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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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rufen einer ungeheuren am Strande versammelten Menge und in Gegenwart
des Königs den Hafen von Spezzia. Wer die neun stolzen Panzerfregatten
so dahin dampfen sah und nicht wußte, wie wurmstichig sie eigentlich waren,
der erklärte ruhig und mit Siegesbewußtsein, daß diese herrliche Flotte niemals
besiegt werden könne, ja ein einflußreiches Blatt ging damals so weit, in einem
Aufsehen machenden Artikel hervorzuheben, wie Angesichts einer solchen Flotte
alle die vielen Arbeiten zur Vertheidigung der Häfen und Küsten völlig nutz¬
los seien und wie man in Kriegszeiten das Geld besser verwenden könne. --
Nur alte Seeleute -- und darunter der Küstenwächter -- schüttelten bedenk¬
lich die Köpfe. Sie kannten die numerische Ueberlegenheit der Franzosen,
wußten daß deren Flotte im bessern Zustande war und daß auch die italieni¬
schen Strandbefestigungen sehr viel zu wünschen übrig ließen. In Spezzia
hatte man große Fortificationswerke begonnen, allein sie waren unvollendet
geblieben und ein Damm, der den Eingang zum Hafen schließen sollte, war
nicht einmal halb fertig geworden; man griff daher zuletzt zu dem Mittel die
Lücke durch eine Anzahl versenkter Fahrzeuge auszufüllen, um so die Passage
in den Hafen zu sperren; doch auch dieses genügte keineswegs um den Hafen
in völligen Vertheidigungszustand zu versetzen; auch war die Zeit zu kurz,
denn zwischen der Kriegserklärung und dem thatsächlichen Ausbruch des Krieges
verflossen nur vierzehn Tage.

Zu alledem kam noch, daß Italien ohne Verbündete dastand. "Man
hatte sich, so erzählt der Küstenwächter, an Deutschland um Beistand gewandt
und erhielt von dort zur Antwort, man werde für den Erfolg unserer Waffen
beten*), Oesterreich war in einen Grenzstreit mit Rußland verwickelt und
hatte außerdem kein Geld; Spanien hatte zu Hause alle Hände voll zu thun
und England war mit allerlei amerikanischen Streitfragen beschäftigt, sowie
mit Unterdrückung der Fenier; außerdem strebte es täglich mehr und mehr
nach einer Politik der Isolation."

Nun betrachtet der Alte die zu Toulon versammelte französische Flotte.
Da lagen, blitzblank, auf's neueste construirt und mit zahlreichen mörderischen
Geschossen ausgerüstet 32 Panzerschiffe ersten Ranges; ihnen schlössen sich 16
schwimmende Batterien von ganz neuer Erfindung an; unterseeische Höllen¬
maschinen standen in einem Ruf, wie beim Ausbruch des deutsch-französischen
Krieges die gefürchteten Mitrailleusen. Geheimnißvoll erzählte man, wie sie
eine halbe Stunde unter dem Wasser bleiben könnten, wie die submarine Mann¬
schaft mit künstlich erzeugten Sauerstoff zum Athmen versehen werde und wie
das eine, von einem Pariser Akademiker erfundene Sprengmaterial, das auf



8i nov ö vero, doch für den Zweck des "alten Küstenwüchters" bsno trovütto
,
D. N,'

rufen einer ungeheuren am Strande versammelten Menge und in Gegenwart
des Königs den Hafen von Spezzia. Wer die neun stolzen Panzerfregatten
so dahin dampfen sah und nicht wußte, wie wurmstichig sie eigentlich waren,
der erklärte ruhig und mit Siegesbewußtsein, daß diese herrliche Flotte niemals
besiegt werden könne, ja ein einflußreiches Blatt ging damals so weit, in einem
Aufsehen machenden Artikel hervorzuheben, wie Angesichts einer solchen Flotte
alle die vielen Arbeiten zur Vertheidigung der Häfen und Küsten völlig nutz¬
los seien und wie man in Kriegszeiten das Geld besser verwenden könne. —
Nur alte Seeleute — und darunter der Küstenwächter — schüttelten bedenk¬
lich die Köpfe. Sie kannten die numerische Ueberlegenheit der Franzosen,
wußten daß deren Flotte im bessern Zustande war und daß auch die italieni¬
schen Strandbefestigungen sehr viel zu wünschen übrig ließen. In Spezzia
hatte man große Fortificationswerke begonnen, allein sie waren unvollendet
geblieben und ein Damm, der den Eingang zum Hafen schließen sollte, war
nicht einmal halb fertig geworden; man griff daher zuletzt zu dem Mittel die
Lücke durch eine Anzahl versenkter Fahrzeuge auszufüllen, um so die Passage
in den Hafen zu sperren; doch auch dieses genügte keineswegs um den Hafen
in völligen Vertheidigungszustand zu versetzen; auch war die Zeit zu kurz,
denn zwischen der Kriegserklärung und dem thatsächlichen Ausbruch des Krieges
verflossen nur vierzehn Tage.

Zu alledem kam noch, daß Italien ohne Verbündete dastand. „Man
hatte sich, so erzählt der Küstenwächter, an Deutschland um Beistand gewandt
und erhielt von dort zur Antwort, man werde für den Erfolg unserer Waffen
beten*), Oesterreich war in einen Grenzstreit mit Rußland verwickelt und
hatte außerdem kein Geld; Spanien hatte zu Hause alle Hände voll zu thun
und England war mit allerlei amerikanischen Streitfragen beschäftigt, sowie
mit Unterdrückung der Fenier; außerdem strebte es täglich mehr und mehr
nach einer Politik der Isolation."

Nun betrachtet der Alte die zu Toulon versammelte französische Flotte.
Da lagen, blitzblank, auf's neueste construirt und mit zahlreichen mörderischen
Geschossen ausgerüstet 32 Panzerschiffe ersten Ranges; ihnen schlössen sich 16
schwimmende Batterien von ganz neuer Erfindung an; unterseeische Höllen¬
maschinen standen in einem Ruf, wie beim Ausbruch des deutsch-französischen
Krieges die gefürchteten Mitrailleusen. Geheimnißvoll erzählte man, wie sie
eine halbe Stunde unter dem Wasser bleiben könnten, wie die submarine Mann¬
schaft mit künstlich erzeugten Sauerstoff zum Athmen versehen werde und wie
das eine, von einem Pariser Akademiker erfundene Sprengmaterial, das auf



8i nov ö vero, doch für den Zweck des „alten Küstenwüchters" bsno trovütto
,
D. N,'
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/32>, abgerufen am 22.07.2024.