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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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durch welche dieses Geschlecht in der Geschichte hervorragt: ästhetischen Sinn
und bürgerliches Wohlwollen, Schöpfungsgeist und Energie. Die zelotische
Richtung, welche seine Nachfolger einschlugen, um die Reformation zu be¬
kämpfen, war damals noch gegenstandslos, der große Zwiespalt war noch
nicht in die Geschichte hineingetragen und nöthigte noch keinen der deutschen
Fürsten zur Wahl. Schon lange ehe die Ausführung möglich war hatte
Ludwig den Plan gefaßt, im Centrum von Süddeutschland eine Hochschule
zu gründen, bereits im Jahre 1459 hatte sein Vorhaben die Genehmigung
des Papstes erlangt, aber Fehden und Streitigkeiten, wie sie die bayerische
Geschichte so dicht durchwachsen, hinderten die Verwirklichung. Diese kam erst
1472 zu Stande, wo zuerst die Einladung, dann die Eröffnung der Vorträge
und erst zum Schluß die feierliche Einweihung stattfand. Das Datum der
Stiftungsurkunde ist bekanntlich der 26. Juni, daß man die Feier des
Jubiläums an den Beginn der Ferien verlegte, hatte seinen' naheliegenden
Grund.

Obwohl die Theologie den Mittelpunkt der Studien in Ingolstadt
bildete und an Rang wie an Mitteln die übrigen Facultäten übertraf, so
herrschte sie doch keineswegs despotisch. Ja die erste Zeit der Hochschule, man
darf wohl sagen, die ersten fünfzig Jahre, gehörten unbestritten der humani¬
stischen Richtung an, die Männer, welche dort wirkten, zählten zu den aufge¬
klärtesten und maßvollsten in Deutschland. Wir brauchen andere nicht zu er¬
wähnen, wenn wir zum Belege Reuchlin oder Aventinus nennen und wenn
wir hinzufügen, daß die Facultät der Artisten, in der vor allem Humaniora
gelehrt wurden, binnen kurzer Zeit von 6 auf 36 Magistri stieg.

Gut katholisch war die Hochschule freilich; aber ihre Frömmigkeit läßt
sich mit der eines Menschen vergleichen, welcher in der ersten Jugend noch
den Glauben der Unschuld übt, und erst dann in reiferen Jahren dem Zelo¬
tismus anheim fällt, jener bewußten raffinirten Sorte von Frömmigkeit, bei
welcher das Herz nichts mehr zu sagen hat.

So ging es mit Ingolstadt, als es in die Hände der Jesuiten fiel. Die
Leidenschaft, mit melcher man dort jeden Gedanken einer religiösen Reform
zurückwies, hatte bereits in Dr. Eck, dem bekannten Gegner Luthers, einen
Vorläufer gefunden, sie steigerte sich noch, als Herzog Wilhelm IV. sich direct
an den Papst Paul III. wandte, daß er ihm einige der frommen Väter als
Professoren sende.

Unter denen, welche am frühesten erschienen, befand sich bereits Petrus
Canisius, und kaum hatten sie ihr Lehramt begonnen, als auch der helle
Streit begann. Sie polemisirten natürlich zunächst gegen die Studien in
der philosophischen Facultät und suchten durch Errichtung von Erziehungs¬
anstalten jenen giftigen Keim des Seminarwesens in Deutschland zu legen,


durch welche dieses Geschlecht in der Geschichte hervorragt: ästhetischen Sinn
und bürgerliches Wohlwollen, Schöpfungsgeist und Energie. Die zelotische
Richtung, welche seine Nachfolger einschlugen, um die Reformation zu be¬
kämpfen, war damals noch gegenstandslos, der große Zwiespalt war noch
nicht in die Geschichte hineingetragen und nöthigte noch keinen der deutschen
Fürsten zur Wahl. Schon lange ehe die Ausführung möglich war hatte
Ludwig den Plan gefaßt, im Centrum von Süddeutschland eine Hochschule
zu gründen, bereits im Jahre 1459 hatte sein Vorhaben die Genehmigung
des Papstes erlangt, aber Fehden und Streitigkeiten, wie sie die bayerische
Geschichte so dicht durchwachsen, hinderten die Verwirklichung. Diese kam erst
1472 zu Stande, wo zuerst die Einladung, dann die Eröffnung der Vorträge
und erst zum Schluß die feierliche Einweihung stattfand. Das Datum der
Stiftungsurkunde ist bekanntlich der 26. Juni, daß man die Feier des
Jubiläums an den Beginn der Ferien verlegte, hatte seinen' naheliegenden
Grund.

Obwohl die Theologie den Mittelpunkt der Studien in Ingolstadt
bildete und an Rang wie an Mitteln die übrigen Facultäten übertraf, so
herrschte sie doch keineswegs despotisch. Ja die erste Zeit der Hochschule, man
darf wohl sagen, die ersten fünfzig Jahre, gehörten unbestritten der humani¬
stischen Richtung an, die Männer, welche dort wirkten, zählten zu den aufge¬
klärtesten und maßvollsten in Deutschland. Wir brauchen andere nicht zu er¬
wähnen, wenn wir zum Belege Reuchlin oder Aventinus nennen und wenn
wir hinzufügen, daß die Facultät der Artisten, in der vor allem Humaniora
gelehrt wurden, binnen kurzer Zeit von 6 auf 36 Magistri stieg.

