Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.rigen Geburtstag einer einzelnen Universität, sondern den Triumph der In jener glücklich-gemischten Atmosphäre, in der sich die geistige Bedeutung Man muß den bayerischen Staatsorganen die Ehre geben, daß sie mit Aber das eine Gefühl beherrschte alle: die Hochschulen waren es, die in rigen Geburtstag einer einzelnen Universität, sondern den Triumph der In jener glücklich-gemischten Atmosphäre, in der sich die geistige Bedeutung Man muß den bayerischen Staatsorganen die Ehre geben, daß sie mit Aber das eine Gefühl beherrschte alle: die Hochschulen waren es, die in <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0319" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/128247"/> <p xml:id="ID_1084" prev="#ID_1083"> rigen Geburtstag einer einzelnen Universität, sondern den Triumph der<lb/> Wissenschaft an sich und die Erfolge, die er in jüngster Zeit gewann. Aus<lb/> diesem Gefühle entsprang der begeisterte nationale Zug, der durch die ganze<lb/> Jubelfeier hindurchklang, der unmittelbare Antheil, den die Wissenschaft an<lb/> der Neugestaltung des Vaterlandes gehabt, war eigentlich der letzte und innerste<lb/> Gegenstand der Verherrlichung. Unter einem solchen Gesichtspunkt verlor sich<lb/> natürlich der locale Charakter des Festes, soweit etwas Beschränkendes in<lb/> diesem Begriffe liegt, aber er blieb, sofern er der Zusammenkunft gerade jene<lb/> individuellen Töne gab, die doch vor allem der Süden und die vor allen an¬<lb/> dern Städten München besitzt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1085"> In jener glücklich-gemischten Atmosphäre, in der sich die geistige Bedeutung<lb/> mit einer gemüthvollen Geselligkeit, in der sich ein freisinniges Bürgerthum<lb/> mit kräftiger Originalität verbindet, war der richtige Boden für das gedeih¬<lb/> liche Zusammensein all der verschiedenen Stämme und der verschiedenen<lb/> Charaktere.</p><lb/> <p xml:id="ID_1086"> Man muß den bayerischen Staatsorganen die Ehre geben, daß sie mit<lb/> großen Sympathien und mit wirklicher innerer Theilnahme dem Fest entgegen<lb/> kamen. Es gilt dieß vor allem von den Spitzen des Hofes, von dem sich<lb/> mehrere Prinzen persönlich betheiligten, während Seine Majestät neben jenen<lb/> Acten, die er durch eigene Gegenwart beehrte, auch noch schriftlich seinen An¬<lb/> theil zum Ausdruck brachte. Die beiden Handbillete an Döllinger, die diesen<lb/> Zweck haben, sind hochwichtige Documente, denn sie garantiren die Förderung<lb/> der Wissenschaft in einer Weise, die nicht ohne Zusammenhang mit einem<lb/> liberalen Regime im Allgemeinen gedacht werden kann. Fast sämmtliche<lb/> Minister waren als Vertreter der Staatsregierung Zeugen der Feier und die<lb/> Stellung, die sie zu derselben einnahmen, beweist, daß es sich nicht um eine<lb/> officielle Höflichkeit, sondern in der That um Principien handelte. Nach<lb/> welcher Richtung dieselben wiesen, das ist wohl jedem der Leser bekannt auch<lb/> ohne daß wir es aussprechen, es ist dadurch documentirt, daß Döllinger es<lb/> war, der die Festrede hielt, der die Universität vertrat und der von allen<lb/> Seiten die offenste Huldigung erfuhr. Erfreulich ist es übrigens, daß dieselbe<lb/> nirgends einen polemischen Charakter annahm, der Friede des Festes ward<lb/> nicht durch Betonung und Schärfung von Gegensätzen gestört, man war über¬<lb/> zeugt, daß die Ideen des Fortschrittes zum Stege führen, auch ohne daß man<lb/> sie in demonstrativer Weise zuspitzte. Sie besitzen in München Boden genug,<lb/> um jeder Reclame entbehren zu können.