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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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werden konnten. Aehnliche Gründe sprachen gegen die Gründung nei:r ge¬
schlossener Gesellschaften. Unter sehr schwierigen Verhältnissen constituir > sich
die bedeutende "Vereinsgesellschaft" 1823, an welche noch 1832 eine ausdrückliche
Bestätigung und förmliche Concession nicht ertheilt wurde.




Die Industrie Kuszlands.

Mit Pomp und Prahl ist in diesen Tagen von den Russen das Jubiläum
Peters des Großen begangen worden, und sie haben recht daran gethan sich
des Zaren zu erinnern, der vorzugsweise seine Aufmerksamkeit darauf lenkte,
die Arbeit in Nußland dadurch zu organisiren, daß er geschickte Lehrmeister
in das Land berief. Die Lehrzeit für Nußland ist im großen Ganzen jetzt
abgelaufen und zeigt es sich auch wenig dankbar gegenüber seinen Lehrern,
gedenkt es dessen nicht, was es namentlich auf allen Gebieten des Wissens und
Könnens den Deutschen verdankt, so haben wir doch keine Ursache uns ihm
fernerweit vormundschaftlich aufzudrängen, wenn es glaubt auf eigenen Füßen
stehen zu können. Daß ein ganz kolossaler Fortschritt auf den verschiedensten
Gebieten in Rußland stattfand, darüber wird sich wohl kaum noch Jemand
täuschen; am wenigsten uns Deutschen stände es an hier, wie der Vogel Strauß,
den Kopf in einem Steinhaufen verbergen und vornehm spöttelnd auf den
östlichen Nachbar herabsehen zu wollen. Das typische Geschrei von Mongolen,
Finnen und Asiaten, von Knute und Barbarei muß sehr beschränkt werden,
wir müssen offen und klar der Entwicklung unsres Nachbars ins Auge schauen,
sehen wo seine Hilfsquellen liegen, wie er sie verwerthet. Ignoranz auf unserer
Seite könnte sich aber einmal ebenso rächen, wie bei den Franzosen uns
gegenüber. Einen Popanz wollen wir nicht an die Wand malen, aber es
thut Noth, daß Deutschland seine Augen offen hält. Sind wir doch zu Hause
und vertraut mit den Verhältnissen auf den Südseeinseln oder in Ostasien,
warum sollten wir uns der Kenntniß der Dinge in Rußland verschließen?

Seit Peter dem Großen hat sich ein Strom industrieller deutscher Kräfte
über Rußland ergossen, der trotz des Aufschwungs, welchen die heimische In¬
dustrie genommen, trotz mancher Misgunst, die den Ankömmlingen begegnet,
auch heute noch nicht nachgelassen hat. Daß dadurch der nationalen Ent¬
wicklung entgegen gearbeitet worden wäre, läßt sich nicht sagen; im Gegentheil
sie wurde herausgefordert, gehoben. Peter kannte sein Land, wußte, wie wenige
Regenten, was ihm Noth that, und seinem Scharfblicke entging keine der
großen Hilfsquellen Rußlands, an deren Erschließung er mit so großer Energie
arbeitete. Die ersten großen Fabriken verdanken ihm, der aus Holland allein


werden konnten. Aehnliche Gründe sprachen gegen die Gründung nei:r ge¬
schlossener Gesellschaften. Unter sehr schwierigen Verhältnissen constituir > sich
die bedeutende „Vereinsgesellschaft" 1823, an welche noch 1832 eine ausdrückliche
Bestätigung und förmliche Concession nicht ertheilt wurde.




Die Industrie Kuszlands.

Mit Pomp und Prahl ist in diesen Tagen von den Russen das Jubiläum
Peters des Großen begangen worden, und sie haben recht daran gethan sich
des Zaren zu erinnern, der vorzugsweise seine Aufmerksamkeit darauf lenkte,
die Arbeit in Nußland dadurch zu organisiren, daß er geschickte Lehrmeister
in das Land berief. Die Lehrzeit für Nußland ist im großen Ganzen jetzt
abgelaufen und zeigt es sich auch wenig dankbar gegenüber seinen Lehrern,
gedenkt es dessen nicht, was es namentlich auf allen Gebieten des Wissens und
Könnens den Deutschen verdankt, so haben wir doch keine Ursache uns ihm
fernerweit vormundschaftlich aufzudrängen, wenn es glaubt auf eigenen Füßen
stehen zu können. Daß ein ganz kolossaler Fortschritt auf den verschiedensten
Gebieten in Rußland stattfand, darüber wird sich wohl kaum noch Jemand
täuschen; am wenigsten uns Deutschen stände es an hier, wie der Vogel Strauß,
den Kopf in einem Steinhaufen verbergen und vornehm spöttelnd auf den
östlichen Nachbar herabsehen zu wollen. Das typische Geschrei von Mongolen,
Finnen und Asiaten, von Knute und Barbarei muß sehr beschränkt werden,
wir müssen offen und klar der Entwicklung unsres Nachbars ins Auge schauen,
sehen wo seine Hilfsquellen liegen, wie er sie verwerthet. Ignoranz auf unserer
Seite könnte sich aber einmal ebenso rächen, wie bei den Franzosen uns
gegenüber. Einen Popanz wollen wir nicht an die Wand malen, aber es
thut Noth, daß Deutschland seine Augen offen hält. Sind wir doch zu Hause
und vertraut mit den Verhältnissen auf den Südseeinseln oder in Ostasien,
warum sollten wir uns der Kenntniß der Dinge in Rußland verschließen?

