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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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und nach Burgas am schwarzen Meere, südlich nach Eros am ägciischen
Meere ist bereits erfolgt; endlich wird gegenwärtig neben der Hauptlinie Bel¬
grad-Konstantinopel vorzugsweise der Ausbau der sehr wichtigen Verbindungs¬
route vom adriatischen Meere (Karlstadt) nach dem Hafen von Salonich über
Sissek, Trawnik, Serajewo, Novibosar, Pristina auf dem historisch bemerkens¬
werthen Amselfeld und über Uesküp gefördert, eine Verbindung, deren Werth
nach Herstellung der Linie Karlstadt-Sissek für den westeuropäisch-asiatischen
Verkehr wahrscheinlich erheblich steigen wird; denn sie scheint dazu geeignet zu
sein, bis zur Vollendung der Hauptlinie Konstantinopel-Basra in ähnlicher
Weise, wie einst die Brenner- und Mont-Cenis-Linie die Marseiller Route er¬
setzten, so die Linie London-Brindisi-Suez in eine Linie London-Salonich-Suez
umzuwandeln, eine neue Perspective für die Verschiebungen der europäisch-asia¬
tischen Weltverkehrsstraße. Der Boden, auf welchem Salonich liegt, ist bekannt¬
lich ein klassischer: die Halbinsel Chalcidiae, deren östlichen Ausläufer der alte
Athos (jetzt Hagion Oro) bildet, welchen einst Xerxes durchstechen ließ, um
seine Flotten sicher gegen Hellas zu führen.

Ungleich schwieriger als auf der Strecke Belgrad-Konstantinopel erscheint
die Ausführung des Baues auf der von den Cultursitzen weit entfernten Route
Konstantinopel-Basra. Eine türkische Staatscommission hat neuerdings die
Terrainverhältnisse in Kleinasien erforscht und den Bau einer Bahn von
Skutari nach Jzmid auf Staatskosten befürwortet. Wie der Telegraph kürz¬
lich berichtete, ist in Folge dessen der Bau der Bahn nach Jzmid und Angora
von der türkischen Negierung bereits angeordnet worden. Die weitere Linie
steht noch nicht fest. Von Angora würde die Bahn am Ufer des Sakaria
(Sangarius) und an den Bergketten des Kurumlu und Karakam-Dag entlang
durch fruchtbare Ebenen nach Sevri-Hassar gehen müssen, das etwa den Mit¬
telpunkt des türkischen Kleinasiens bildet und von wo eine Zweigbahn nach
Smyrna zu projectiren wäre; sodann würde in südöstlicher Richtung von
Sevri-Hassar aus bei dem alten Cäsarea (Kaissarieh) vorbei und über Diar-
bekir, das mit Aleppo und der kleinasiatischen Küste durch Schienenwege zu
verbinden wäre, nach dem Euphrat-Thale zu bauen und an dem Ufer des
Euphrat-Tigris entlang bei Müsul (Ninive) vorbei, Basra zu erreichen sein,
der Garten Mohammed's, von wo schnelle Dampfer in 150 Stunden nach
Bombay (1800 engl. Meilen Entfernung) gelangen. Die Entfernung von
London bis Konstantinopel würde bei der Wahl der möglichst kürzesten Route
auf etwa 300 deutsche Meilen, auf nicht viel weniger möchte die Strecke Kon-
stantinopel-Basra zu veranschlagen sein. Bei directen Anschlüssen könnte
danach Basra von London in 120 Stunden erreicht werden, Bombay in
270 Stunden oder etwa 11 Tagen. Der Vortheil der Euphratthalbahn gegen
die. Suez-Canal-Route beträgt in Bezug auf die Entfernung etwa 1000 engl.


und nach Burgas am schwarzen Meere, südlich nach Eros am ägciischen
Meere ist bereits erfolgt; endlich wird gegenwärtig neben der Hauptlinie Bel¬
grad-Konstantinopel vorzugsweise der Ausbau der sehr wichtigen Verbindungs¬
route vom adriatischen Meere (Karlstadt) nach dem Hafen von Salonich über
Sissek, Trawnik, Serajewo, Novibosar, Pristina auf dem historisch bemerkens¬
werthen Amselfeld und über Uesküp gefördert, eine Verbindung, deren Werth
nach Herstellung der Linie Karlstadt-Sissek für den westeuropäisch-asiatischen
Verkehr wahrscheinlich erheblich steigen wird; denn sie scheint dazu geeignet zu
sein, bis zur Vollendung der Hauptlinie Konstantinopel-Basra in ähnlicher
Weise, wie einst die Brenner- und Mont-Cenis-Linie die Marseiller Route er¬
setzten, so die Linie London-Brindisi-Suez in eine Linie London-Salonich-Suez
umzuwandeln, eine neue Perspective für die Verschiebungen der europäisch-asia¬
tischen Weltverkehrsstraße. Der Boden, auf welchem Salonich liegt, ist bekannt¬
lich ein klassischer: die Halbinsel Chalcidiae, deren östlichen Ausläufer der alte
Athos (jetzt Hagion Oro) bildet, welchen einst Xerxes durchstechen ließ, um
seine Flotten sicher gegen Hellas zu führen.

