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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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langten, da war ihm Mr. Stanley, der Berichterstatter des New-Uork-Herald
zuvorgekommen und die " Livingstonesucher" kehrten unverrichteter Dinge
wieder heim.

Wer das Gebiet überschauen will, das geographisch hier in Frage kommt
und auf dem vorläufig Livingstones letzte Entdeckungen eingetragen sind, dem
empfehlen wir Tafel 10 im Jahrgange 1870 von Petermanns geographischen
Mittheilungen. Dort findet man auch eine Uebersicht sämmtlicher Reisen
Livingstones seit dem Jahre 1840 chronologisch aufgeführt.

Durch Stanley sind nun -- abgesehen von seinem eigenen Berichte über
sein Zusammentreffen mit Livingstone, welcher geographisch nur geringes Inter¬
esse bietet -- jetzt zwei Briefe Livingstones bekannt geworden, die im New-
Jork-Herald vom 26. und 27. Juli abgedruckt sind und zu einer kritischen
Besprechung herausfordern. Mancherlei persönliche Beziehungen, langathmige
uninteressante Auslassungen Livingstones, seine abgedroschenen Tiraden über
den Sclavenhandel, falsche Anschuldigungen gegen den englischen Consul in
Zanzibar, Dr. Kirk, übergehen wir hier. Sie sind von geringem Interesse
und es wäre im Nutzen der Wissenschaft wahrlich zu wünschen gewesen, daß
Livingstone Zeit und Papier dazu verwandt hätte, über seine Entdeckungen,
über Land und Leute zu berichten, statt sich mit Phrasen zu befassen, wie
"der Sclavenhandel sei eine Schande für die Menschheit", er sei ungesetzlich,
müsse unterdrückt werden u. s. w. Das braucht man nicht aus Jnnerafrika
als Neuigkeit zu melden; darüber ist man schon lange im Klaren.*)

Halten wir uns daher an das wenige Thatsächliche, welches die beiden
Briefe bringen. Zunächst bekunden wir unsere volle Uebereinstimmung mit
einem Briefe Sir Henry Rawlinsons, des Präsidenten der Londoner
geographischen Gesellschaft, der an den Herausgeber der "Times' (1. August)
schreibt, daß die geographischen Berichte Livingstones im New-Uork-Herald
"g,rö too VÄAU6 in tneir prosent sdlrxe to aämit c"t? usskul MOgrarMeal
üiseussion." Gewiß wird es ihm schwer angekommen sein, die Berichte als
vag zu kennzeichnen. Der geographische Inhalt des ersten Briefes ist fol¬
gender: "Die Wasserseite des südlichen Centralafrika ist über 700 engl.
Meilen lang. Die Quellen sind zahllos, d. h. es würde eines Mannes
Lebenszeit in Anspruch nehmen, sie alle zu zählen. Sie laufen in vier große
Flüsse zusammen und diese wieder in zwei mächtige Ströme im großen Nil-
thale. das im 10.°--12.° südl. Breite anfängt. Es dauerte lange, bis ich
einiges Licht gewann über das alte Problem und zu einer klaren Vorstellung



-) Der Glasgow Herald meldet als authentisch, daß Livingstones Tagebücher versiegelt in
den Besitz seiner in Irland lebenden Tochter gelangt seien und erst nach seinem Tode veröffent¬
licht werden sollten. Das ist eine sonderbare Enthaltsamkeit, mit welcher der Wissenschaft
nicht gedient ist!

langten, da war ihm Mr. Stanley, der Berichterstatter des New-Uork-Herald
zuvorgekommen und die „ Livingstonesucher" kehrten unverrichteter Dinge
wieder heim.

Wer das Gebiet überschauen will, das geographisch hier in Frage kommt
und auf dem vorläufig Livingstones letzte Entdeckungen eingetragen sind, dem
empfehlen wir Tafel 10 im Jahrgange 1870 von Petermanns geographischen
Mittheilungen. Dort findet man auch eine Uebersicht sämmtlicher Reisen
Livingstones seit dem Jahre 1840 chronologisch aufgeführt.

Durch Stanley sind nun — abgesehen von seinem eigenen Berichte über
sein Zusammentreffen mit Livingstone, welcher geographisch nur geringes Inter¬
esse bietet — jetzt zwei Briefe Livingstones bekannt geworden, die im New-
Jork-Herald vom 26. und 27. Juli abgedruckt sind und zu einer kritischen
Besprechung herausfordern. Mancherlei persönliche Beziehungen, langathmige
uninteressante Auslassungen Livingstones, seine abgedroschenen Tiraden über
den Sclavenhandel, falsche Anschuldigungen gegen den englischen Consul in
Zanzibar, Dr. Kirk, übergehen wir hier. Sie sind von geringem Interesse
und es wäre im Nutzen der Wissenschaft wahrlich zu wünschen gewesen, daß
Livingstone Zeit und Papier dazu verwandt hätte, über seine Entdeckungen,
über Land und Leute zu berichten, statt sich mit Phrasen zu befassen, wie
„der Sclavenhandel sei eine Schande für die Menschheit", er sei ungesetzlich,
müsse unterdrückt werden u. s. w. Das braucht man nicht aus Jnnerafrika
als Neuigkeit zu melden; darüber ist man schon lange im Klaren.*)

Halten wir uns daher an das wenige Thatsächliche, welches die beiden
Briefe bringen. Zunächst bekunden wir unsere volle Uebereinstimmung mit
einem Briefe Sir Henry Rawlinsons, des Präsidenten der Londoner
geographischen Gesellschaft, der an den Herausgeber der „Times' (1. August)
schreibt, daß die geographischen Berichte Livingstones im New-Uork-Herald
„g,rö too VÄAU6 in tneir prosent sdlrxe to aämit c»t? usskul MOgrarMeal
üiseussion." Gewiß wird es ihm schwer angekommen sein, die Berichte als
vag zu kennzeichnen. Der geographische Inhalt des ersten Briefes ist fol¬
gender: „Die Wasserseite des südlichen Centralafrika ist über 700 engl.
Meilen lang. Die Quellen sind zahllos, d. h. es würde eines Mannes
Lebenszeit in Anspruch nehmen, sie alle zu zählen. Sie laufen in vier große
Flüsse zusammen und diese wieder in zwei mächtige Ströme im großen Nil-
thale. das im 10.°—12.° südl. Breite anfängt. Es dauerte lange, bis ich
einiges Licht gewann über das alte Problem und zu einer klaren Vorstellung



-) Der Glasgow Herald meldet als authentisch, daß Livingstones Tagebücher versiegelt in
den Besitz seiner in Irland lebenden Tochter gelangt seien und erst nach seinem Tode veröffent¬
licht werden sollten. Das ist eine sonderbare Enthaltsamkeit, mit welcher der Wissenschaft
nicht gedient ist!
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/306>, abgerufen am 22.07.2024.