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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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Der Adel der deutschen Baukunst ist uns in keiner Kirche der Mark in
solcher Reinheit entgegen getreten wie im Dom zu Havelberg. In blendendes
Weiß gekleidet, steigen die Säulen des Mittelschiffes zu bedeutender Höhe auf,
die Seitenschiffe fast um das dreifache Maaß überragend. Elegant geformte
Fenster und zierliche Galerien unter ihnen fügen sich in die weiten Flächen
der Wandung ein, und, gegen das energische Licht im Mittelschiffe halb ver¬
schleiert, schließen sich Seitenschiffe und Grabkapellen an, in denen noch die
dunkle Farbenpracht ächter, alter Glasmalerei prangt. Künstlerisch sehr
werthvolle Schranken, ein sogenannter Lettner, trennen, wie einst in allen
bischöflichen Kathedralen das Allerheiligste der Kirche, den hohen Chor, von
dem Langschiffe, und hinter ihnen erglänzt der Chorraum und der reiche
Hochaltar in goldigem Scheine, den die gelbgemusterten Fenster des ab¬
schließenden Polygons höchst wirksam auf Gewölbefüllungen und Bildwerke
hineinwerfen.

Der Dom ist jetzt noch außerordentlich reich an Grabsteinen und Erinnerungs¬
zeichen aus alter Zeit, er hat deren einst solche Fülle gehabt, daß in seiner
ganzen Umgebung Leichensteine mit schönster, altgothischer Schrift zersägt zur
Pflasterung gebraucht worden sind. An einem Pfeiler des nördlichen Seiten¬
schiffs begegnen wir zunächst einer nicht ohne Verdienst gemeißelten weiblichen
Figur, -- der rothe Schein eines Heiligengewandes aus den gemalten Fenstern
fällt grade auf den Rosenstrauß, den die jung verstorbene Unterbaue zwischen
den Händen hält. Um die Wappen von Geschlechtern, deren Namen jetzt
schon lange verklungen sind, um die ritterliche Wehr der Weder, Behren,
Pladies und Samptleben zittern die wechselnden Reflexe des blauen Teppich¬
grundes aus den Glasgemälden. Von ähnlichen Steinen sind die Grab¬
kapellen des Doms überfüllt, aber der Fuß der Kirchenbesucher hat Wappen,
Namen, Gewandung und Züge aus dem Bas-Relief abgeschliffen, kaum ist
noch eine Jahreszahl, ein Amen lesbar. Nur im südlichen Chöre sind die
Grabsteine etwas besser erhalten, da treffen wir die wohlbekannten Wappen¬
zeichen der Bredow, Badendieck, Moltke, Malzahn, die Namen Schönhausen,
Möllendorf, Quitzow. Es begegnen uns auf den Grabsteinen fast nur Dom¬
herren oder Bischöfe. Sämmtlich tragen sie ihr Mönchskleid, den Prämon-
stratenser-Habit, die Dompröpste darüber die ihnen eigenthümliche Pelzkleidung.
Manche dieser Gestalten mit dem friedlich gesenkten Haupte, dem Priesterkelche
und einem Palmenzweige, prägt sich fest dem Gedächtniß ein als ein Denkmal
froh ergebenen Todes und stiller Grabesruhe. Außerordentlich werthvolle
Grabsteine erhalten die Gestalten von Bischöfen aus den Geschlechtern Barde¬
leben, Putlitz, Königsmark und Schlabrendorf. Unter gothischen Baldachinen
oder reichen Laubgewinden ruhen die Herren im geistlichen Ornate vor uns.
Ein Kleinod unter diesen Grabsteinen ist das Denkmal Burchard's von Barde-


Der Adel der deutschen Baukunst ist uns in keiner Kirche der Mark in
solcher Reinheit entgegen getreten wie im Dom zu Havelberg. In blendendes
Weiß gekleidet, steigen die Säulen des Mittelschiffes zu bedeutender Höhe auf,
die Seitenschiffe fast um das dreifache Maaß überragend. Elegant geformte
Fenster und zierliche Galerien unter ihnen fügen sich in die weiten Flächen
der Wandung ein, und, gegen das energische Licht im Mittelschiffe halb ver¬
schleiert, schließen sich Seitenschiffe und Grabkapellen an, in denen noch die
dunkle Farbenpracht ächter, alter Glasmalerei prangt. Künstlerisch sehr
werthvolle Schranken, ein sogenannter Lettner, trennen, wie einst in allen
bischöflichen Kathedralen das Allerheiligste der Kirche, den hohen Chor, von
dem Langschiffe, und hinter ihnen erglänzt der Chorraum und der reiche
Hochaltar in goldigem Scheine, den die gelbgemusterten Fenster des ab¬
schließenden Polygons höchst wirksam auf Gewölbefüllungen und Bildwerke
hineinwerfen.

