Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.sein Leben über ausgezeichnetem Whiskey-Toddy. Nun halte man einmal da¬ Der Schlafsaal liegt unmittelbar über dem Refectorium und hat dieselben "Sie müssen's hier im Sommer furchtbar heiß haben", bemerkte ich mei¬ "Vielleicht ist's so", erwiederte er. "Aber mag sein; wir haben kaum Zeit, Er zog einen der Vorhänge bei Seite, ich trat vor und fühlte -- bald "Wie können Sie das nur aushalten?" fragte ich verwundert. Er sagte, zuerst wäre es ihm ein wenig seltsam vorgekommen, aber die Auch bei mir wurde, wie ich glaube, einige Trauer sichtbar, als ich jetzt Grenzboten III. 1872.
sein Leben über ausgezeichnetem Whiskey-Toddy. Nun halte man einmal da¬ Der Schlafsaal liegt unmittelbar über dem Refectorium und hat dieselben „Sie müssen's hier im Sommer furchtbar heiß haben", bemerkte ich mei¬ „Vielleicht ist's so", erwiederte er. „Aber mag sein; wir haben kaum Zeit, Er zog einen der Vorhänge bei Seite, ich trat vor und fühlte — bald „Wie können Sie das nur aushalten?" fragte ich verwundert. Er sagte, zuerst wäre es ihm ein wenig seltsam vorgekommen, aber die Auch bei mir wurde, wie ich glaube, einige Trauer sichtbar, als ich jetzt Grenzboten III. 1872.
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0393" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/128321"/> <p xml:id="ID_1328" prev="#ID_1327"> sein Leben über ausgezeichnetem Whiskey-Toddy. Nun halte man einmal da¬<lb/> ran so ein Trappistengelage!</p><lb/> <p xml:id="ID_1329"> Der Schlafsaal liegt unmittelbar über dem Refectorium und hat dieselben<lb/> Dimensionen, ist aber durchaus kein angenehmer Ort. Die Schlafstellen sind<lb/> schmal wie Pferdestände und mit Vorhängen den Blicken entzogen, und die<lb/> beiden Reihen derselben, die auf jeder Wandseite von der einen schmalen Seite<lb/> bis zur andern laufen, füllen das Gemach so sehr, daß der Mittelgang zwi¬<lb/> schen ihnen sehr eng ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_1330"> „Sie müssen's hier im Sommer furchtbar heiß haben", bemerkte ich mei¬<lb/> nem Führer.</p><lb/> <p xml:id="ID_1331"> „Vielleicht ist's so", erwiederte er. „Aber mag sein; wir haben kaum Zeit,<lb/> an die Temperatur zu denken, wenn wir hierher kommen. Dann sind auch<lb/> unsere Betten so eingerichtet, daß sie uns kühl halten", setzte er hinzu. „Füh¬<lb/> len Sie nur mal eins an — gleichviel, welches; denn sie sind alle gleich."</p><lb/> <p xml:id="ID_1332"> Er zog einen der Vorhänge bei Seite, ich trat vor und fühlte — bald<lb/> hätte ich gesagt, das Bett an; aber ich will den Namen des lieben guten<lb/> Hausgeräthes lieber nicht entweihen. Der Gegenstand, aus welchem ein Trap¬<lb/> pist sein Bischen Schlaf abmacht, mag eine Matratze und von Menschenhand<lb/> angefertigt sein, aber er hat nicht viel mehr Weiche und Elasticität, als ob<lb/> er aus dem Herzen ewiger Berge gehauen wäre. Und das Kopfkissen war,<lb/> glaub' ich, noch schlimmer als die Matratze; denn diese war zwar hart,<lb/> aber doch glatt, jenes aber war hart und überdieß voll Buckel und Vertie¬<lb/> fungen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1333"> „Wie können Sie das nur aushalten?" fragte ich verwundert.</p><lb/> <p xml:id="ID_1334"> Er sagte, zuerst wäre es ihm ein wenig seltsam vorgekommen, aber die<lb/> Gewöhnung daran hätte den Unterschied zwischen diesen und andern Betten<lb/> vergessen lassen. Uebrigens möchte ich doch bedenken, daß jemand, wenn er<lb/> 'Tag für Tag und Jahr auf Jahr von vierundzwanzig Stunden täglich nur<lb/> sechs zum Ausschlafen hätte, und wenn er überdieß die übrigbleibenden acht¬<lb/> zehn auf anstrengende körperliche Arbeit oder auf geistliche Uebungen verwen¬<lb/> den müßte, welche sein leiblich Theil ganz ebenso mitnehmen, sehr wenig an die<lb/> Beschaffenheit der Stelle dächte, wo er schliefe. Das Einzige, worauf er sein<lb/> Augenmerk richtete, wäre das Signal, welches ihm erlaubte, die Augen zu<lb/> schließen. Und mein biederer Begleiter sah sehr traurig, aber auch sehr er¬<lb/> geben aus.</p><lb/> <p xml:id="ID_1335" next="#ID_1336"> Auch bei mir wurde, wie ich glaube, einige Trauer sichtbar, als ich jetzt<lb/> in mehr oder weniger unbeholfener Weise anfing, mich von meiner Zusage,<lb/> die Nacht hier zu bleiben, wegschlängeln zu wollen. „Warten Sie einen Au¬<lb/> genblick", sagte er mich unterbrechend, „wir sind jetzt im eigentlichen Kloster,</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III. 1872.</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0393]
sein Leben über ausgezeichnetem Whiskey-Toddy. Nun halte man einmal da¬
ran so ein Trappistengelage!
