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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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Nach seiner Rückkehr nach Frankfurt schrieb er Anfang Mai an seine
Frau u. A.:

"--- --Rouge ist längst von hier fort und zwar nach Rendsburg;
es wäre gescheidt, wenn er sich irgendwo todt schießen ließe, denn seine Zeit
ist aus. Wenn auch Bertha darüber jammert, es wäre doch besser, denn er
arbeitet jetzt nur an seinem Untergange. -- Daß die Meinen gesund sind,
habe ich Dir von Cöln geschrieben; meine alte Mutter ist fast wahnsinnig
geworden vor Freude, daß ihrem Sohne ein Fackelzug gebracht wurde; wie
würde die sich freuen, wenn Du mit den Kindern nach Cöln kämst. Indessen
es kann nicht sein. Beruhigen wir uns, wir müssen der Zeit Opfer bringen.
Würde die Messe gut, so könntet Ihr Euch in eine rückgehende Kiste stecken
lassen, aber es werden nur volle Kisten zurückgehen. Hier wird nichts, rein
nichts verkauft. Lebe wohl, liebe Jenny, grüße und küsse mir die armen
Kinder, die jetzt auch niemals in die Kneipe kommen; sie sollen nur gut und
brav seyn, dann komme ich auch zurück und bringe ihnen etwas sehr Schönes
mit. Wenn ich nur die Ostertage dort seyn könnte! Es geht aber nicht,
also fort mit Wünschen, Bleibe gesund und munter. Von Herzen Gruß
Robert." und Kuß von Deinem

Am 3. Mai schrieb er an dieselbe:

G "Liebe Jenny. estern und heute waren Tage des Genusses für mich;
gestern hatten wir keine Sitzung, heute nur eine von kurzer Dauer und keine
Commissionsarbeiten. So sind wir denn gestern nach Homburg gefahren,
ein Paradies in Deutschland, herrlich am Fuße des Taunus gelegen, mild
wie der Süden, das lieblichste Städtchen und fröhliche Menschen. Und in
diesem Paradiese treibt der Teufel des Spiels sein Unwesen in größter Aus¬
dehnung; während wir schwelgten in der Natur, steckten vier Prachtsäle voll
Gauner, die sich das Gold abnahmen und bald mit Gier verschlangen, bald
mit Verzweiflung Hingaben. Heut waren wir in Frankfurts Nähe auf einem
Berge, der nächst dem Taunus auch eine prächtige Aussicht auf Stadt und
Fluß gewährte und dabei sehr gutes -- Bier bot. Solche Erholungspunkte
thun wahrlich wohl, man vergißt sein Elend dabei; und das Elend ist groß,
es ist doppelt schmerzlich, weil es unerwartet kommt. Diese Lumpen, die
jahrelang als freisinnig und entschieden galten, die man verehrte, sie sind jetzt
Stillstands- und Nückschrittsmenschen. Die Tyrannei ist überwunden, aber
dieses feige Geschlecht stellt sich in den Weg auf der Bahn zur Freiheit, Wir
könnten Deutschland regieren und dieses Volk ist zu erbärmlich, die losen
Zügel zu ergreifen, ja hält die Andern noch davon ab. Und das wird
immer schlimmer, denn die Republik hat Alles zu alten Weibern gemacht.
Hecker und Struve haben das Land verrathen nach dem Gesetz


Nach seiner Rückkehr nach Frankfurt schrieb er Anfang Mai an seine
Frau u. A.:

„—- --Rouge ist längst von hier fort und zwar nach Rendsburg;
es wäre gescheidt, wenn er sich irgendwo todt schießen ließe, denn seine Zeit
ist aus. Wenn auch Bertha darüber jammert, es wäre doch besser, denn er
arbeitet jetzt nur an seinem Untergange. — Daß die Meinen gesund sind,
habe ich Dir von Cöln geschrieben; meine alte Mutter ist fast wahnsinnig
geworden vor Freude, daß ihrem Sohne ein Fackelzug gebracht wurde; wie
würde die sich freuen, wenn Du mit den Kindern nach Cöln kämst. Indessen
es kann nicht sein. Beruhigen wir uns, wir müssen der Zeit Opfer bringen.
Würde die Messe gut, so könntet Ihr Euch in eine rückgehende Kiste stecken
lassen, aber es werden nur volle Kisten zurückgehen. Hier wird nichts, rein
nichts verkauft. Lebe wohl, liebe Jenny, grüße und küsse mir die armen
Kinder, die jetzt auch niemals in die Kneipe kommen; sie sollen nur gut und
brav seyn, dann komme ich auch zurück und bringe ihnen etwas sehr Schönes
mit. Wenn ich nur die Ostertage dort seyn könnte! Es geht aber nicht,
also fort mit Wünschen, Bleibe gesund und munter. Von Herzen Gruß
Robert." und Kuß von Deinem

Am 3. Mai schrieb er an dieselbe:

