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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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Fäuste und ein Mundwerk, welches alle ihre Feinde begeifert und besudelt.
So werden die Teutonen in dem letzten Werke schlimm genug behandelt,
aber deswegen bleibt der Vorrang des germanischen Geistes über den gallisch¬
romanischen nicht minder bestehen, wie die früheren Opfer der Muse des großen
welschen Phraseologen. -- Alexander Dumas ist nach dem Kriege dahin
geschieden und Victor Hugo ist leider bei der Beerdigung seines romantischen
Freundes nicht zugegen gewesen. Er hat dem Sohne seines Freundes nur
einen ziemlich ungeschickten Brief gesandt, wie er dergleichen in den letzten
Jahren den Ersten Besten über Alles und noch einiges Andere in bekannter
Manier geschrieben hat.

Die Lücke des Vaters füllt Dumas Sohn keineswegs aus. Vielmehr
liegt ein ungeheurer Abstand zwischen beiden. Dem Vater kann man Genie
nicht bestreiten, obwohl er auf ganz unverschämte Weise mit vollen Händen
doch gar zuviel gestohlen hat. Dem Sohne möchte man manchmal selbst das
Talent streitig machen und er ist sogar in sittlicher Hinsicht tief unter
seinen Vater zu stellen. Das zuletzt erschienene Werkchen von Dumas Sohn
ist "das Mannweib" (I^g, temwe-nomwö). Es ist in Folge des Processes Du-
boury, der bekanntlich seine Frau erdolchthat, geschrieben und Dumas hat die
Gelegenheit benutzt die Freiheit, zu deutsch die Liederlichkeit der verheiratheten
Frauen zu beschönigen. Die Schrift verhüllt ihre gemeine Lüsternheit und Frivoli¬
tät unter einer Art von dogmatischen Ton, der dem Franzosen im Allgemeinen
und Herrn Dumas im Besonderen ohnehin sehr schlecht steht.

Herr Droz hat Nonsieur, Na<ig.w6 et bei Hetzel herausgegeben
und der Roman hat bereits fünf oder sechs Ausgaben erlebt. Der Verfasser
ist der Sohn eines ernsten Mannes, eines Mitgliedes des Instituts und
Nationalöconomen, dem jedoch seine Schriften wenig eingebracht haben,
so daß der Sohn zu einem luerativeren Zweige der Literatur gegriffen hat.
Wir kommen auf die Schrift zurück.

So eben ist Adolph Geroult, der Salm-Simonist in Vichy in
seinem 62. Jahre gestorben, ohne von der Opinion Nationale reich ge¬
worden zu sein. Sein Neffe ist ein tüchtiger Romanschriftsteller, der besonders
die Welt der gemeinen Verbrecher meisterhaft schildert, und die Verbrecherwelt
nährt in Paris ihren Mann viel besser als die Religion und Moral seines
Onkels dies bei diesem zu thun im Stande war.

Während die Musik von Offenbach in Paris auch nach dem Kriege ent¬
schieden populär bleibt, ist Robegas in Marseille ausgezischt worden; im Pariser
Vaudeville hat er aber eine Menge von Vorstellungen erlebt, was beweisen
würde, daß die Marseille! entschiedene Republikaner sind, und keine bona¬
partistische Literatur leiden mögen. Die Moral wird wol schwerlich ihre
Herrschaft in Frankreich begründen. ^.irMee ^.oKariZ hat eine sehr moralische


Fäuste und ein Mundwerk, welches alle ihre Feinde begeifert und besudelt.
So werden die Teutonen in dem letzten Werke schlimm genug behandelt,
aber deswegen bleibt der Vorrang des germanischen Geistes über den gallisch¬
romanischen nicht minder bestehen, wie die früheren Opfer der Muse des großen
welschen Phraseologen. — Alexander Dumas ist nach dem Kriege dahin
geschieden und Victor Hugo ist leider bei der Beerdigung seines romantischen
Freundes nicht zugegen gewesen. Er hat dem Sohne seines Freundes nur
einen ziemlich ungeschickten Brief gesandt, wie er dergleichen in den letzten
Jahren den Ersten Besten über Alles und noch einiges Andere in bekannter
Manier geschrieben hat.

Die Lücke des Vaters füllt Dumas Sohn keineswegs aus. Vielmehr
liegt ein ungeheurer Abstand zwischen beiden. Dem Vater kann man Genie
nicht bestreiten, obwohl er auf ganz unverschämte Weise mit vollen Händen
doch gar zuviel gestohlen hat. Dem Sohne möchte man manchmal selbst das
Talent streitig machen und er ist sogar in sittlicher Hinsicht tief unter
seinen Vater zu stellen. Das zuletzt erschienene Werkchen von Dumas Sohn
ist „das Mannweib" (I^g, temwe-nomwö). Es ist in Folge des Processes Du-
boury, der bekanntlich seine Frau erdolchthat, geschrieben und Dumas hat die
Gelegenheit benutzt die Freiheit, zu deutsch die Liederlichkeit der verheiratheten
Frauen zu beschönigen. Die Schrift verhüllt ihre gemeine Lüsternheit und Frivoli¬
tät unter einer Art von dogmatischen Ton, der dem Franzosen im Allgemeinen
und Herrn Dumas im Besonderen ohnehin sehr schlecht steht.

