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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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menfabrikation im Allgemeinen, und weil, wie jeder einigermaßen eingeweihte
wußte, noch andere jesuitische Pläne dahinter verborgen lagen, von denen einer,
die päpstliche Unfehlbarkeit, auch rasch genug zur Wirklichkeit sich gestaltet
hat. --

Schließlich sei noch gestattet, wenigstens eine der großen Lehren, die
uns diese Persönlichkeit giebt, anzudeuten und sie der Erwägung aller derer
zu empfehlen, denen Religion und Kirche, Vaterland und Staat etwas mehr
als eine bloße Phrase ist.

Selten wird man Gelegenheit haben, den unversöhnlichen Gegensatz des
Romanismus oder was jetzt leider identisch ist, des officiellen Katholicismus
der Gegenwart zu dem modernen Staat, insbesondere dem deutschen oder
preußischen, so schlagend, wir möchten fast sagen drastisch heraustreten zu sehen,
wie in den Evolutionen, welche den Rücktritt Sedlnitzky's veranlaßten. Er ge¬
hörte zu der wahrhaft ehrwürdigen Schaar katholischer Kirchenfürsten, welche
den Frieden zwischen Kirche und Staat als die selbstverständliche Hauptbe¬
dingung des Gedeihens für beide und der Beförderung der echten Christlichkeit
im Volke betrachteten und darnach handelten. Seit dem westfälischen Frieden
hatte sich im deutschen Reiche eine Praxis gebildet, die im Großen und Ganzen
thatsächlich diesem Prinzip folgte und wo Conflicte vorkamen, wo nament¬
lich die staatsrechtlich garantirte Parität der Evangelischen von katholischer
Seite verletzt wurde, waren es nicht die Bischöfe, überhaupt nicht die officiellen
Vertreter der deutschen katholischen Kirche, die dafür verantwortlich gemacht
werden konnten, sondern fast ausnahmslos die Jesuiten und anderes wälsches
Geschmeiße, das sich mit Umgehung der Kirchenoberen an den Höfen einnistete
und bornirter und fanatischer Fürsten und Vornehmen bemächtigte, um sie als
Friedensstörer zu mißbrauchen. Im 17. und 18. Jahrhundert mochten es
überwiegend Motive des Verstandes sein, welche die Häupter der deutschen
Kirche zu einem solchen Verhalten bewogen: sie erkannten, daß ihre eigene
Existenz unauflöslich mit dem Bestand der Reichsverfassung verknüpft war
und der Bestand der letzteren beruhte wieder auf dem eigentlichen Fundamen¬
talsatze des ganzen Reichsstaatsrechtes seit dem dreißigjährigen Kriege, der recht¬
lichen Parität zwischen dem katholischen und protestantischen Theile innerhalb
der ein für allemal genau gezogenen Grenzen. Die furchtbaren Lehren jener
Katastrophe, die wesentlich nur durch den Versuch katholischer Seits, das bereits
eingelebte Verhältniß umzustoßen, erfolgt war, wirkten noch nach. Man war
sich bewußt, daß jedes neue ähnliche Attentat ähnliche Folgen haben werde und
so bildete sich eine wahrhaft conservative Kirchenpolitik in Deutschland, deren
glückliche Wirkungen ohne jene Hetzereien der Jesuiten noch viel größer hätten
sein können. Aber sie reichten wenigstens aus, um beiden Theilen die Ueber-


menfabrikation im Allgemeinen, und weil, wie jeder einigermaßen eingeweihte
wußte, noch andere jesuitische Pläne dahinter verborgen lagen, von denen einer,
die päpstliche Unfehlbarkeit, auch rasch genug zur Wirklichkeit sich gestaltet
hat. —

Schließlich sei noch gestattet, wenigstens eine der großen Lehren, die
uns diese Persönlichkeit giebt, anzudeuten und sie der Erwägung aller derer
zu empfehlen, denen Religion und Kirche, Vaterland und Staat etwas mehr
als eine bloße Phrase ist.

Selten wird man Gelegenheit haben, den unversöhnlichen Gegensatz des
Romanismus oder was jetzt leider identisch ist, des officiellen Katholicismus
der Gegenwart zu dem modernen Staat, insbesondere dem deutschen oder
preußischen, so schlagend, wir möchten fast sagen drastisch heraustreten zu sehen,
wie in den Evolutionen, welche den Rücktritt Sedlnitzky's veranlaßten. Er ge¬
hörte zu der wahrhaft ehrwürdigen Schaar katholischer Kirchenfürsten, welche
den Frieden zwischen Kirche und Staat als die selbstverständliche Hauptbe¬
dingung des Gedeihens für beide und der Beförderung der echten Christlichkeit
im Volke betrachteten und darnach handelten. Seit dem westfälischen Frieden
hatte sich im deutschen Reiche eine Praxis gebildet, die im Großen und Ganzen
thatsächlich diesem Prinzip folgte und wo Conflicte vorkamen, wo nament¬
lich die staatsrechtlich garantirte Parität der Evangelischen von katholischer
Seite verletzt wurde, waren es nicht die Bischöfe, überhaupt nicht die officiellen
Vertreter der deutschen katholischen Kirche, die dafür verantwortlich gemacht
werden konnten, sondern fast ausnahmslos die Jesuiten und anderes wälsches
Geschmeiße, das sich mit Umgehung der Kirchenoberen an den Höfen einnistete
und bornirter und fanatischer Fürsten und Vornehmen bemächtigte, um sie als
Friedensstörer zu mißbrauchen. Im 17. und 18. Jahrhundert mochten es
überwiegend Motive des Verstandes sein, welche die Häupter der deutschen
Kirche zu einem solchen Verhalten bewogen: sie erkannten, daß ihre eigene
Existenz unauflöslich mit dem Bestand der Reichsverfassung verknüpft war
und der Bestand der letzteren beruhte wieder auf dem eigentlichen Fundamen¬
talsatze des ganzen Reichsstaatsrechtes seit dem dreißigjährigen Kriege, der recht¬
lichen Parität zwischen dem katholischen und protestantischen Theile innerhalb
der ein für allemal genau gezogenen Grenzen. Die furchtbaren Lehren jener
Katastrophe, die wesentlich nur durch den Versuch katholischer Seits, das bereits
eingelebte Verhältniß umzustoßen, erfolgt war, wirkten noch nach. Man war
sich bewußt, daß jedes neue ähnliche Attentat ähnliche Folgen haben werde und
so bildete sich eine wahrhaft conservative Kirchenpolitik in Deutschland, deren
glückliche Wirkungen ohne jene Hetzereien der Jesuiten noch viel größer hätten
sein können. Aber sie reichten wenigstens aus, um beiden Theilen die Ueber-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/286>, abgerufen am 22.12.2024.