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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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Vereinigten Staaten und den britischen Besitzungen westwärts dem 49. Breiten¬
grade entlang laufen solle bis in die Mitte des Canals, welcher das Festland
von der Vancouver-Jnsel trennt und dann südlich durch die Mitte des
besagten Canals und die Fuca-Straße bis zum pacifischen Ocean.

Zwischen dem Festlande und der Vancouver-Jnsel liegt nun aber nicht
ein Canal, sondern deren zwei, die Rosario- und Harostraße. Der ganze
San-Juanarchipel ist im Grenzvertrag unerwähnt geblieben und natürlich
glaubte jeder von beiden Theilen den Löwenantheil für sich beanspruchen zu
können. Was die amerikanische Ansicht von der Sache betrifft, so ist sie
in der Staatsschrift, "IKs uortd^vesterii Lounäg^-Husstion" , die im
verflossenen Jahr zu Washington erschien, niedergelegt worden und aus dieser
umfangreichen Schrift hat auch Dr. G. Bancroft, unser Gesandter am deutschen
Hofe, wesentlich geschöpft. Eine Darlegung der wichtigsten Punkte nach dieser
für den Senat gedruckten Schrift wird Ihren Lesern gewiß willkommen sein,
da sie so am schnellsten orientirt werden. In der Einleitung heißt es: "Jeder
Beamte dieser Regierung, der an der Unterhandlung, Annahme und Ratifi-
cation des Vertrages irgend einen Antheil hatte, stimmte demselben mit dem
vollen Verständniß bei, daß man in der Abweichung der Grenze vom 49.
Grade der Breite blos zu dem Zwecke gewilligt habe, um die ganze Van¬
couver-Jnsel Großbritannien zu lassen*), und daß, um diesen Zweck zu er¬
reichen, die Linie durch den Canal von Haro nach der Meerenge von Fuca
auf dem Wege nach dem Stillen Ocean gezogen worden sei."

Was nun die hauptsächlichsten amerikanischen Beweisgründe für diese An¬
sicht sind, so lassen sie sich nach der Staatsschrift folgendermaßen summiren.

Vom geographischen Standpunkte aus fällt ins Gewicht, daß der Haro-
canal der kürzeste, tiefste und breiteste der in Frage kommenden Canäle ist,
durch ihn geht die Hauptwassermasse in den Ocean. Die geringste Tiefe im
Haroccmal ist größer als die größte Tiefe im Rosariocanal. Geht man daher
von der Ansicht aus, daß das tiefste Wasser die Grenze bilden solle, so muß
diese in den Haroccmal gelegt werden. Auch aus den Verhandlungen, welche
über die Gestaltung der Grenze, vor Abschluß des Vertrages geführt wurden,
ergiebt sich, daß die Amerikaner Anspruch auf den Archipel haben. So schrieb
der amerikanische Gesandte in London Louis Mac Lane am 18- Mai 1846
an Buchanan: "es könne eine Uebereinkunft dadurch getroffen werden, daß man
die Grenze längs dem 49. Breitengrade nach dem Meere, und von da durch
den Haro canal und die Fucastraße an den Ocean ziehe." Endlich gehören



") Im allgemeinen gilt der 49. Grad als Grenze. Hätten die Amerikaner überall darauf
bestanden, daß diese Grenze strikt durchgeführt worden wäre, so hätten sie noch den südlichen
Theil der Vancouver-Jnsel erhalten und eine San-Juan-Frage existirte nicht. Die Yankees,
die sonst überall mit großen Tatzen gerne zugreifen, waren hier aber ausnahmsweise bescheiden.

Vereinigten Staaten und den britischen Besitzungen westwärts dem 49. Breiten¬
grade entlang laufen solle bis in die Mitte des Canals, welcher das Festland
von der Vancouver-Jnsel trennt und dann südlich durch die Mitte des
besagten Canals und die Fuca-Straße bis zum pacifischen Ocean.

Zwischen dem Festlande und der Vancouver-Jnsel liegt nun aber nicht
ein Canal, sondern deren zwei, die Rosario- und Harostraße. Der ganze
San-Juanarchipel ist im Grenzvertrag unerwähnt geblieben und natürlich
glaubte jeder von beiden Theilen den Löwenantheil für sich beanspruchen zu
können. Was die amerikanische Ansicht von der Sache betrifft, so ist sie
in der Staatsschrift, „IKs uortd^vesterii Lounäg^-Husstion" , die im
verflossenen Jahr zu Washington erschien, niedergelegt worden und aus dieser
umfangreichen Schrift hat auch Dr. G. Bancroft, unser Gesandter am deutschen
Hofe, wesentlich geschöpft. Eine Darlegung der wichtigsten Punkte nach dieser
für den Senat gedruckten Schrift wird Ihren Lesern gewiß willkommen sein,
da sie so am schnellsten orientirt werden. In der Einleitung heißt es: „Jeder
Beamte dieser Regierung, der an der Unterhandlung, Annahme und Ratifi-
cation des Vertrages irgend einen Antheil hatte, stimmte demselben mit dem
vollen Verständniß bei, daß man in der Abweichung der Grenze vom 49.
Grade der Breite blos zu dem Zwecke gewilligt habe, um die ganze Van¬
couver-Jnsel Großbritannien zu lassen*), und daß, um diesen Zweck zu er¬
reichen, die Linie durch den Canal von Haro nach der Meerenge von Fuca
auf dem Wege nach dem Stillen Ocean gezogen worden sei."