Der Dom ist jetzt noch außerordentlich reich an Grabsteinen und Erinnerungs¬
zeichen aus alter Zeit, er hat deren einst solche Fülle gehabt, daß in seiner
ganzen Umgebung Leichensteine mit schönster, altgothischer Schrift zersägt zur
Pflasterung gebraucht worden sind. An einem Pfeiler des nördlichen Seiten¬
schiffs begegnen wir zunächst einer nicht ohne Verdienst gemeißelten weiblichen
Figur, — der rothe Schein eines Heiligengewandes aus den gemalten Fenstern
fällt grade auf den Rosenstrauß, den die jung verstorbene Unterbaue zwischen
den Händen hält. Um die Wappen von Geschlechtern, deren Namen jetzt
schon lange verklungen sind, um die ritterliche Wehr der Weder, Behren,
Pladies und Samptleben zittern die wechselnden Reflexe des blauen Teppich¬
grundes aus den Glasgemälden. Von ähnlichen Steinen sind die Grab¬
kapellen des Doms überfüllt, aber der Fuß der Kirchenbesucher hat Wappen,
Namen, Gewandung und Züge aus dem Bas-Relief abgeschliffen, kaum ist
noch eine Jahreszahl, ein Amen lesbar. Nur im südlichen Chöre sind die
Grabsteine etwas besser erhalten, da treffen wir die wohlbekannten Wappen¬
zeichen der Bredow, Badendieck, Moltke, Malzahn, die Namen Schönhausen,
Möllendorf, Quitzow. Es begegnen uns auf den Grabsteinen fast nur Dom¬
herren oder Bischöfe. Sämmtlich tragen sie ihr Mönchskleid, den Prämon-
stratenser-Habit, die Dompröpste darüber die ihnen eigenthümliche Pelzkleidung.
Manche dieser Gestalten mit dem friedlich gesenkten Haupte, dem Priesterkelche
und einem Palmenzweige, prägt sich fest dem Gedächtniß ein als ein Denkmal
froh ergebenen Todes und stiller Grabesruhe. Außerordentlich werthvolle
Grabsteine erhalten die Gestalten von Bischöfen aus den Geschlechtern Barde¬
leben, Putlitz, Königsmark und Schlabrendorf. Unter gothischen Baldachinen
oder reichen Laubgewinden ruhen die Herren im geistlichen Ornate vor uns.
Ein Kleinod unter diesen Grabsteinen ist das Denkmal Burchard's von Barde-


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[0419] Der Adel der deutschen Baukunst ist uns in keiner Kirche der Mark in solcher Reinheit entgegen getreten wie im Dom zu Havelberg. In blendendes Weiß gekleidet, steigen die Säulen des Mittelschiffes zu bedeutender Höhe auf, die Seitenschiffe fast um das dreifache Maaß überragend. Elegant geformte Fenster und zierliche Galerien unter ihnen fügen sich in die weiten Flächen der Wandung ein, und, gegen das energische Licht im Mittelschiffe halb ver¬ schleiert, schließen sich Seitenschiffe und Grabkapellen an, in denen noch die dunkle Farbenpracht ächter, alter Glasmalerei prangt. Künstlerisch sehr werthvolle Schranken, ein sogenannter Lettner, trennen, wie einst in allen bischöflichen Kathedralen das Allerheiligste der Kirche, den hohen Chor, von dem Langschiffe, und hinter ihnen erglänzt der Chorraum und der reiche Hochaltar in goldigem Scheine, den die gelbgemusterten Fenster des ab¬ schließenden Polygons höchst wirksam auf Gewölbefüllungen und Bildwerke hineinwerfen. Der Dom ist jetzt noch außerordentlich reich an Grabsteinen und Erinnerungs¬ zeichen aus alter Zeit, er hat deren einst solche Fülle gehabt, daß in seiner ganzen Umgebung Leichensteine mit schönster, altgothischer Schrift zersägt zur Pflasterung gebraucht worden sind. An einem Pfeiler des nördlichen Seiten¬ schiffs begegnen wir zunächst einer nicht ohne Verdienst gemeißelten weiblichen Figur, — der rothe Schein eines Heiligengewandes aus den gemalten Fenstern fällt grade auf den Rosenstrauß, den die jung verstorbene Unterbaue zwischen den Händen hält. Um die Wappen von Geschlechtern, deren Namen jetzt schon lange verklungen sind, um die ritterliche Wehr der Weder, Behren, Pladies und Samptleben zittern die wechselnden Reflexe des blauen Teppich¬ grundes aus den Glasgemälden. Von ähnlichen Steinen sind die Grab¬ kapellen des Doms überfüllt, aber der Fuß der Kirchenbesucher hat Wappen, Namen, Gewandung und Züge aus dem Bas-Relief abgeschliffen, kaum ist noch eine Jahreszahl, ein Amen lesbar. Nur im südlichen Chöre sind die Grabsteine etwas besser erhalten, da treffen wir die wohlbekannten Wappen¬ zeichen der Bredow, Badendieck, Moltke, Malzahn, die Namen Schönhausen, Möllendorf, Quitzow. Es begegnen uns auf den Grabsteinen fast nur Dom¬ herren oder Bischöfe. Sämmtlich tragen sie ihr Mönchskleid, den Prämon- stratenser-Habit, die Dompröpste darüber die ihnen eigenthümliche Pelzkleidung. Manche dieser Gestalten mit dem friedlich gesenkten Haupte, dem Priesterkelche und einem Palmenzweige, prägt sich fest dem Gedächtniß ein als ein Denkmal froh ergebenen Todes und stiller Grabesruhe. Außerordentlich werthvolle Grabsteine erhalten die Gestalten von Bischöfen aus den Geschlechtern Barde¬ leben, Putlitz, Königsmark und Schlabrendorf. Unter gothischen Baldachinen oder reichen Laubgewinden ruhen die Herren im geistlichen Ornate vor uns. Ein Kleinod unter diesen Grabsteinen ist das Denkmal Burchard's von Barde-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/419>, abgerufen am 03.07.2024.