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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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gestimmt und bin es noch, nicht wegen dem schweren Stande hier, sondern
weil durch das sündliche Verfahren in Leipzig der Rückhalt weggezogen wird,
weil man aus dem schlechten Feldzuge nicht auf ein sichres Lager blicken kann.
Fallen im Kampfe, das ist nichts, es ist sogar schön, aber ohne alle Schuld
zu Grunde gerichtet werden, das ist abscheulich. Wenn ich nicht gewählt werde,
wie das sehr wahrscheinlich ist, so schickst Du mir natürlich nichts, ich reise
dann sofort ab, um nicht trauriger Zeuge der Eröffnung seyn zu müssen --
Lebe recht wohl, bleibe gesund, lasse den Kindern den Zügel nicht zu sehr
schießen, bald werde ich ja wiederkommen und helfen erziehen. Nochmals lebe
wohl, empfiehl mich allen Bekannten als bald Ankommenden und nimm bis
dahin herzlich Gruß und Kuß von


DeinemRobert."

9. Mai 1848.

Auf der Rückseite:

"Eben erhalte ich die Kunde der Wahl. Lege der Sendung etwas Visiten¬
B." karten bei.

Die folgenden Briefe an seine Frau bieten interessante Bilder aus dem
parlamentarischen Leben Blums, und zeichnen seinen Charakter besser als lange
Abhandlungen.

D "Liebe Jenny. er Sturm hat seit vorgestern wieder begonnen und Nacht
und Tag vermengen sich bei uns in der sonderbarsten Weise. Erwarte daher
jetzt keine Briefe, ab- und zu ein Zettelchen sollst Du haben. Georg*),
Schaffrath und ich -- wir wohnen jetzt zusammen in einer prächtigen
Wohnung mit schönem Garten und bezaubernder Aussicht. Georg ist der
unerbittliche Wecker, wenn wir morgens oft nur zwei, höchstens drei Stunden
geschlafen haben. Denn frühestens kommen wir 1 Uhr nach Hause und
stehen um 4 Uhr wieder auf. Geld **) haben wir noch nicht bekommen, sonst
würde ich Dir senden; indessen hoffe ich in den nächsten Tagen darauf. Bis
dahin wirst Du wohl reichen. Sieh in den Steuerbüchern nach, wenn Steuern
zu bezahlen sind, damit das nicht versäumt wird; nur etwaige Kirchensteuer,
d. h. für die römische Kirche, bezahle nicht. Bleibt recht gesund und munter,
wenn Ihr könnt, so schlaft etwas für mich, denn ich erhalte jetzt meinen Be.
darf nicht. Herzlichen Gruß und Kuß Dir und den Kindern


B."

19. Mai.

"----Also unsre Leute bekümmern sich gar nicht um Dich? Es
geht damit wie im Politischen, da bekümmern sie sich auch erst um die Dinge,
Wenns zu spät ist. Nun, Du kannst ja mitunter mit Cramers oder Frieses




*) Georg Günther, sein Schwager, Parlamentsmitglied.
") Diäten.
Grenzboten III. 1872. 27

gestimmt und bin es noch, nicht wegen dem schweren Stande hier, sondern
weil durch das sündliche Verfahren in Leipzig der Rückhalt weggezogen wird,
weil man aus dem schlechten Feldzuge nicht auf ein sichres Lager blicken kann.
Fallen im Kampfe, das ist nichts, es ist sogar schön, aber ohne alle Schuld
zu Grunde gerichtet werden, das ist abscheulich. Wenn ich nicht gewählt werde,
wie das sehr wahrscheinlich ist, so schickst Du mir natürlich nichts, ich reise
dann sofort ab, um nicht trauriger Zeuge der Eröffnung seyn zu müssen —
Lebe recht wohl, bleibe gesund, lasse den Kindern den Zügel nicht zu sehr
schießen, bald werde ich ja wiederkommen und helfen erziehen. Nochmals lebe
wohl, empfiehl mich allen Bekannten als bald Ankommenden und nimm bis
dahin herzlich Gruß und Kuß von


DeinemRobert."

9. Mai 1848.

Auf der Rückseite:

„Eben erhalte ich die Kunde der Wahl. Lege der Sendung etwas Visiten¬
B." karten bei.

Die folgenden Briefe an seine Frau bieten interessante Bilder aus dem
parlamentarischen Leben Blums, und zeichnen seinen Charakter besser als lange
Abhandlungen.