Gut katholisch war die Hochschule freilich; aber ihre Frömmigkeit läßt
sich mit der eines Menschen vergleichen, welcher in der ersten Jugend noch
den Glauben der Unschuld übt, und erst dann in reiferen Jahren dem Zelo¬
tismus anheim fällt, jener bewußten raffinirten Sorte von Frömmigkeit, bei
welcher das Herz nichts mehr zu sagen hat.

So ging es mit Ingolstadt, als es in die Hände der Jesuiten fiel. Die
Leidenschaft, mit melcher man dort jeden Gedanken einer religiösen Reform
zurückwies, hatte bereits in Dr. Eck, dem bekannten Gegner Luthers, einen
Vorläufer gefunden, sie steigerte sich noch, als Herzog Wilhelm IV. sich direct
an den Papst Paul III. wandte, daß er ihm einige der frommen Väter als
Professoren sende.

Unter denen, welche am frühesten erschienen, befand sich bereits Petrus
Canisius, und kaum hatten sie ihr Lehramt begonnen, als auch der helle
Streit begann. Sie polemisirten natürlich zunächst gegen die Studien in
der philosophischen Facultät und suchten durch Errichtung von Erziehungs¬
anstalten jenen giftigen Keim des Seminarwesens in Deutschland zu legen,


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[0316] durch welche dieses Geschlecht in der Geschichte hervorragt: ästhetischen Sinn und bürgerliches Wohlwollen, Schöpfungsgeist und Energie. Die zelotische Richtung, welche seine Nachfolger einschlugen, um die Reformation zu be¬ kämpfen, war damals noch gegenstandslos, der große Zwiespalt war noch nicht in die Geschichte hineingetragen und nöthigte noch keinen der deutschen Fürsten zur Wahl. Schon lange ehe die Ausführung möglich war hatte Ludwig den Plan gefaßt, im Centrum von Süddeutschland eine Hochschule zu gründen, bereits im Jahre 1459 hatte sein Vorhaben die Genehmigung des Papstes erlangt, aber Fehden und Streitigkeiten, wie sie die bayerische Geschichte so dicht durchwachsen, hinderten die Verwirklichung. Diese kam erst 1472 zu Stande, wo zuerst die Einladung, dann die Eröffnung der Vorträge und erst zum Schluß die feierliche Einweihung stattfand. Das Datum der Stiftungsurkunde ist bekanntlich der 26. Juni, daß man die Feier des Jubiläums an den Beginn der Ferien verlegte, hatte seinen' naheliegenden Grund. Obwohl die Theologie den Mittelpunkt der Studien in Ingolstadt bildete und an Rang wie an Mitteln die übrigen Facultäten übertraf, so herrschte sie doch keineswegs despotisch. Ja die erste Zeit der Hochschule, man darf wohl sagen, die ersten fünfzig Jahre, gehörten unbestritten der humani¬ stischen Richtung an, die Männer, welche dort wirkten, zählten zu den aufge¬ klärtesten und maßvollsten in Deutschland. Wir brauchen andere nicht zu er¬ wähnen, wenn wir zum Belege Reuchlin oder Aventinus nennen und wenn wir hinzufügen, daß die Facultät der Artisten, in der vor allem Humaniora gelehrt wurden, binnen kurzer Zeit von 6 auf 36 Magistri stieg. Gut katholisch war die Hochschule freilich; aber ihre Frömmigkeit läßt sich mit der eines Menschen vergleichen, welcher in der ersten Jugend noch den Glauben der Unschuld übt, und erst dann in reiferen Jahren dem Zelo¬ tismus anheim fällt, jener bewußten raffinirten Sorte von Frömmigkeit, bei welcher das Herz nichts mehr zu sagen hat. So ging es mit Ingolstadt, als es in die Hände der Jesuiten fiel. Die Leidenschaft, mit melcher man dort jeden Gedanken einer religiösen Reform zurückwies, hatte bereits in Dr. Eck, dem bekannten Gegner Luthers, einen Vorläufer gefunden, sie steigerte sich noch, als Herzog Wilhelm IV. sich direct an den Papst Paul III. wandte, daß er ihm einige der frommen Väter als Professoren sende. Unter denen, welche am frühesten erschienen, befand sich bereits Petrus Canisius, und kaum hatten sie ihr Lehramt begonnen, als auch der helle Streit begann. Sie polemisirten natürlich zunächst gegen die Studien in der philosophischen Facultät und suchten durch Errichtung von Erziehungs¬ anstalten jenen giftigen Keim des Seminarwesens in Deutschland zu legen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/316>, abgerufen am 22.12.2024.