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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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und ein Blick in die turkesta n isch e A btheilun g der kürzlich eröffneten
Industrieausstellung zu Moskau zeigt uns auf Schritt und Tritt den colossalen
Fortschritt, den Reichthum jener Länder und die Keime eines gewiß einst ge¬
waltig werdenden materiellen Aufschwungs daselbst.

Der Berliner Correspondent der "Times", welcher als eine der ersten
Autoritäten in centralasiatischen Dingen gelten kann und mit scharfem, ja
neidischem Auge die Fortschritte Rußlands in Innerasien betrachtet, berichtet
jetzt über jene Ausstellung. Auch er, der Brite, der in Rußland den Rivalen
erkennt, ist voll der Bewunderung über das, was binnen kurzem geleistet
wurde. Er führt eine lange Liste von Gegenständen auf, welche Turkestan
ausstellt und die wir unseren nachfolgenden Betrachtungen zu Grunde
legen.

Große, sehr instructiv gehaltene Karten orientiren den Besucher der Aus¬
stellung zunächst geographisch über das von Rußland in den letzten Jahrzehnten
eroberte Gebiet. Es reicht vom Aralsee, ,den heute russische Dampfer befahren,
im Westen bis nach Kuldsche am Ili im Osten. In letzterer, dem chinesischen
Reiche entrissenen Stadt, weht erst seit einem Jahre die russische Flagge,
während im Süden Samarkand, Timurs heilige Stadt, der südlichste Posten
Rußlands ist. Neben den politischen Karten hängen ethnographische und phy¬
sikalische. Eine zeigt uns die großen Districte, in welchen Baumwolle gebaut
wird und die allmählich sich ausdehnend, die russische Industrie von der ameri¬
kanischen oder ägyptischen Baumwolle unabhängig machen werden; eine andere
Karte führt die goldreichen Gegenden auf. Während Burees (Iravels in
Lvedarg,) noch der Ansicht war, daß Mittelasien gar keine oder nur äußerst
wenige edle Metalle besitze, sind nun Dutzende von goldführenden Strömen
bekannt. Freilich, die Art und Weise, wie das Gold gewonnen wird, ist höchst
primitiv und die Einwanderung einiger Dutzend kalifornischer oder australischer
Digger als Lehrer könnte nicht schaden. Das Goldwäschen oder vielmehr das
Goldfischen geschieht mit mehreren Kameelschwänzen, welche nebeneinander
zwischen zwei Stangen aufgehängt werden. Mit diesen wird längere Zeit im
Wasser herum geplätschert oder sie werden an einer Stelle in die Flut ge¬
taucht, dann herausgezogen und das zwischen den Haaren hängende Gold
ausgewaschen. Hier und da beginnt man mit der Einführung ordentlicher
Waschapparate. Aber das Gold, soviel es vorhanden, ist immer von unter¬
geordneter Bedeutung neben dem Reichthum an Kohlen, Eisen, Kupfer. Blei,
Graphit und den Edelsteinen. Lapis laguli kommt in Menge vor; der Türkis
von Chokand aber steht dem persischen (aus Nischapur) an Farbe weit nach
und wird nur von den Nomaden und nogaischen Silberarbeitern gekauft; er
ist von grüner und nicht blauer Farbe und daher weniger beliebt als jener.

Neben der mineralogischen Abtheilung dehnt sich die botanische aus;


und ein Blick in die turkesta n isch e A btheilun g der kürzlich eröffneten
Industrieausstellung zu Moskau zeigt uns auf Schritt und Tritt den colossalen
Fortschritt, den Reichthum jener Länder und die Keime eines gewiß einst ge¬
waltig werdenden materiellen Aufschwungs daselbst.

Der Berliner Correspondent der „Times", welcher als eine der ersten
Autoritäten in centralasiatischen Dingen gelten kann und mit scharfem, ja
neidischem Auge die Fortschritte Rußlands in Innerasien betrachtet, berichtet
jetzt über jene Ausstellung. Auch er, der Brite, der in Rußland den Rivalen
erkennt, ist voll der Bewunderung über das, was binnen kurzem geleistet
wurde. Er führt eine lange Liste von Gegenständen auf, welche Turkestan
ausstellt und die wir unseren nachfolgenden Betrachtungen zu Grunde
legen.

Große, sehr instructiv gehaltene Karten orientiren den Besucher der Aus¬
stellung zunächst geographisch über das von Rußland in den letzten Jahrzehnten
eroberte Gebiet. Es reicht vom Aralsee, ,den heute russische Dampfer befahren,
im Westen bis nach Kuldsche am Ili im Osten. In letzterer, dem chinesischen
Reiche entrissenen Stadt, weht erst seit einem Jahre die russische Flagge,
während im Süden Samarkand, Timurs heilige Stadt, der südlichste Posten
Rußlands ist. Neben den politischen Karten hängen ethnographische und phy¬
sikalische. Eine zeigt uns die großen Districte, in welchen Baumwolle gebaut
wird und die allmählich sich ausdehnend, die russische Industrie von der ameri¬
kanischen oder ägyptischen Baumwolle unabhängig machen werden; eine andere
Karte führt die goldreichen Gegenden auf. Während Burees (Iravels in
Lvedarg,) noch der Ansicht war, daß Mittelasien gar keine oder nur äußerst
wenige edle Metalle besitze, sind nun Dutzende von goldführenden Strömen
bekannt. Freilich, die Art und Weise, wie das Gold gewonnen wird, ist höchst
primitiv und die Einwanderung einiger Dutzend kalifornischer oder australischer
Digger als Lehrer könnte nicht schaden. Das Goldwäschen oder vielmehr das
Goldfischen geschieht mit mehreren Kameelschwänzen, welche nebeneinander
zwischen zwei Stangen aufgehängt werden. Mit diesen wird längere Zeit im
Wasser herum geplätschert oder sie werden an einer Stelle in die Flut ge¬
taucht, dann herausgezogen und das zwischen den Haaren hängende Gold
ausgewaschen. Hier und da beginnt man mit der Einführung ordentlicher
Waschapparate. Aber das Gold, soviel es vorhanden, ist immer von unter¬
geordneter Bedeutung neben dem Reichthum an Kohlen, Eisen, Kupfer. Blei,
Graphit und den Edelsteinen. Lapis laguli kommt in Menge vor; der Türkis
von Chokand aber steht dem persischen (aus Nischapur) an Farbe weit nach
und wird nur von den Nomaden und nogaischen Silberarbeitern gekauft; er
ist von grüner und nicht blauer Farbe und daher weniger beliebt als jener.

Neben der mineralogischen Abtheilung dehnt sich die botanische aus;


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/311>, abgerufen am 22.07.2024.