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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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Die provisorische Regierung hatte einen der leidenschaftlichsten Gegner
Napoleon's, den General Duy ont, den Mann der Capitulation von Baylen,
zum Kriegsminister ernannt. Er, der in der napoleonischen Armee für be¬
schütten galt, konnte diese Stellung den Bourbonen gegenüber nur durch
unbedingtes Eingehen in die Absichten der royalistischen Partei behaupten.
Die allgemeinen Maßnahmen, welche die königlichen Ordonnanzen vom 12. Mai
1814 vorschrieben, muß man als practisch anerkennen. Die bisherigen Regi¬
menter wurden nicht aufgelöst, aber unter neuen Nummern sorgfältig refor-
mirt: die Infanterie in 107 Regimentern zu drei Bataillonen*), die Reiterei
in 61**), die Artillerie in 12***), das Genie in 3 RegimenternUnter
Einrechnung der Dispositionsurlauber isewestriers) zählte man darauf, ein
Heer von 150,000 Mann Infanterie, 32.000 Pferden und 16,000 Artilleristen
aufstellen zu können. -- Thatsächlich disponirte die Regierung am 1. Jan. 1813
über 165,000 Mann marschbereiter, vortrefflich ausgerüsteter Truppen, ferner
über 50,000 Mann in den Depots, 10.000 Veteranen in 120 Compagnien
und 14,000 Gendarmen zu Roß und zu Fuß. Es war das in der That eine
Achtung gebietende Macht.

Die Neuorganisation der Regimenter hatte aber eine Seite, welche tiefe
Mißstimmung in der Armee verbreitete. Man ging nämlich gleichzeitig darauf
aus, alle entschiedenen Buonapartisten zu beseitigen und Raum zu schaffen für
solche Anhänger der königlichen Sache, denen man Belohnung oder Entschä¬
digung schuldig zu sein glaubte. So wurde denn eine große Anzahl von Of-
ficieren in das Heer eingereiht, welche ihre Dienste in der Emigranten-Armee
des Prinzen von Conde' und in den verschiedenen Aufständen der Vend6e ge¬
leistet, oder geleistet zu haben behaupteten. Da nun mit diesen Neuanstel¬
lungen eine doch beträchtliche Reducirung der Armee Hand in Hand ging, so
wurden 15 bis 16,000 napoleonische Officiere auf Wartegeld
entlassen. Man kann sich denken, wie das wirkte! Dazu kam aber noch
ein zweites, tiefe Unzufriedenheit erregendes Moment: die Neueinrichtung






*) Nur die 2 aus der alten Garde errichteten Regimenter hatten 4 Bataillone. Ä I"
Suno jedes Regiments befand sich der Cadre von Officieren für noch ein Bataillon. Jedes
Bataillon hatte 6 Compagnien. -- Man zählte W Linien- und 25 leichte Regimenter, dazu 2
Corps royaux.
") Es waren 12 Kürassier-, 2 Carabine", Is Dragoner-, 0 Lanziers-, 15 Chasseurs- und
7 Husaren-Regimenter; dazu 4 Corps royaux. Jedes Regiment hatte vier Escadrons und den
Officier-Cadre zu einer fünften.
*") Es waren 8 Regimenter Fuß-Artillerie zu je 21 Compagnien, 4 Regimenter reitende
Artillerie zu je 6 Compagnien. -- Dazu kamen ein Bataillon Pontonniere, 4 Train-Escadrons,
12 Compagnien Artillerie-Arveiter.
I) Zu je 12 Compagnien. -- Dazu: 2 Bataillons d'Equipages militaires, 1 Compagnie
Train dn gönie und 1 Arbeiter-Compagnie. (Nach Charras.)

Die provisorische Regierung hatte einen der leidenschaftlichsten Gegner
Napoleon's, den General Duy ont, den Mann der Capitulation von Baylen,
zum Kriegsminister ernannt. Er, der in der napoleonischen Armee für be¬
schütten galt, konnte diese Stellung den Bourbonen gegenüber nur durch
unbedingtes Eingehen in die Absichten der royalistischen Partei behaupten.
Die allgemeinen Maßnahmen, welche die königlichen Ordonnanzen vom 12. Mai
1814 vorschrieben, muß man als practisch anerkennen. Die bisherigen Regi¬
menter wurden nicht aufgelöst, aber unter neuen Nummern sorgfältig refor-
mirt: die Infanterie in 107 Regimentern zu drei Bataillonen*), die Reiterei
in 61**), die Artillerie in 12***), das Genie in 3 RegimenternUnter
Einrechnung der Dispositionsurlauber isewestriers) zählte man darauf, ein
Heer von 150,000 Mann Infanterie, 32.000 Pferden und 16,000 Artilleristen
aufstellen zu können. — Thatsächlich disponirte die Regierung am 1. Jan. 1813
über 165,000 Mann marschbereiter, vortrefflich ausgerüsteter Truppen, ferner
über 50,000 Mann in den Depots, 10.000 Veteranen in 120 Compagnien
und 14,000 Gendarmen zu Roß und zu Fuß. Es war das in der That eine
Achtung gebietende Macht.

