzubringen. Aber nicht umsonst hatte der Mark¬
graf einst von der Liebe Treu' gesungen; sie hält auch jetzt über ihm die hei¬
lige Wacht. Nach unendlicher Müh' und Beschwerniß löste Markgräfin Hed-
wig ihren gefangenen Eheherrn. Endlich hatte Otto doch die Freude, seinen
Bruder Erich auf dem Stuhl des Hochstifts zu sehen, aber auch dieser aus¬
gezeichnete Kirchenfürst starb sehr früh.

Markgraf Otto's Stimme tönt noch heute zu uns. Bis an den Fuß
der Alpen, bis an die Ufer der Limmat hätten seine Lieder die deutschen Lande
durchwandert; der Zürcher Rathmann Ritter Rüdiger von Manche ließ auch
"Markgreue olle mit dem pfile" seiner Minnesängersammlung einverleiben.
In den zwei erhaltenen Liedern Otto's finden wir alle dichterischen Motive
unserer ersten klassischen Periode wieder. Da ruft er in der Freude des Früh¬
lings aus:


"Uns aber kommt ein lichter Mai,
Der macht so manches Herze froh.
Er bringt der Blumen mancherlei,

Grmjbotcn III. 1872. 54

hier bestatten, um der Verdienste des Ordens theilhaftig zu werden. Aber
kein Stein kündet mehr den Ort, wo man den großen, friedliebenden Johann I.,
ohne Zweifel den bedeutendsten Fürsten des Geschlechts, einsenkte. Er führte
die Ringmauern der Städte auf, die jetzt die wichtigsten in der Mark sind,
die Mauern von Berlin und Frankfurt, er setzte den Roland, das Merkzeichen
deutschen Rechts, auf ihre Märkte, er theilte ihnen mit freigebiger Hand aus
dem Schatze der eignen Machtvollkommenheit die Grundbedingungen einer
lebenskräftigen Entwickelung großmüthig mit.

Unser Blick ruht auf dem Boden, als suche er die einstmaligen Fugen
der Grabesplatten. Draußen hat sich das Wetter geklärt, ein warmer Strahl
der Abendsonne fällt durch das hohe Fenster der Giebelseite. Welch glän¬
zenden Fürsten hat man hier zur Ruhe geläutet! Neben Johann I. schlafen
seine Söhne Johann, Otto, Conrao, Heinrich und Albrecht. Das lebendigste
Bild unter ihnen ist uns von Markgraf Otto mit dem Pfeile aufbewahrt ge¬
blieben. Oft hat der mächtige Fürst hier gebetet, — nie hat er drüben in
Werbellin geweilt, ohne das Kloster zum Seelenheile seiner Borfahren zu be¬
denken. Im vollsten Sinne ist Otto ein Mann „von hohem Muth", wie es
damals hieß, rasch und feurig zu Kampf und Streit, unverzagt im Unglück.
Von seinem großen geschichtlichen Blick zeugen seine Bestrebungen, Magdeburg
vor Allem aufs Engste mit der Mark zu verknüpfen. Da erblicken wir ihn
in der blutigen Schlacht bei Frohse, wie er als vorderster Kämpfer mit blitzen¬
dem Schwerte sich Bahn machen will zu der Moritzfahne des Erzstifts; —
schon greift die eisenbeschuhte Hand nach dem heiligen Panier, da stürzt sein
Pferd, und die Zünfte der Bischofsstadt haben den Stolz, einen Markgrafen
gefangen in ihre Mauern einzubringen. Aber nicht umsonst hatte der Mark¬
graf einst von der Liebe Treu' gesungen; sie hält auch jetzt über ihm die hei¬
lige Wacht. Nach unendlicher Müh' und Beschwerniß löste Markgräfin Hed-
wig ihren gefangenen Eheherrn. Endlich hatte Otto doch die Freude, seinen
Bruder Erich auf dem Stuhl des Hochstifts zu sehen, aber auch dieser aus¬
gezeichnete Kirchenfürst starb sehr früh.