Ungleich schwieriger als auf der Strecke Belgrad-Konstantinopel erscheint
die Ausführung des Baues auf der von den Cultursitzen weit entfernten Route
Konstantinopel-Basra. Eine türkische Staatscommission hat neuerdings die
Terrainverhältnisse in Kleinasien erforscht und den Bau einer Bahn von
Skutari nach Jzmid auf Staatskosten befürwortet. Wie der Telegraph kürz¬
lich berichtete, ist in Folge dessen der Bau der Bahn nach Jzmid und Angora
von der türkischen Negierung bereits angeordnet worden. Die weitere Linie
steht noch nicht fest. Von Angora würde die Bahn am Ufer des Sakaria
(Sangarius) und an den Bergketten des Kurumlu und Karakam-Dag entlang
durch fruchtbare Ebenen nach Sevri-Hassar gehen müssen, das etwa den Mit¬
telpunkt des türkischen Kleinasiens bildet und von wo eine Zweigbahn nach
Smyrna zu projectiren wäre; sodann würde in südöstlicher Richtung von
Sevri-Hassar aus bei dem alten Cäsarea (Kaissarieh) vorbei und über Diar-
bekir, das mit Aleppo und der kleinasiatischen Küste durch Schienenwege zu
verbinden wäre, nach dem Euphrat-Thale zu bauen und an dem Ufer des
Euphrat-Tigris entlang bei Müsul (Ninive) vorbei, Basra zu erreichen sein,
der Garten Mohammed's, von wo schnelle Dampfer in 150 Stunden nach
Bombay (1800 engl. Meilen Entfernung) gelangen. Die Entfernung von
London bis Konstantinopel würde bei der Wahl der möglichst kürzesten Route
auf etwa 300 deutsche Meilen, auf nicht viel weniger möchte die Strecke Kon-
stantinopel-Basra zu veranschlagen sein. Bei directen Anschlüssen könnte
danach Basra von London in 120 Stunden erreicht werden, Bombay in
270 Stunden oder etwa 11 Tagen. Der Vortheil der Euphratthalbahn gegen
die. Suez-Canal-Route beträgt in Bezug auf die Entfernung etwa 1000 engl.


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[0346] und nach Burgas am schwarzen Meere, südlich nach Eros am ägciischen Meere ist bereits erfolgt; endlich wird gegenwärtig neben der Hauptlinie Bel¬ grad-Konstantinopel vorzugsweise der Ausbau der sehr wichtigen Verbindungs¬ route vom adriatischen Meere (Karlstadt) nach dem Hafen von Salonich über Sissek, Trawnik, Serajewo, Novibosar, Pristina auf dem historisch bemerkens¬ werthen Amselfeld und über Uesküp gefördert, eine Verbindung, deren Werth nach Herstellung der Linie Karlstadt-Sissek für den westeuropäisch-asiatischen Verkehr wahrscheinlich erheblich steigen wird; denn sie scheint dazu geeignet zu sein, bis zur Vollendung der Hauptlinie Konstantinopel-Basra in ähnlicher Weise, wie einst die Brenner- und Mont-Cenis-Linie die Marseiller Route er¬ setzten, so die Linie London-Brindisi-Suez in eine Linie London-Salonich-Suez umzuwandeln, eine neue Perspective für die Verschiebungen der europäisch-asia¬ tischen Weltverkehrsstraße. Der Boden, auf welchem Salonich liegt, ist bekannt¬ lich ein klassischer: die Halbinsel Chalcidiae, deren östlichen Ausläufer der alte Athos (jetzt Hagion Oro) bildet, welchen einst Xerxes durchstechen ließ, um seine Flotten sicher gegen Hellas zu führen. Ungleich schwieriger als auf der Strecke Belgrad-Konstantinopel erscheint die Ausführung des Baues auf der von den Cultursitzen weit entfernten Route Konstantinopel-Basra. Eine türkische Staatscommission hat neuerdings die Terrainverhältnisse in Kleinasien erforscht und den Bau einer Bahn von Skutari nach Jzmid auf Staatskosten befürwortet. Wie der Telegraph kürz¬ lich berichtete, ist in Folge dessen der Bau der Bahn nach Jzmid und Angora von der türkischen Negierung bereits angeordnet worden. Die weitere Linie steht noch nicht fest. Von Angora würde die Bahn am Ufer des Sakaria (Sangarius) und an den Bergketten des Kurumlu und Karakam-Dag entlang durch fruchtbare Ebenen nach Sevri-Hassar gehen müssen, das etwa den Mit¬ telpunkt des türkischen Kleinasiens bildet und von wo eine Zweigbahn nach Smyrna zu projectiren wäre; sodann würde in südöstlicher Richtung von Sevri-Hassar aus bei dem alten Cäsarea (Kaissarieh) vorbei und über Diar- bekir, das mit Aleppo und der kleinasiatischen Küste durch Schienenwege zu verbinden wäre, nach dem Euphrat-Thale zu bauen und an dem Ufer des Euphrat-Tigris entlang bei Müsul (Ninive) vorbei, Basra zu erreichen sein, der Garten Mohammed's, von wo schnelle Dampfer in 150 Stunden nach Bombay (1800 engl. Meilen Entfernung) gelangen. Die Entfernung von London bis Konstantinopel würde bei der Wahl der möglichst kürzesten Route auf etwa 300 deutsche Meilen, auf nicht viel weniger möchte die Strecke Kon- stantinopel-Basra zu veranschlagen sein. Bei directen Anschlüssen könnte danach Basra von London in 120 Stunden erreicht werden, Bombay in 270 Stunden oder etwa 11 Tagen. Der Vortheil der Euphratthalbahn gegen die. Suez-Canal-Route beträgt in Bezug auf die Entfernung etwa 1000 engl.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/346>, abgerufen am 03.07.2024.