Was nun die hauptsächlichsten amerikanischen Beweisgründe für diese An¬
sicht sind, so lassen sie sich nach der Staatsschrift folgendermaßen summiren.

Vom geographischen Standpunkte aus fällt ins Gewicht, daß der Haro-
canal der kürzeste, tiefste und breiteste der in Frage kommenden Canäle ist,
durch ihn geht die Hauptwassermasse in den Ocean. Die geringste Tiefe im
Haroccmal ist größer als die größte Tiefe im Rosariocanal. Geht man daher
von der Ansicht aus, daß das tiefste Wasser die Grenze bilden solle, so muß
diese in den Haroccmal gelegt werden. Auch aus den Verhandlungen, welche
über die Gestaltung der Grenze, vor Abschluß des Vertrages geführt wurden,
ergiebt sich, daß die Amerikaner Anspruch auf den Archipel haben. So schrieb
der amerikanische Gesandte in London Louis Mac Lane am 18- Mai 1846
an Buchanan: „es könne eine Uebereinkunft dadurch getroffen werden, daß man
die Grenze längs dem 49. Breitengrade nach dem Meere, und von da durch
den Haro canal und die Fucastraße an den Ocean ziehe." Endlich gehören



") Im allgemeinen gilt der 49. Grad als Grenze. Hätten die Amerikaner überall darauf
bestanden, daß diese Grenze strikt durchgeführt worden wäre, so hätten sie noch den südlichen
Theil der Vancouver-Jnsel erhalten und eine San-Juan-Frage existirte nicht. Die Yankees,
die sonst überall mit großen Tatzen gerne zugreifen, waren hier aber ausnahmsweise bescheiden.
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[0237] Vereinigten Staaten und den britischen Besitzungen westwärts dem 49. Breiten¬ grade entlang laufen solle bis in die Mitte des Canals, welcher das Festland von der Vancouver-Jnsel trennt und dann südlich durch die Mitte des besagten Canals und die Fuca-Straße bis zum pacifischen Ocean. Zwischen dem Festlande und der Vancouver-Jnsel liegt nun aber nicht ein Canal, sondern deren zwei, die Rosario- und Harostraße. Der ganze San-Juanarchipel ist im Grenzvertrag unerwähnt geblieben und natürlich glaubte jeder von beiden Theilen den Löwenantheil für sich beanspruchen zu können. Was die amerikanische Ansicht von der Sache betrifft, so ist sie in der Staatsschrift, „IKs uortd^vesterii Lounäg^-Husstion" , die im verflossenen Jahr zu Washington erschien, niedergelegt worden und aus dieser umfangreichen Schrift hat auch Dr. G. Bancroft, unser Gesandter am deutschen Hofe, wesentlich geschöpft. Eine Darlegung der wichtigsten Punkte nach dieser für den Senat gedruckten Schrift wird Ihren Lesern gewiß willkommen sein, da sie so am schnellsten orientirt werden. In der Einleitung heißt es: „Jeder Beamte dieser Regierung, der an der Unterhandlung, Annahme und Ratifi- cation des Vertrages irgend einen Antheil hatte, stimmte demselben mit dem vollen Verständniß bei, daß man in der Abweichung der Grenze vom 49. Grade der Breite blos zu dem Zwecke gewilligt habe, um die ganze Van¬ couver-Jnsel Großbritannien zu lassen*), und daß, um diesen Zweck zu er¬ reichen, die Linie durch den Canal von Haro nach der Meerenge von Fuca auf dem Wege nach dem Stillen Ocean gezogen worden sei." Was nun die hauptsächlichsten amerikanischen Beweisgründe für diese An¬ sicht sind, so lassen sie sich nach der Staatsschrift folgendermaßen summiren. Vom geographischen Standpunkte aus fällt ins Gewicht, daß der Haro- canal der kürzeste, tiefste und breiteste der in Frage kommenden Canäle ist, durch ihn geht die Hauptwassermasse in den Ocean. Die geringste Tiefe im Haroccmal ist größer als die größte Tiefe im Rosariocanal. Geht man daher von der Ansicht aus, daß das tiefste Wasser die Grenze bilden solle, so muß diese in den Haroccmal gelegt werden. Auch aus den Verhandlungen, welche über die Gestaltung der Grenze, vor Abschluß des Vertrages geführt wurden, ergiebt sich, daß die Amerikaner Anspruch auf den Archipel haben. So schrieb der amerikanische Gesandte in London Louis Mac Lane am 18- Mai 1846 an Buchanan: „es könne eine Uebereinkunft dadurch getroffen werden, daß man die Grenze längs dem 49. Breitengrade nach dem Meere, und von da durch den Haro canal und die Fucastraße an den Ocean ziehe." Endlich gehören ") Im allgemeinen gilt der 49. Grad als Grenze. Hätten die Amerikaner überall darauf bestanden, daß diese Grenze strikt durchgeführt worden wäre, so hätten sie noch den südlichen Theil der Vancouver-Jnsel erhalten und eine San-Juan-Frage existirte nicht. Die Yankees, die sonst überall mit großen Tatzen gerne zugreifen, waren hier aber ausnahmsweise bescheiden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/237>, abgerufen am 22.07.2024.