Herr Droz hat Nonsieur, Na<ig.w6 et bei Hetzel herausgegeben
und der Roman hat bereits fünf oder sechs Ausgaben erlebt. Der Verfasser
ist der Sohn eines ernsten Mannes, eines Mitgliedes des Instituts und
Nationalöconomen, dem jedoch seine Schriften wenig eingebracht haben,
so daß der Sohn zu einem luerativeren Zweige der Literatur gegriffen hat.
Wir kommen auf die Schrift zurück.

So eben ist Adolph Geroult, der Salm-Simonist in Vichy in
seinem 62. Jahre gestorben, ohne von der Opinion Nationale reich ge¬
worden zu sein. Sein Neffe ist ein tüchtiger Romanschriftsteller, der besonders
die Welt der gemeinen Verbrecher meisterhaft schildert, und die Verbrecherwelt
nährt in Paris ihren Mann viel besser als die Religion und Moral seines
Onkels dies bei diesem zu thun im Stande war.

Während die Musik von Offenbach in Paris auch nach dem Kriege ent¬
schieden populär bleibt, ist Robegas in Marseille ausgezischt worden; im Pariser
Vaudeville hat er aber eine Menge von Vorstellungen erlebt, was beweisen
würde, daß die Marseille! entschiedene Republikaner sind, und keine bona¬
partistische Literatur leiden mögen. Die Moral wird wol schwerlich ihre
Herrschaft in Frankreich begründen. ^.irMee ^.oKariZ hat eine sehr moralische


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[0273] Fäuste und ein Mundwerk, welches alle ihre Feinde begeifert und besudelt. So werden die Teutonen in dem letzten Werke schlimm genug behandelt, aber deswegen bleibt der Vorrang des germanischen Geistes über den gallisch¬ romanischen nicht minder bestehen, wie die früheren Opfer der Muse des großen welschen Phraseologen. — Alexander Dumas ist nach dem Kriege dahin geschieden und Victor Hugo ist leider bei der Beerdigung seines romantischen Freundes nicht zugegen gewesen. Er hat dem Sohne seines Freundes nur einen ziemlich ungeschickten Brief gesandt, wie er dergleichen in den letzten Jahren den Ersten Besten über Alles und noch einiges Andere in bekannter Manier geschrieben hat. Die Lücke des Vaters füllt Dumas Sohn keineswegs aus. Vielmehr liegt ein ungeheurer Abstand zwischen beiden. Dem Vater kann man Genie nicht bestreiten, obwohl er auf ganz unverschämte Weise mit vollen Händen doch gar zuviel gestohlen hat. Dem Sohne möchte man manchmal selbst das Talent streitig machen und er ist sogar in sittlicher Hinsicht tief unter seinen Vater zu stellen. Das zuletzt erschienene Werkchen von Dumas Sohn ist „das Mannweib" (I^g, temwe-nomwö). Es ist in Folge des Processes Du- boury, der bekanntlich seine Frau erdolchthat, geschrieben und Dumas hat die Gelegenheit benutzt die Freiheit, zu deutsch die Liederlichkeit der verheiratheten Frauen zu beschönigen. Die Schrift verhüllt ihre gemeine Lüsternheit und Frivoli¬ tät unter einer Art von dogmatischen Ton, der dem Franzosen im Allgemeinen und Herrn Dumas im Besonderen ohnehin sehr schlecht steht. Herr Droz hat Nonsieur, Na<ig.w6 et bei Hetzel herausgegeben und der Roman hat bereits fünf oder sechs Ausgaben erlebt. Der Verfasser ist der Sohn eines ernsten Mannes, eines Mitgliedes des Instituts und Nationalöconomen, dem jedoch seine Schriften wenig eingebracht haben, so daß der Sohn zu einem luerativeren Zweige der Literatur gegriffen hat. Wir kommen auf die Schrift zurück. So eben ist Adolph Geroult, der Salm-Simonist in Vichy in seinem 62. Jahre gestorben, ohne von der Opinion Nationale reich ge¬ worden zu sein. Sein Neffe ist ein tüchtiger Romanschriftsteller, der besonders die Welt der gemeinen Verbrecher meisterhaft schildert, und die Verbrecherwelt nährt in Paris ihren Mann viel besser als die Religion und Moral seines Onkels dies bei diesem zu thun im Stande war. Während die Musik von Offenbach in Paris auch nach dem Kriege ent¬ schieden populär bleibt, ist Robegas in Marseille ausgezischt worden; im Pariser Vaudeville hat er aber eine Menge von Vorstellungen erlebt, was beweisen würde, daß die Marseille! entschiedene Republikaner sind, und keine bona¬ partistische Literatur leiden mögen. Die Moral wird wol schwerlich ihre Herrschaft in Frankreich begründen. ^.irMee ^.oKariZ hat eine sehr moralische

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/273>, abgerufen am 25.08.2024.