Der Schlafsaal liegt unmittelbar über dem Refectorium und hat dieselben
Dimensionen, ist aber durchaus kein angenehmer Ort. Die Schlafstellen sind
schmal wie Pferdestände und mit Vorhängen den Blicken entzogen, und die
beiden Reihen derselben, die auf jeder Wandseite von der einen schmalen Seite
bis zur andern laufen, füllen das Gemach so sehr, daß der Mittelgang zwi¬
schen ihnen sehr eng ist.
„Sie müssen's hier im Sommer furchtbar heiß haben", bemerkte ich mei¬
nem Führer.
„Vielleicht ist's so", erwiederte er. „Aber mag sein; wir haben kaum Zeit,
an die Temperatur zu denken, wenn wir hierher kommen. Dann sind auch
unsere Betten so eingerichtet, daß sie uns kühl halten", setzte er hinzu. „Füh¬
len Sie nur mal eins an — gleichviel, welches; denn sie sind alle gleich."
Er zog einen der Vorhänge bei Seite, ich trat vor und fühlte — bald
hätte ich gesagt, das Bett an; aber ich will den Namen des lieben guten
Hausgeräthes lieber nicht entweihen. Der Gegenstand, aus welchem ein Trap¬
pist sein Bischen Schlaf abmacht, mag eine Matratze und von Menschenhand
angefertigt sein, aber er hat nicht viel mehr Weiche und Elasticität, als ob
er aus dem Herzen ewiger Berge gehauen wäre. Und das Kopfkissen war,
glaub' ich, noch schlimmer als die Matratze; denn diese war zwar hart,
aber doch glatt, jenes aber war hart und überdieß voll Buckel und Vertie¬
fungen.
„Wie können Sie das nur aushalten?" fragte ich verwundert.
Er sagte, zuerst wäre es ihm ein wenig seltsam vorgekommen, aber die
Gewöhnung daran hätte den Unterschied zwischen diesen und andern Betten
vergessen lassen. Uebrigens möchte ich doch bedenken, daß jemand, wenn er
'Tag für Tag und Jahr auf Jahr von vierundzwanzig Stunden täglich nur
sechs zum Ausschlafen hätte, und wenn er überdieß die übrigbleibenden acht¬
zehn auf anstrengende körperliche Arbeit oder auf geistliche Uebungen verwen¬
den müßte, welche sein leiblich Theil ganz ebenso mitnehmen, sehr wenig an die
Beschaffenheit der Stelle dächte, wo er schliefe. Das Einzige, worauf er sein
Augenmerk richtete, wäre das Signal, welches ihm erlaubte, die Augen zu
schließen. Und mein biederer Begleiter sah sehr traurig, aber auch sehr er¬
geben aus.
Auch bei mir wurde, wie ich glaube, einige Trauer sichtbar, als ich jetzt
in mehr oder weniger unbeholfener Weise anfing, mich von meiner Zusage,
die Nacht hier zu bleiben, wegschlängeln zu wollen. „Warten Sie einen Au¬
genblick", sagte er mich unterbrechend, „wir sind jetzt im eigentlichen Kloster,
Grenzboten III. 1872.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |