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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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Mann, obgleich sie auf dem Papier mit einer Million Streiter verzeichnet
war. Sie war, was Rüstung betraf, vollkommen zu nennen, denn die Ge¬
wehre waren nach den neuesten verbesserten Modellen und die Artillerie ganz
ausgezeichnet; die Disciplin war vortrefflich -- mit einem Worte, das italie¬
nische Heer galt damals für eines der besten in Europa. Außerdem waren
150,000 Freiwillige vorhanden, deren militärische Organisation und Ausbildung
allerdings unvollkommen war; man vertheilte sie daher in drei oder vier
Corps in der Mitte und im Süden Italiens, wo man ihnen später eine
weitere Bestimmung ertheilen und sie als Reserven benutzen wollte. Die
Kammern bewilligten das nöthige Geld und neue Aushebungen, die von vor¬
trefflichem Erfolge begleitet waren; denn die Jünglinge strömten enthusiastisch
zu den Fahnen um ihren Arm der heiligen Sache des Vaterlandes zu leihen.
Mit einer so guten Armee und der natürlichen gegen Frankreich aufgerichteten
Schranke der Alpen glaubte man ohne Furcht den Dingen, die da kommen
sollten, ins Auge sehen zu können, obgleich die französische Armee 700,000
Streiter zählte und der italienischen numerisch überlegen war.

Mit der Flotte stand das Ding aber ganz anders, Sie bestand aus
zwölf Panzerfregatten, die mit Geschützen versehen waren, welche Projectile von
300 und 400 Pfund Gewicht warfen. Da aber gespart worden war und zur
Zeit, als die alten Panzerschiffe gebaut worden waren, solche schwere Geschütze
noch nicht gebraucht wurden, so waren nur wenig Kanonen auf den Fahr¬
zeugen. Was die Schiffe nun selbst betraf, so zeigte sich, daß sie in einem
traurigen Zustande waren. Die lange Vernachlässigung sollte sich jetzt rächen,
denn einige waren ganz schadhaft, bei anderen waren die Panzerplatten vom
Rost angefressen und alte Seeleute schüttelten den Kopf darüber, daß diese
gefährlichen Fregatten in See gehen sollten. Ja, bei einigen zeigte sich sogar,
daß nothwendige Bestandtheile der Dampfmaschinen fehlten. Doch die Zeit
drängte und die Unordnung war groß, da Jedermann befehlen wollte, nur
wenige wußten, was eigentlich zu thun war und schließlich war keiner da.
welcher die Verantwortlichkeit für alle Maßregeln übernehmen wollte. Endlich
waren doch, wiewohl mit genauer Noth, neun von den zwölf Fregatten und
etwa ein Dutzend Avisos bereit in See zu stechen. Das Geschwader sah noch
leidlich gut aus und lustig flatterte die grün--weiß-rothe Flagge im Winde.
Was aber vor allem fehlte, waren Officiere. Das Avancement war ja schlecht
gewesen, die Unthätigkeit groß und der Officier des Landheeres war übermäßig
bevorzugt worden. Wie hätte man dem Italiener verdenken wollen, wenn
er lieber in die Armee als in die Flotte eintrat? Was die Matrosen anbetraf,
so waren es tüchtige Leute, die auf der Kauffahrteiflotte gedient hatten, aber
aus Kriegsschiffen so gut wie gar keine Erfahrung besaßen.

So verließ die italienische Flotte eines Tages unter den jauchzenden Zu-


Mann, obgleich sie auf dem Papier mit einer Million Streiter verzeichnet
war. Sie war, was Rüstung betraf, vollkommen zu nennen, denn die Ge¬
wehre waren nach den neuesten verbesserten Modellen und die Artillerie ganz
ausgezeichnet; die Disciplin war vortrefflich — mit einem Worte, das italie¬
nische Heer galt damals für eines der besten in Europa. Außerdem waren
150,000 Freiwillige vorhanden, deren militärische Organisation und Ausbildung
allerdings unvollkommen war; man vertheilte sie daher in drei oder vier
Corps in der Mitte und im Süden Italiens, wo man ihnen später eine
weitere Bestimmung ertheilen und sie als Reserven benutzen wollte. Die
Kammern bewilligten das nöthige Geld und neue Aushebungen, die von vor¬
trefflichem Erfolge begleitet waren; denn die Jünglinge strömten enthusiastisch
zu den Fahnen um ihren Arm der heiligen Sache des Vaterlandes zu leihen.
Mit einer so guten Armee und der natürlichen gegen Frankreich aufgerichteten
Schranke der Alpen glaubte man ohne Furcht den Dingen, die da kommen
sollten, ins Auge sehen zu können, obgleich die französische Armee 700,000
Streiter zählte und der italienischen numerisch überlegen war.

Mit der Flotte stand das Ding aber ganz anders, Sie bestand aus
zwölf Panzerfregatten, die mit Geschützen versehen waren, welche Projectile von
300 und 400 Pfund Gewicht warfen. Da aber gespart worden war und zur
Zeit, als die alten Panzerschiffe gebaut worden waren, solche schwere Geschütze
noch nicht gebraucht wurden, so waren nur wenig Kanonen auf den Fahr¬
zeugen. Was die Schiffe nun selbst betraf, so zeigte sich, daß sie in einem
traurigen Zustande waren. Die lange Vernachlässigung sollte sich jetzt rächen,
denn einige waren ganz schadhaft, bei anderen waren die Panzerplatten vom
Rost angefressen und alte Seeleute schüttelten den Kopf darüber, daß diese
gefährlichen Fregatten in See gehen sollten. Ja, bei einigen zeigte sich sogar,
daß nothwendige Bestandtheile der Dampfmaschinen fehlten. Doch die Zeit
drängte und die Unordnung war groß, da Jedermann befehlen wollte, nur
wenige wußten, was eigentlich zu thun war und schließlich war keiner da.
welcher die Verantwortlichkeit für alle Maßregeln übernehmen wollte. Endlich
waren doch, wiewohl mit genauer Noth, neun von den zwölf Fregatten und
etwa ein Dutzend Avisos bereit in See zu stechen. Das Geschwader sah noch
leidlich gut aus und lustig flatterte die grün--weiß-rothe Flagge im Winde.
Was aber vor allem fehlte, waren Officiere. Das Avancement war ja schlecht
gewesen, die Unthätigkeit groß und der Officier des Landheeres war übermäßig
bevorzugt worden. Wie hätte man dem Italiener verdenken wollen, wenn
er lieber in die Armee als in die Flotte eintrat? Was die Matrosen anbetraf,
so waren es tüchtige Leute, die auf der Kauffahrteiflotte gedient hatten, aber
aus Kriegsschiffen so gut wie gar keine Erfahrung besaßen.

So verließ die italienische Flotte eines Tages unter den jauchzenden Zu-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/31>, abgerufen am 22.12.2024.