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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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Plänen und gewannen ihm bald den ersten Sieg. Jetzt waren sie abermals
unterwegs: was, sollte der Kaiser nicht auch diesmal kommen?"*) -- Und
er kam. Er sah, wie ihm seine große Armee entgegengeführt, grade auf dem
Wege nach seiner Hauptstadt echelonirt wurde. Mit 1100 Mann schiffte
er sich aus Elba ein und an Bord diktirte er die berühmten Procla-
mationen an das französische Volk und die französische Armee. In der erste¬
ren wurde das ganze Unglück des Feldzuges von 1814 dem "Abfall und Ver¬
rath" Augereau's und Marmont's zugeschrieben, und die andere begann mit
den Worten: "Soldaten! wir sind nicht besiegt worden. Zwei, die
aus unsern Reihen getreten, haben Verrath begangen an unsern Lorbeern, an
ihrem Lande, ihrem Fürsten, ihrem Wohlthäter." Es war das typische, bei
jedem Unglücke Frankreichs so widerwärtig laut erklingende Verrathsgeschrei;
aber es wirkte. Man weiß, in welcher unerhörten Weise die Truppen, welche
Napoleon auf seinem Wege antraf, widerstandslos zu seinen Füßen sanken.
Dazu kam, daß von dem Augenblicke an, wo der Kaiser den französischen Bo¬
den betreten, er sich als ein Mann darstellte, der durch das Unglück, durch
die Betrachtungen des Exils aufgeklärt sei. Seine Proklamationen, feine An¬
sprachen athmeten die Liebe zum Frieden und die Achtung vor der De¬
mokratie, vor der Freiheit. -- Leicht sind die Massen dem Vertrauen zugäng¬
lich, der Täuschung. Sie ließen sich hinreißen von dieser neuen Sprache und
glaubten an die Dauer des Friedens unter derRegierung Na¬
poleon's.**) Binnen wenigen Tagen residirte der Kaiser zu Lyon und erließ
jene Decrete, durch welche er den alten Adel abschaffte, alle Generale und
Officiere, die seit dem 1. April 1814 in die Armee gekommen und die ent¬
weder emigrirt oder zur Zeit der ersten Coalition aus dem Dienst getreten
waren, ihrer Stellen enthob und an ihren Wohnort verwies und endlich die
kaiserliche Garde aus lauter Soldaten von zwölf Dienstjahren neu errichtete.

Gegenüber diesen Maßregeln verordnete der König die Einberufung aller
auf halben Sold gesetzten Officiere und der alten Soldaten, wodurch die Armee
bis zum 1. April um 20,000 kriegsgewohnte Soldaten vermehrt wurde. Außer¬
dem wurde eine allgemeine Organisation der Nationalgarten des Königreichs
befohlen, theils zum Wachtdienst, theils zu Freischaaren. Der König bat diese,
die Charte als ihr Vereinigungszeichen zu betrachten, und richtete eine Ansprache
an das Heer, in welcher er abermals von seinem Stolz auf dessen Siege redete
und versprach, aus der Elite der treuen Soldaten selbst fortan Officiere zu
wählen. -- Nicht ganz ohne Erfolg war der Aufruf an die Nationalgarten.
Zumal in Paris drängten sich die Royalisten zum Eintritt in die Reihen der




*) Ott. a. a. O.
") (Nsri-!"L: Listoirs Ä6 la LÄMpitgue us 181S.

Plänen und gewannen ihm bald den ersten Sieg. Jetzt waren sie abermals
unterwegs: was, sollte der Kaiser nicht auch diesmal kommen?"*) — Und
er kam. Er sah, wie ihm seine große Armee entgegengeführt, grade auf dem
Wege nach seiner Hauptstadt echelonirt wurde. Mit 1100 Mann schiffte
er sich aus Elba ein und an Bord diktirte er die berühmten Procla-
mationen an das französische Volk und die französische Armee. In der erste¬
ren wurde das ganze Unglück des Feldzuges von 1814 dem „Abfall und Ver¬
rath" Augereau's und Marmont's zugeschrieben, und die andere begann mit
den Worten: „Soldaten! wir sind nicht besiegt worden. Zwei, die
aus unsern Reihen getreten, haben Verrath begangen an unsern Lorbeern, an
ihrem Lande, ihrem Fürsten, ihrem Wohlthäter." Es war das typische, bei
jedem Unglücke Frankreichs so widerwärtig laut erklingende Verrathsgeschrei;
aber es wirkte. Man weiß, in welcher unerhörten Weise die Truppen, welche
Napoleon auf seinem Wege antraf, widerstandslos zu seinen Füßen sanken.
Dazu kam, daß von dem Augenblicke an, wo der Kaiser den französischen Bo¬
den betreten, er sich als ein Mann darstellte, der durch das Unglück, durch
die Betrachtungen des Exils aufgeklärt sei. Seine Proklamationen, feine An¬
sprachen athmeten die Liebe zum Frieden und die Achtung vor der De¬
mokratie, vor der Freiheit. — Leicht sind die Massen dem Vertrauen zugäng¬
lich, der Täuschung. Sie ließen sich hinreißen von dieser neuen Sprache und
glaubten an die Dauer des Friedens unter derRegierung Na¬
poleon's.**) Binnen wenigen Tagen residirte der Kaiser zu Lyon und erließ
jene Decrete, durch welche er den alten Adel abschaffte, alle Generale und
Officiere, die seit dem 1. April 1814 in die Armee gekommen und die ent¬
weder emigrirt oder zur Zeit der ersten Coalition aus dem Dienst getreten
waren, ihrer Stellen enthob und an ihren Wohnort verwies und endlich die
kaiserliche Garde aus lauter Soldaten von zwölf Dienstjahren neu errichtete.

Gegenüber diesen Maßregeln verordnete der König die Einberufung aller
auf halben Sold gesetzten Officiere und der alten Soldaten, wodurch die Armee
bis zum 1. April um 20,000 kriegsgewohnte Soldaten vermehrt wurde. Außer¬
dem wurde eine allgemeine Organisation der Nationalgarten des Königreichs
befohlen, theils zum Wachtdienst, theils zu Freischaaren. Der König bat diese,
die Charte als ihr Vereinigungszeichen zu betrachten, und richtete eine Ansprache
an das Heer, in welcher er abermals von seinem Stolz auf dessen Siege redete
und versprach, aus der Elite der treuen Soldaten selbst fortan Officiere zu
wählen. — Nicht ganz ohne Erfolg war der Aufruf an die Nationalgarten.
Zumal in Paris drängten sich die Royalisten zum Eintritt in die Reihen der




*) Ott. a. a. O.
") (Nsri-!»L: Listoirs Ä6 la LÄMpitgue us 181S.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/406>, abgerufen am 22.12.2024.