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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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Industrie des Leichter-Mächens," welche Quenstedt Seite 104 zu Paragraph
IX des Gesetzes mittheilt, verdienen wirklich auch hier wiederholt zu werden:

°' "Die englische Zahlwaage (bemerkt Herr Seyd), deren Schalen 6--8 Zoll
Durchmesser haben, so daß bis zu 200 und S00 Pfd. Sterling darin gewogen
werden können, hängt an einem dreifüßiger Stempel, der auf dem Zahltische
steht, und vermittelst einer Hebelverbindung läßt sich der Waagebaum und
die sonst auf dem Tische ruhenden Schalen durch Fingerdruck heben. Gewichte,
die S, 10, 20, SO, 100 und 200 Pfund Sterling repäsentiren, werden je
nach der zu zählenden Summe in die eine Waagschale gelegt, in die andere
wirft der Cassirer mit einer kupfernen Schaufel die Sovereigns, und mit einer
oder zwei schnellen Bewegungen des Hebels durch Hinzufügen oder Wegnehmen
eines oder mehrerer Stücke kann er sofort die Zahl bestimmen. Er kann so
mit Genauigkeit in wenigen Secunden Summen verificiren, die -- mit der
Hand gezählt -- mehrere Minuten in Anspruch nehmen würden. Diese Er-
sparniß an Arbeit, die dadurch herbeigeführt wird, gehört mit zu den ökono¬
mischen Grundsätzen, durch deren praktische Application der englische Bankier
in Stand gesetzt wird, seine Kunden so billig und prompt zu bedienen, und
man muß die mit der Waage stattfindenden fortwährenden Operationen sehen,
um den Werth derselben schätzen zu können.

Weit wichtiger aber als diese bloße Ersparnis) an Zeit und Leuten ist
die Controle, die die Zahlwaage fortwährend über die Richtigkeit und das
gute Gewicht der englischen Goldmünzen selbst ausübt. Die Gewichtsstücke
haben ein Normalgewicht halbwegs zwischen dem Voll- und dem noch gesetz¬
lichen Bestand der Münzen, und irgend eine Partie Gold, die sich als unter
dieser Gewichtsnorm erweist -- was die Waage sofort anzeigt -- unterliegt
der Examination, wobei durch das Zurückhalbiren in der Waage entweder
ermittelt wird, ob die Stücke im Allgemeinen zu leicht find, oder vielleicht ein
schlechtes Stück gefunden wird. Dadurch wird das Abschwitzen oder
das künstliche Leichtmachen der Goldmünzen unpraktisch und
fast unmöglich, denn der Bankier kann sofort den Kunden bezeichnen,
der sich daraus ein Geschäft macht oder von Andern dazu benutzt wird. Das
Abschwitzen der Sovereigns in England kommt deshalb auch blos an einzelnen
Stücken vor "und bezahlt sich nicht ", weil es eben unmöglich ist,
eine größere Anzahl solcher Münzen in Zahlung zu geben
ohne sofortige Entdeckung der Quelle. -- Ueberhaupt leitet der
Gebrauch der Zahlwaage durch die Bankiers die Aufmerksamkeit des Publi¬
kums auf das durchschnittlich gute Aussehen der Stücke im Verkehr, und ob¬
gleich der Kunde nicht jedes Stück wiegen kann, und der Bankier selbst allen¬
falls leichte Stücke von ihm mit in Zahlung nimmt, so wird doch dadurch


Industrie des Leichter-Mächens," welche Quenstedt Seite 104 zu Paragraph
IX des Gesetzes mittheilt, verdienen wirklich auch hier wiederholt zu werden:

°' „Die englische Zahlwaage (bemerkt Herr Seyd), deren Schalen 6—8 Zoll
Durchmesser haben, so daß bis zu 200 und S00 Pfd. Sterling darin gewogen
werden können, hängt an einem dreifüßiger Stempel, der auf dem Zahltische
steht, und vermittelst einer Hebelverbindung läßt sich der Waagebaum und
die sonst auf dem Tische ruhenden Schalen durch Fingerdruck heben. Gewichte,
die S, 10, 20, SO, 100 und 200 Pfund Sterling repäsentiren, werden je
nach der zu zählenden Summe in die eine Waagschale gelegt, in die andere
wirft der Cassirer mit einer kupfernen Schaufel die Sovereigns, und mit einer
oder zwei schnellen Bewegungen des Hebels durch Hinzufügen oder Wegnehmen
eines oder mehrerer Stücke kann er sofort die Zahl bestimmen. Er kann so
mit Genauigkeit in wenigen Secunden Summen verificiren, die — mit der
Hand gezählt — mehrere Minuten in Anspruch nehmen würden. Diese Er-
sparniß an Arbeit, die dadurch herbeigeführt wird, gehört mit zu den ökono¬
mischen Grundsätzen, durch deren praktische Application der englische Bankier
in Stand gesetzt wird, seine Kunden so billig und prompt zu bedienen, und
man muß die mit der Waage stattfindenden fortwährenden Operationen sehen,
um den Werth derselben schätzen zu können.

Weit wichtiger aber als diese bloße Ersparnis) an Zeit und Leuten ist
die Controle, die die Zahlwaage fortwährend über die Richtigkeit und das
gute Gewicht der englischen Goldmünzen selbst ausübt. Die Gewichtsstücke
haben ein Normalgewicht halbwegs zwischen dem Voll- und dem noch gesetz¬
lichen Bestand der Münzen, und irgend eine Partie Gold, die sich als unter
dieser Gewichtsnorm erweist — was die Waage sofort anzeigt — unterliegt
der Examination, wobei durch das Zurückhalbiren in der Waage entweder
ermittelt wird, ob die Stücke im Allgemeinen zu leicht find, oder vielleicht ein
schlechtes Stück gefunden wird. Dadurch wird das Abschwitzen oder
das künstliche Leichtmachen der Goldmünzen unpraktisch und
fast unmöglich, denn der Bankier kann sofort den Kunden bezeichnen,
der sich daraus ein Geschäft macht oder von Andern dazu benutzt wird. Das
Abschwitzen der Sovereigns in England kommt deshalb auch blos an einzelnen
Stücken vor „und bezahlt sich nicht ", weil es eben unmöglich ist,
eine größere Anzahl solcher Münzen in Zahlung zu geben
ohne sofortige Entdeckung der Quelle. — Ueberhaupt leitet der
Gebrauch der Zahlwaage durch die Bankiers die Aufmerksamkeit des Publi¬
kums auf das durchschnittlich gute Aussehen der Stücke im Verkehr, und ob¬
gleich der Kunde nicht jedes Stück wiegen kann, und der Bankier selbst allen¬
falls leichte Stücke von ihm mit in Zahlung nimmt, so wird doch dadurch


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/206>, abgerufen am 22.12.2024.