G „Liebe Jenny. estern und heute waren Tage des Genusses für mich;
gestern hatten wir keine Sitzung, heute nur eine von kurzer Dauer und keine
Commissionsarbeiten. So sind wir denn gestern nach Homburg gefahren,
ein Paradies in Deutschland, herrlich am Fuße des Taunus gelegen, mild
wie der Süden, das lieblichste Städtchen und fröhliche Menschen. Und in
diesem Paradiese treibt der Teufel des Spiels sein Unwesen in größter Aus¬
dehnung; während wir schwelgten in der Natur, steckten vier Prachtsäle voll
Gauner, die sich das Gold abnahmen und bald mit Gier verschlangen, bald
mit Verzweiflung Hingaben. Heut waren wir in Frankfurts Nähe auf einem
Berge, der nächst dem Taunus auch eine prächtige Aussicht auf Stadt und
Fluß gewährte und dabei sehr gutes — Bier bot. Solche Erholungspunkte
thun wahrlich wohl, man vergißt sein Elend dabei; und das Elend ist groß,
es ist doppelt schmerzlich, weil es unerwartet kommt. Diese Lumpen, die
jahrelang als freisinnig und entschieden galten, die man verehrte, sie sind jetzt
Stillstands- und Nückschrittsmenschen. Die Tyrannei ist überwunden, aber
dieses feige Geschlecht stellt sich in den Weg auf der Bahn zur Freiheit, Wir
könnten Deutschland regieren und dieses Volk ist zu erbärmlich, die losen
Zügel zu ergreifen, ja hält die Andern noch davon ab. Und das wird
immer schlimmer, denn die Republik hat Alles zu alten Weibern gemacht.
Hecker und Struve haben das Land verrathen nach dem Gesetz


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[0213] Nach seiner Rückkehr nach Frankfurt schrieb er Anfang Mai an seine Frau u. A.: „—- --Rouge ist längst von hier fort und zwar nach Rendsburg; es wäre gescheidt, wenn er sich irgendwo todt schießen ließe, denn seine Zeit ist aus. Wenn auch Bertha darüber jammert, es wäre doch besser, denn er arbeitet jetzt nur an seinem Untergange. — Daß die Meinen gesund sind, habe ich Dir von Cöln geschrieben; meine alte Mutter ist fast wahnsinnig geworden vor Freude, daß ihrem Sohne ein Fackelzug gebracht wurde; wie würde die sich freuen, wenn Du mit den Kindern nach Cöln kämst. Indessen es kann nicht sein. Beruhigen wir uns, wir müssen der Zeit Opfer bringen. Würde die Messe gut, so könntet Ihr Euch in eine rückgehende Kiste stecken lassen, aber es werden nur volle Kisten zurückgehen. Hier wird nichts, rein nichts verkauft. Lebe wohl, liebe Jenny, grüße und küsse mir die armen Kinder, die jetzt auch niemals in die Kneipe kommen; sie sollen nur gut und brav seyn, dann komme ich auch zurück und bringe ihnen etwas sehr Schönes mit. Wenn ich nur die Ostertage dort seyn könnte! Es geht aber nicht, also fort mit Wünschen, Bleibe gesund und munter. Von Herzen Gruß Robert." und Kuß von Deinem Am 3. Mai schrieb er an dieselbe: G „Liebe Jenny. estern und heute waren Tage des Genusses für mich; gestern hatten wir keine Sitzung, heute nur eine von kurzer Dauer und keine Commissionsarbeiten. So sind wir denn gestern nach Homburg gefahren, ein Paradies in Deutschland, herrlich am Fuße des Taunus gelegen, mild wie der Süden, das lieblichste Städtchen und fröhliche Menschen. Und in diesem Paradiese treibt der Teufel des Spiels sein Unwesen in größter Aus¬ dehnung; während wir schwelgten in der Natur, steckten vier Prachtsäle voll Gauner, die sich das Gold abnahmen und bald mit Gier verschlangen, bald mit Verzweiflung Hingaben. Heut waren wir in Frankfurts Nähe auf einem Berge, der nächst dem Taunus auch eine prächtige Aussicht auf Stadt und Fluß gewährte und dabei sehr gutes — Bier bot. Solche Erholungspunkte thun wahrlich wohl, man vergißt sein Elend dabei; und das Elend ist groß, es ist doppelt schmerzlich, weil es unerwartet kommt. Diese Lumpen, die jahrelang als freisinnig und entschieden galten, die man verehrte, sie sind jetzt Stillstands- und Nückschrittsmenschen. Die Tyrannei ist überwunden, aber dieses feige Geschlecht stellt sich in den Weg auf der Bahn zur Freiheit, Wir könnten Deutschland regieren und dieses Volk ist zu erbärmlich, die losen Zügel zu ergreifen, ja hält die Andern noch davon ab. Und das wird immer schlimmer, denn die Republik hat Alles zu alten Weibern gemacht. Hecker und Struve haben das Land verrathen nach dem Gesetz

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/213>, abgerufen am 24.07.2024.