Die Neuorganisation der Regimenter hatte aber eine Seite, welche tiefe
Mißstimmung in der Armee verbreitete. Man ging nämlich gleichzeitig darauf
aus, alle entschiedenen Buonapartisten zu beseitigen und Raum zu schaffen für
solche Anhänger der königlichen Sache, denen man Belohnung oder Entschä¬
digung schuldig zu sein glaubte. So wurde denn eine große Anzahl von Of-
ficieren in das Heer eingereiht, welche ihre Dienste in der Emigranten-Armee
des Prinzen von Conde' und in den verschiedenen Aufständen der Vend6e ge¬
leistet, oder geleistet zu haben behaupteten. Da nun mit diesen Neuanstel¬
lungen eine doch beträchtliche Reducirung der Armee Hand in Hand ging, so
wurden 15 bis 16,000 napoleonische Officiere auf Wartegeld
entlassen. Man kann sich denken, wie das wirkte! Dazu kam aber noch
ein zweites, tiefe Unzufriedenheit erregendes Moment: die Neueinrichtung






*) Nur die 2 aus der alten Garde errichteten Regimenter hatten 4 Bataillone. Ä I»
Suno jedes Regiments befand sich der Cadre von Officieren für noch ein Bataillon. Jedes
Bataillon hatte 6 Compagnien. — Man zählte W Linien- und 25 leichte Regimenter, dazu 2
Corps royaux.
") Es waren 12 Kürassier-, 2 Carabine», Is Dragoner-, 0 Lanziers-, 15 Chasseurs- und
7 Husaren-Regimenter; dazu 4 Corps royaux. Jedes Regiment hatte vier Escadrons und den
Officier-Cadre zu einer fünften.
*") Es waren 8 Regimenter Fuß-Artillerie zu je 21 Compagnien, 4 Regimenter reitende
Artillerie zu je 6 Compagnien. — Dazu kamen ein Bataillon Pontonniere, 4 Train-Escadrons,
12 Compagnien Artillerie-Arveiter.
I) Zu je 12 Compagnien. — Dazu: 2 Bataillons d'Equipages militaires, 1 Compagnie
Train dn gönie und 1 Arbeiter-Compagnie. (Nach Charras.)
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[0402] Die provisorische Regierung hatte einen der leidenschaftlichsten Gegner Napoleon's, den General Duy ont, den Mann der Capitulation von Baylen, zum Kriegsminister ernannt. Er, der in der napoleonischen Armee für be¬ schütten galt, konnte diese Stellung den Bourbonen gegenüber nur durch unbedingtes Eingehen in die Absichten der royalistischen Partei behaupten. Die allgemeinen Maßnahmen, welche die königlichen Ordonnanzen vom 12. Mai 1814 vorschrieben, muß man als practisch anerkennen. Die bisherigen Regi¬ menter wurden nicht aufgelöst, aber unter neuen Nummern sorgfältig refor- mirt: die Infanterie in 107 Regimentern zu drei Bataillonen*), die Reiterei in 61**), die Artillerie in 12***), das Genie in 3 RegimenternUnter Einrechnung der Dispositionsurlauber isewestriers) zählte man darauf, ein Heer von 150,000 Mann Infanterie, 32.000 Pferden und 16,000 Artilleristen aufstellen zu können. — Thatsächlich disponirte die Regierung am 1. Jan. 1813 über 165,000 Mann marschbereiter, vortrefflich ausgerüsteter Truppen, ferner über 50,000 Mann in den Depots, 10.000 Veteranen in 120 Compagnien und 14,000 Gendarmen zu Roß und zu Fuß. Es war das in der That eine Achtung gebietende Macht. Die Neuorganisation der Regimenter hatte aber eine Seite, welche tiefe Mißstimmung in der Armee verbreitete. Man ging nämlich gleichzeitig darauf aus, alle entschiedenen Buonapartisten zu beseitigen und Raum zu schaffen für solche Anhänger der königlichen Sache, denen man Belohnung oder Entschä¬ digung schuldig zu sein glaubte. So wurde denn eine große Anzahl von Of- ficieren in das Heer eingereiht, welche ihre Dienste in der Emigranten-Armee des Prinzen von Conde' und in den verschiedenen Aufständen der Vend6e ge¬ leistet, oder geleistet zu haben behaupteten. Da nun mit diesen Neuanstel¬ lungen eine doch beträchtliche Reducirung der Armee Hand in Hand ging, so wurden 15 bis 16,000 napoleonische Officiere auf Wartegeld entlassen. Man kann sich denken, wie das wirkte! Dazu kam aber noch ein zweites, tiefe Unzufriedenheit erregendes Moment: die Neueinrichtung *) Nur die 2 aus der alten Garde errichteten Regimenter hatten 4 Bataillone. Ä I» Suno jedes Regiments befand sich der Cadre von Officieren für noch ein Bataillon. Jedes Bataillon hatte 6 Compagnien. — Man zählte W Linien- und 25 leichte Regimenter, dazu 2 Corps royaux. ") Es waren 12 Kürassier-, 2 Carabine», Is Dragoner-, 0 Lanziers-, 15 Chasseurs- und 7 Husaren-Regimenter; dazu 4 Corps royaux. Jedes Regiment hatte vier Escadrons und den Officier-Cadre zu einer fünften. *") Es waren 8 Regimenter Fuß-Artillerie zu je 21 Compagnien, 4 Regimenter reitende Artillerie zu je 6 Compagnien. — Dazu kamen ein Bataillon Pontonniere, 4 Train-Escadrons, 12 Compagnien Artillerie-Arveiter. I) Zu je 12 Compagnien. — Dazu: 2 Bataillons d'Equipages militaires, 1 Compagnie Train dn gönie und 1 Arbeiter-Compagnie. (Nach Charras.)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/402>, abgerufen am 22.07.2024.