Seit Peter dem Großen hat sich ein Strom industrieller deutscher Kräfte
über Rußland ergossen, der trotz des Aufschwungs, welchen die heimische In¬
dustrie genommen, trotz mancher Misgunst, die den Ankömmlingen begegnet,
auch heute noch nicht nachgelassen hat. Daß dadurch der nationalen Ent¬
wicklung entgegen gearbeitet worden wäre, läßt sich nicht sagen; im Gegentheil
sie wurde herausgefordert, gehoben. Peter kannte sein Land, wußte, wie wenige
Regenten, was ihm Noth that, und seinem Scharfblicke entging keine der
großen Hilfsquellen Rußlands, an deren Erschließung er mit so großer Energie
arbeitete. Die ersten großen Fabriken verdanken ihm, der aus Holland allein


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[0023] werden konnten. Aehnliche Gründe sprachen gegen die Gründung nei:r ge¬ schlossener Gesellschaften. Unter sehr schwierigen Verhältnissen constituir > sich die bedeutende „Vereinsgesellschaft" 1823, an welche noch 1832 eine ausdrückliche Bestätigung und förmliche Concession nicht ertheilt wurde. Die Industrie Kuszlands. Mit Pomp und Prahl ist in diesen Tagen von den Russen das Jubiläum Peters des Großen begangen worden, und sie haben recht daran gethan sich des Zaren zu erinnern, der vorzugsweise seine Aufmerksamkeit darauf lenkte, die Arbeit in Nußland dadurch zu organisiren, daß er geschickte Lehrmeister in das Land berief. Die Lehrzeit für Nußland ist im großen Ganzen jetzt abgelaufen und zeigt es sich auch wenig dankbar gegenüber seinen Lehrern, gedenkt es dessen nicht, was es namentlich auf allen Gebieten des Wissens und Könnens den Deutschen verdankt, so haben wir doch keine Ursache uns ihm fernerweit vormundschaftlich aufzudrängen, wenn es glaubt auf eigenen Füßen stehen zu können. Daß ein ganz kolossaler Fortschritt auf den verschiedensten Gebieten in Rußland stattfand, darüber wird sich wohl kaum noch Jemand täuschen; am wenigsten uns Deutschen stände es an hier, wie der Vogel Strauß, den Kopf in einem Steinhaufen verbergen und vornehm spöttelnd auf den östlichen Nachbar herabsehen zu wollen. Das typische Geschrei von Mongolen, Finnen und Asiaten, von Knute und Barbarei muß sehr beschränkt werden, wir müssen offen und klar der Entwicklung unsres Nachbars ins Auge schauen, sehen wo seine Hilfsquellen liegen, wie er sie verwerthet. Ignoranz auf unserer Seite könnte sich aber einmal ebenso rächen, wie bei den Franzosen uns gegenüber. Einen Popanz wollen wir nicht an die Wand malen, aber es thut Noth, daß Deutschland seine Augen offen hält. Sind wir doch zu Hause und vertraut mit den Verhältnissen auf den Südseeinseln oder in Ostasien, warum sollten wir uns der Kenntniß der Dinge in Rußland verschließen? Seit Peter dem Großen hat sich ein Strom industrieller deutscher Kräfte über Rußland ergossen, der trotz des Aufschwungs, welchen die heimische In¬ dustrie genommen, trotz mancher Misgunst, die den Ankömmlingen begegnet, auch heute noch nicht nachgelassen hat. Daß dadurch der nationalen Ent¬ wicklung entgegen gearbeitet worden wäre, läßt sich nicht sagen; im Gegentheil sie wurde herausgefordert, gehoben. Peter kannte sein Land, wußte, wie wenige Regenten, was ihm Noth that, und seinem Scharfblicke entging keine der großen Hilfsquellen Rußlands, an deren Erschließung er mit so großer Energie arbeitete. Die ersten großen Fabriken verdanken ihm, der aus Holland allein

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/23>, abgerufen am 22.07.2024.