</p><lb/> <p xml:id="ID_1087" next="#ID_1088"> Aber das eine Gefühl beherrschte alle: die Hochschulen waren es, die in<lb/> den schlimmsten Zeiten die Freiheit und das nationale Gefühl in Deutschland<lb/> gepflegt haben und dieser Beruf muß ihnen auch jetzt ungeschmälert erhalten<lb/> bleiben, nachdem es gilt, diese Güter nicht mehr von ferne zu erstreben, sondern</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0319]
rigen Geburtstag einer einzelnen Universität, sondern den Triumph der
Wissenschaft an sich und die Erfolge, die er in jüngster Zeit gewann. Aus
diesem Gefühle entsprang der begeisterte nationale Zug, der durch die ganze
Jubelfeier hindurchklang, der unmittelbare Antheil, den die Wissenschaft an
der Neugestaltung des Vaterlandes gehabt, war eigentlich der letzte und innerste
Gegenstand der Verherrlichung. Unter einem solchen Gesichtspunkt verlor sich
natürlich der locale Charakter des Festes, soweit etwas Beschränkendes in
diesem Begriffe liegt, aber er blieb, sofern er der Zusammenkunft gerade jene
individuellen Töne gab, die doch vor allem der Süden und die vor allen an¬
dern Städten München besitzt.
In jener glücklich-gemischten Atmosphäre, in der sich die geistige Bedeutung
mit einer gemüthvollen Geselligkeit, in der sich ein freisinniges Bürgerthum
mit kräftiger Originalität verbindet, war der richtige Boden für das gedeih¬
liche Zusammensein all der verschiedenen Stämme und der verschiedenen
Charaktere.
Man muß den bayerischen Staatsorganen die Ehre geben, daß sie mit
großen Sympathien und mit wirklicher innerer Theilnahme dem Fest entgegen
kamen. Es gilt dieß vor allem von den Spitzen des Hofes, von dem sich
mehrere Prinzen persönlich betheiligten, während Seine Majestät neben jenen
Acten, die er durch eigene Gegenwart beehrte, auch noch schriftlich seinen An¬
theil zum Ausdruck brachte. Die beiden Handbillete an Döllinger, die diesen
Zweck haben, sind hochwichtige Documente, denn sie garantiren die Förderung
der Wissenschaft in einer Weise, die nicht ohne Zusammenhang mit einem
liberalen Regime im Allgemeinen gedacht werden kann. Fast sämmtliche
Minister waren als Vertreter der Staatsregierung Zeugen der Feier und die
Stellung, die sie zu derselben einnahmen, beweist, daß es sich nicht um eine
officielle Höflichkeit, sondern in der That um Principien handelte. Nach
welcher Richtung dieselben wiesen, das ist wohl jedem der Leser bekannt auch
ohne daß wir es aussprechen, es ist dadurch documentirt, daß Döllinger es
war, der die Festrede hielt, der die Universität vertrat und der von allen
Seiten die offenste Huldigung erfuhr. Erfreulich ist es übrigens, daß dieselbe
nirgends einen polemischen Charakter annahm, der Friede des Festes ward
nicht durch Betonung und Schärfung von Gegensätzen gestört, man war über¬
zeugt, daß die Ideen des Fortschrittes zum Stege führen, auch ohne daß man
sie in demonstrativer Weise zuspitzte. Sie besitzen in München Boden genug,
um jeder Reclame entbehren zu können.
Aber das eine Gefühl beherrschte alle: die Hochschulen waren es, die in
den schlimmsten Zeiten die Freiheit und das nationale Gefühl in Deutschland
gepflegt haben und dieser Beruf muß ihnen auch jetzt ungeschmälert erhalten
bleiben, nachdem es gilt, diese Güter nicht mehr von ferne zu erstreben, sondern
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