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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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Aegide wieder aufblühe. In welcher Quantität in Mittelasien die Seide er¬
zeugt wird, kann am besten aus den Umständen erhellen, daß ein großer
Theil der allgemein getragenen Baumwollstoffe, Aladscha genannt, stark mit
Seide untermischt ist; daß nicht nur die Reichen, sondern auch jeder Mann
des Mittelstandes seidne Kleider und Schnupftücher besitzt und daß schließlich
nicht nur mit Persien, Indien und Afghanistan ein bedeutender Exporthandel
getrieben wird, sondern große Quantitäten dieser Producte auch nach Rußland
ausgeführt werden.

In der Abtheilung aus dem Thierreiche finden wir Bären-, Wolf-,
Tiger-, Marder-, Fuchs- und Ziegenfelle schön gegerbt und zubereitet. Am
wichtigsten ist aber das schwarze krause Lammfell, der "Krimmer" unsrer
Rauchwaarenhändler, der vorzüglich aus Karoköl kommt und einen ganz be¬
deutenden Exportartikel bildet. Das Fell, welches dem jungen Lamm zwei
oder drei Tage nach der Geburt abgezogen wird, muß einige Tage in Gersten¬
mehl und Salz weich werden und soll den besten Glanz erhalten, wenn es
mit dem Wasser des Serjawschan gewaschen wird, an dessen Ufern man auch
im Juli Hunderttausende zum trockenen aufgehängt sieht. Beliebt ist es über¬
all, am meisten in Persien.

Von der Gold- und Silber-Industrie erhält man einen Begriff, wenn
man die Geschenke überblicket, welche die Khane von Bochara und Chotan
dem Zaren und dem Generalgouvemeur von Turkestan gemacht haben, und
die in Moskau jetzt ausgestellt sind. Barbarische Pracht und Massenhaftigkeit
charakterisiren sie mehr als Schönheit und Eleganz und alle sind auf den
Gebrauch des starken Geschlechts berechnet, denn der Orientale kennt nicht
die zarten und sinnigen Geschenke, die wir unseren Frauen darbringen.
Sammetteppiche mit starkem Goldbesatze, .verzierte Uatagons und eingelegte
Flinten, Trinkbecher von Gold und Silber sind da vertreten. In einem
massiv goldenen Sattel und massiv silbernen Hufeisen gipfelt dieses Depar¬
tement der turkestanischen Industrie. Türkise bilden den Edelsteinschmuck
an all diesen guten, aber wenig schönen Dingen.

Besser sind die Erzeugnisse der Drechsler und Kastenmacher. Noch ver¬
stehen die Osttürken die Kunst verschieden gefärbte Holzstückchen zu schönen
Kistchen und Schachteln zusammenzufügen, namentlich in Tashkand; die ge¬
schnitzten und gedrechselten kleinen Moscheen und Schreine sind Muster in ihrer
Art. Verschiedene Gegenstände werden, wie in China, aus Speckstein gedrech¬
selt. Die altmodigen heimischen Waffen daneben, die Filzzelte der Bocharesen
und die Uniform derselben aus Kattun zeigen, daß man in der Kriegskunst
dort noch sehr zurück ist, und daß die Russen eben keine allzugroße Arbeit
hatten, als sie die Khanate bekriegten. Kuldschn, ihre neueste "Erwerbung"


Aegide wieder aufblühe. In welcher Quantität in Mittelasien die Seide er¬
zeugt wird, kann am besten aus den Umständen erhellen, daß ein großer
Theil der allgemein getragenen Baumwollstoffe, Aladscha genannt, stark mit
Seide untermischt ist; daß nicht nur die Reichen, sondern auch jeder Mann
des Mittelstandes seidne Kleider und Schnupftücher besitzt und daß schließlich
nicht nur mit Persien, Indien und Afghanistan ein bedeutender Exporthandel
getrieben wird, sondern große Quantitäten dieser Producte auch nach Rußland
ausgeführt werden.

In der Abtheilung aus dem Thierreiche finden wir Bären-, Wolf-,
Tiger-, Marder-, Fuchs- und Ziegenfelle schön gegerbt und zubereitet. Am
wichtigsten ist aber das schwarze krause Lammfell, der „Krimmer" unsrer
Rauchwaarenhändler, der vorzüglich aus Karoköl kommt und einen ganz be¬
deutenden Exportartikel bildet. Das Fell, welches dem jungen Lamm zwei
oder drei Tage nach der Geburt abgezogen wird, muß einige Tage in Gersten¬
mehl und Salz weich werden und soll den besten Glanz erhalten, wenn es
mit dem Wasser des Serjawschan gewaschen wird, an dessen Ufern man auch
im Juli Hunderttausende zum trockenen aufgehängt sieht. Beliebt ist es über¬
all, am meisten in Persien.