D „Liebe Jenny. er Sturm hat seit vorgestern wieder begonnen und Nacht
und Tag vermengen sich bei uns in der sonderbarsten Weise. Erwarte daher
jetzt keine Briefe, ab- und zu ein Zettelchen sollst Du haben. Georg*),
Schaffrath und ich — wir wohnen jetzt zusammen in einer prächtigen
Wohnung mit schönem Garten und bezaubernder Aussicht. Georg ist der
unerbittliche Wecker, wenn wir morgens oft nur zwei, höchstens drei Stunden
geschlafen haben. Denn frühestens kommen wir 1 Uhr nach Hause und
stehen um 4 Uhr wieder auf. Geld **) haben wir noch nicht bekommen, sonst
würde ich Dir senden; indessen hoffe ich in den nächsten Tagen darauf. Bis
dahin wirst Du wohl reichen. Sieh in den Steuerbüchern nach, wenn Steuern
zu bezahlen sind, damit das nicht versäumt wird; nur etwaige Kirchensteuer,
d. h. für die römische Kirche, bezahle nicht. Bleibt recht gesund und munter,
wenn Ihr könnt, so schlaft etwas für mich, denn ich erhalte jetzt meinen Be.
darf nicht. Herzlichen Gruß und Kuß Dir und den Kindern


B."

19. Mai.

„----Also unsre Leute bekümmern sich gar nicht um Dich? Es
geht damit wie im Politischen, da bekümmern sie sich auch erst um die Dinge,
Wenns zu spät ist. Nun, Du kannst ja mitunter mit Cramers oder Frieses




*) Georg Günther, sein Schwager, Parlamentsmitglied.
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[0217] gestimmt und bin es noch, nicht wegen dem schweren Stande hier, sondern weil durch das sündliche Verfahren in Leipzig der Rückhalt weggezogen wird, weil man aus dem schlechten Feldzuge nicht auf ein sichres Lager blicken kann. Fallen im Kampfe, das ist nichts, es ist sogar schön, aber ohne alle Schuld zu Grunde gerichtet werden, das ist abscheulich. Wenn ich nicht gewählt werde, wie das sehr wahrscheinlich ist, so schickst Du mir natürlich nichts, ich reise dann sofort ab, um nicht trauriger Zeuge der Eröffnung seyn zu müssen — Lebe recht wohl, bleibe gesund, lasse den Kindern den Zügel nicht zu sehr schießen, bald werde ich ja wiederkommen und helfen erziehen. Nochmals lebe wohl, empfiehl mich allen Bekannten als bald Ankommenden und nimm bis dahin herzlich Gruß und Kuß von DeinemRobert." 9. Mai 1848. Auf der Rückseite: „Eben erhalte ich die Kunde der Wahl. Lege der Sendung etwas Visiten¬ B." karten bei. Die folgenden Briefe an seine Frau bieten interessante Bilder aus dem parlamentarischen Leben Blums, und zeichnen seinen Charakter besser als lange Abhandlungen. D „Liebe Jenny. er Sturm hat seit vorgestern wieder begonnen und Nacht und Tag vermengen sich bei uns in der sonderbarsten Weise. Erwarte daher jetzt keine Briefe, ab- und zu ein Zettelchen sollst Du haben. Georg*), Schaffrath und ich — wir wohnen jetzt zusammen in einer prächtigen Wohnung mit schönem Garten und bezaubernder Aussicht. Georg ist der unerbittliche Wecker, wenn wir morgens oft nur zwei, höchstens drei Stunden geschlafen haben. Denn frühestens kommen wir 1 Uhr nach Hause und stehen um 4 Uhr wieder auf. Geld **) haben wir noch nicht bekommen, sonst würde ich Dir senden; indessen hoffe ich in den nächsten Tagen darauf. Bis dahin wirst Du wohl reichen. Sieh in den Steuerbüchern nach, wenn Steuern zu bezahlen sind, damit das nicht versäumt wird; nur etwaige Kirchensteuer, d. h. für die römische Kirche, bezahle nicht. Bleibt recht gesund und munter, wenn Ihr könnt, so schlaft etwas für mich, denn ich erhalte jetzt meinen Be. darf nicht. Herzlichen Gruß und Kuß Dir und den Kindern B." 19. Mai. „----Also unsre Leute bekümmern sich gar nicht um Dich? Es geht damit wie im Politischen, da bekümmern sie sich auch erst um die Dinge, Wenns zu spät ist. Nun, Du kannst ja mitunter mit Cramers oder Frieses *) Georg Günther, sein Schwager, Parlamentsmitglied. ") Diäten. Grenzboten III. 1872. 27

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/217>, abgerufen am 22.07.2024.