Markgraf Otto's Stimme tönt noch heute zu uns. Bis an den Fuß
der Alpen, bis an die Ufer der Limmat hätten seine Lieder die deutschen Lande
durchwandert; der Zürcher Rathmann Ritter Rüdiger von Manche ließ auch
„Markgreue olle mit dem pfile" seiner Minnesängersammlung einverleiben.
In den zwei erhaltenen Liedern Otto's finden wir alle dichterischen Motive
unserer ersten klassischen Periode wieder. Da ruft er in der Freude des Früh¬
lings aus:


„Uns aber kommt ein lichter Mai,
Der macht so manches Herze froh.
Er bringt der Blumen mancherlei,

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[0425] hier bestatten, um der Verdienste des Ordens theilhaftig zu werden. Aber kein Stein kündet mehr den Ort, wo man den großen, friedliebenden Johann I., ohne Zweifel den bedeutendsten Fürsten des Geschlechts, einsenkte. Er führte die Ringmauern der Städte auf, die jetzt die wichtigsten in der Mark sind, die Mauern von Berlin und Frankfurt, er setzte den Roland, das Merkzeichen deutschen Rechts, auf ihre Märkte, er theilte ihnen mit freigebiger Hand aus dem Schatze der eignen Machtvollkommenheit die Grundbedingungen einer lebenskräftigen Entwickelung großmüthig mit. Unser Blick ruht auf dem Boden, als suche er die einstmaligen Fugen der Grabesplatten. Draußen hat sich das Wetter geklärt, ein warmer Strahl der Abendsonne fällt durch das hohe Fenster der Giebelseite. Welch glän¬ zenden Fürsten hat man hier zur Ruhe geläutet! Neben Johann I. schlafen seine Söhne Johann, Otto, Conrao, Heinrich und Albrecht. Das lebendigste Bild unter ihnen ist uns von Markgraf Otto mit dem Pfeile aufbewahrt ge¬ blieben. Oft hat der mächtige Fürst hier gebetet, — nie hat er drüben in Werbellin geweilt, ohne das Kloster zum Seelenheile seiner Borfahren zu be¬ denken. Im vollsten Sinne ist Otto ein Mann „von hohem Muth", wie es damals hieß, rasch und feurig zu Kampf und Streit, unverzagt im Unglück. Von seinem großen geschichtlichen Blick zeugen seine Bestrebungen, Magdeburg vor Allem aufs Engste mit der Mark zu verknüpfen. Da erblicken wir ihn in der blutigen Schlacht bei Frohse, wie er als vorderster Kämpfer mit blitzen¬ dem Schwerte sich Bahn machen will zu der Moritzfahne des Erzstifts; — schon greift die eisenbeschuhte Hand nach dem heiligen Panier, da stürzt sein Pferd, und die Zünfte der Bischofsstadt haben den Stolz, einen Markgrafen gefangen in ihre Mauern einzubringen. Aber nicht umsonst hatte der Mark¬ graf einst von der Liebe Treu' gesungen; sie hält auch jetzt über ihm die hei¬ lige Wacht. Nach unendlicher Müh' und Beschwerniß löste Markgräfin Hed- wig ihren gefangenen Eheherrn. Endlich hatte Otto doch die Freude, seinen Bruder Erich auf dem Stuhl des Hochstifts zu sehen, aber auch dieser aus¬ gezeichnete Kirchenfürst starb sehr früh. Markgraf Otto's Stimme tönt noch heute zu uns. Bis an den Fuß der Alpen, bis an die Ufer der Limmat hätten seine Lieder die deutschen Lande durchwandert; der Zürcher Rathmann Ritter Rüdiger von Manche ließ auch „Markgreue olle mit dem pfile" seiner Minnesängersammlung einverleiben. In den zwei erhaltenen Liedern Otto's finden wir alle dichterischen Motive unserer ersten klassischen Periode wieder. Da ruft er in der Freude des Früh¬ lings aus: „Uns aber kommt ein lichter Mai, Der macht so manches Herze froh. Er bringt der Blumen mancherlei, Grmjbotcn III. 1872. 54

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/425>, abgerufen am 22.07.2024.