Von der Gold- und Silber-Industrie erhält man einen Begriff, wenn
man die Geschenke überblicket, welche die Khane von Bochara und Chotan
dem Zaren und dem Generalgouvemeur von Turkestan gemacht haben, und
die in Moskau jetzt ausgestellt sind. Barbarische Pracht und Massenhaftigkeit
charakterisiren sie mehr als Schönheit und Eleganz und alle sind auf den
Gebrauch des starken Geschlechts berechnet, denn der Orientale kennt nicht
die zarten und sinnigen Geschenke, die wir unseren Frauen darbringen.
Sammetteppiche mit starkem Goldbesatze, .verzierte Uatagons und eingelegte
Flinten, Trinkbecher von Gold und Silber sind da vertreten. In einem
massiv goldenen Sattel und massiv silbernen Hufeisen gipfelt dieses Depar¬
tement der turkestanischen Industrie. Türkise bilden den Edelsteinschmuck
an all diesen guten, aber wenig schönen Dingen.

Besser sind die Erzeugnisse der Drechsler und Kastenmacher. Noch ver¬
stehen die Osttürken die Kunst verschieden gefärbte Holzstückchen zu schönen
Kistchen und Schachteln zusammenzufügen, namentlich in Tashkand; die ge¬
schnitzten und gedrechselten kleinen Moscheen und Schreine sind Muster in ihrer
Art. Verschiedene Gegenstände werden, wie in China, aus Speckstein gedrech¬
selt. Die altmodigen heimischen Waffen daneben, die Filzzelte der Bocharesen
und die Uniform derselben aus Kattun zeigen, daß man in der Kriegskunst
dort noch sehr zurück ist, und daß die Russen eben keine allzugroße Arbeit
hatten, als sie die Khanate bekriegten. Kuldschn, ihre neueste „Erwerbung"


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[0314] Aegide wieder aufblühe. In welcher Quantität in Mittelasien die Seide er¬ zeugt wird, kann am besten aus den Umständen erhellen, daß ein großer Theil der allgemein getragenen Baumwollstoffe, Aladscha genannt, stark mit Seide untermischt ist; daß nicht nur die Reichen, sondern auch jeder Mann des Mittelstandes seidne Kleider und Schnupftücher besitzt und daß schließlich nicht nur mit Persien, Indien und Afghanistan ein bedeutender Exporthandel getrieben wird, sondern große Quantitäten dieser Producte auch nach Rußland ausgeführt werden. In der Abtheilung aus dem Thierreiche finden wir Bären-, Wolf-, Tiger-, Marder-, Fuchs- und Ziegenfelle schön gegerbt und zubereitet. Am wichtigsten ist aber das schwarze krause Lammfell, der „Krimmer" unsrer Rauchwaarenhändler, der vorzüglich aus Karoköl kommt und einen ganz be¬ deutenden Exportartikel bildet. Das Fell, welches dem jungen Lamm zwei oder drei Tage nach der Geburt abgezogen wird, muß einige Tage in Gersten¬ mehl und Salz weich werden und soll den besten Glanz erhalten, wenn es mit dem Wasser des Serjawschan gewaschen wird, an dessen Ufern man auch im Juli Hunderttausende zum trockenen aufgehängt sieht. Beliebt ist es über¬ all, am meisten in Persien. Von der Gold- und Silber-Industrie erhält man einen Begriff, wenn man die Geschenke überblicket, welche die Khane von Bochara und Chotan dem Zaren und dem Generalgouvemeur von Turkestan gemacht haben, und die in Moskau jetzt ausgestellt sind. Barbarische Pracht und Massenhaftigkeit charakterisiren sie mehr als Schönheit und Eleganz und alle sind auf den Gebrauch des starken Geschlechts berechnet, denn der Orientale kennt nicht die zarten und sinnigen Geschenke, die wir unseren Frauen darbringen. Sammetteppiche mit starkem Goldbesatze, .verzierte Uatagons und eingelegte Flinten, Trinkbecher von Gold und Silber sind da vertreten. In einem massiv goldenen Sattel und massiv silbernen Hufeisen gipfelt dieses Depar¬ tement der turkestanischen Industrie. Türkise bilden den Edelsteinschmuck an all diesen guten, aber wenig schönen Dingen. Besser sind die Erzeugnisse der Drechsler und Kastenmacher. Noch ver¬ stehen die Osttürken die Kunst verschieden gefärbte Holzstückchen zu schönen Kistchen und Schachteln zusammenzufügen, namentlich in Tashkand; die ge¬ schnitzten und gedrechselten kleinen Moscheen und Schreine sind Muster in ihrer Art. Verschiedene Gegenstände werden, wie in China, aus Speckstein gedrech¬ selt. Die altmodigen heimischen Waffen daneben, die Filzzelte der Bocharesen und die Uniform derselben aus Kattun zeigen, daß man in der Kriegskunst dort noch sehr zurück ist, und daß die Russen eben keine allzugroße Arbeit hatten, als sie die Khanate bekriegten. Kuldschn, ihre neueste „Erwerbung"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/314>, abgerufen am 22.12.2024.