Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.Marsches und theilen die Korkes -- halb zerschnittene Guldennoten aus. Die Korkes sind die wichtigsten Leute bei der Wahl. Ernste, würdige
Dabei stürzt er den Rothen hinunter, läßt die Guldennoten auf den Am Wahltage führt der Korkes die Angeworbenen in langen Zügen Marsches und theilen die Korkes — halb zerschnittene Guldennoten aus. Die Korkes sind die wichtigsten Leute bei der Wahl. Ernste, würdige
Dabei stürzt er den Rothen hinunter, läßt die Guldennoten auf den Am Wahltage führt der Korkes die Angeworbenen in langen Zügen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0198" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/128126"/> <p xml:id="ID_641" prev="#ID_640"> Marsches und theilen die Korkes — halb zerschnittene Guldennoten aus.<lb/> Wohl gemerkt halbzerschnittene. Die Hälfte mit der Nummer bleibt in der<lb/> Hand des Kandidaten und erst wenn der Wähler als „Stimmvieh" seine<lb/> Pflicht und Schuldigkeit gethan, erhält er auch die andere Hälfte der Gulden¬<lb/> note, die er dann zusammenklebe. Der Candidat selbst wandelt unter seinen<lb/> Getreuen herum. Sonst kann er nur „ungarisch" reden, heute aber ist der Mann<lb/> im Attila, mit den bespornten Tschischmen und dem langen Schnauzbart<lb/> ganz Polyglott. Er läßt sich herab deutsch mit den „dummen Schwaben"<lb/> zu reden, das wegwerfende todt uzen «zmdsr (der Slave ist kein Mensch)<lb/> erklingt heute nicht gegenüber den Slowaken, ja. der Candidat schreitet zu<lb/> den „verdammten Juden" hin, nennt sie „liebe israelitische Brüder" und<lb/> speist mit ihnen die koscheren Gerüchte. Er ist liebenswürdig nach rechts und<lb/> links und findet freundliche Aufnahme, denn die Korkes haben alles wohl<lb/> vorbereitet.</p><lb/> <p xml:id="ID_642"> Die Korkes sind die wichtigsten Leute bei der Wahl. Ernste, würdige<lb/> Männer kann man zu ihnen nicht gebrauchen. Ein heiterer, fideler Bursche,<lb/> mit unendlichem Durste, mit bunter Jacke, die von Silberknöpfen strotzt, prall<lb/> anliegenden Hosen, Bänder am Hute, Sporen an den hohen Stiefeln, so<lb/> präsentirt sich der Korkes, der Stimmenwerber. Heiter tritt er in den Kreis<lb/> seiner Schlachtopfer, er singt eine Strophe aus Mörösmartys Lied vom F6t:</p><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_8" type="poem"> <l> Doch wer feindlich als Verräther kam herein,<lb/> Darf nicht leben, sei vertilgt wie dieser Wein.</l> </lg> </quote><lb/> <p xml:id="ID_643"> Dabei stürzt er den Rothen hinunter, läßt die Guldennoten auf den<lb/> Wirthshaustisch fallen und erklärt sich für den einzig wahren Freund der<lb/> Wähler, seinen Candidaten für den einzig guten. Je nachdem die Federn auf<lb/> dem Hute der Korkes weiß oder grün sind, weiß man auch für wen sie<lb/> werben. Und der geschickte Mann wirbt wochenlang, monatelang, Sonntags<lb/> nach der Kirche, bis er fest sitzt an den Bauern wie ein Blutegel und wehe<lb/> dann den Werbern der Gegenpartei, wenn sie in ein gut bearbeitetes Dorf<lb/> kommen sollten!</p><lb/> <p xml:id="ID_644"> Am Wahltage führt der Korkes die Angeworbenen in langen Zügen<lb/> herbei und siegt sein Candidat, dann weiß er auch, wie ihm gelohnt wird.<lb/> Bei den eben abgelaufenen Wahlen, welche der Deakpartei einen so eklatanten<lb/> Sieg verschafften, konnte man die ungarischen Wahlmanöver mit einer Voll¬<lb/> kommenheit , Energie und Wuth durchgesetzt sehen. wie seit langen Jahren<lb/> nicht. Das hatte auch seinen guten Grund. Die Linke kämpfte auf Tod<lb/> und Leben, sie wußte, daß wenn sie jetzt unterlag, sie von einer großen poli¬<lb/> tischen Partei, zu einer kleinen Fraktion zusammenschrumpfen müßte. Das<lb/> ist der Fall gewesen, und das ist gut im Interesse Oesterreichs wie Deutschlands.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0198]
Marsches und theilen die Korkes — halb zerschnittene Guldennoten aus.
Wohl gemerkt halbzerschnittene. Die Hälfte mit der Nummer bleibt in der
Hand des Kandidaten und erst wenn der Wähler als „Stimmvieh" seine
Pflicht und Schuldigkeit gethan, erhält er auch die andere Hälfte der Gulden¬
note, die er dann zusammenklebe. Der Candidat selbst wandelt unter seinen
Getreuen herum. Sonst kann er nur „ungarisch" reden, heute aber ist der Mann
im Attila, mit den bespornten Tschischmen und dem langen Schnauzbart
ganz Polyglott. Er läßt sich herab deutsch mit den „dummen Schwaben"
zu reden, das wegwerfende todt uzen «zmdsr (der Slave ist kein Mensch)
erklingt heute nicht gegenüber den Slowaken, ja. der Candidat schreitet zu
den „verdammten Juden" hin, nennt sie „liebe israelitische Brüder" und
speist mit ihnen die koscheren Gerüchte. Er ist liebenswürdig nach rechts und
links und findet freundliche Aufnahme, denn die Korkes haben alles wohl
vorbereitet.
Die Korkes sind die wichtigsten Leute bei der Wahl. Ernste, würdige
Männer kann man zu ihnen nicht gebrauchen. Ein heiterer, fideler Bursche,
mit unendlichem Durste, mit bunter Jacke, die von Silberknöpfen strotzt, prall
anliegenden Hosen, Bänder am Hute, Sporen an den hohen Stiefeln, so
präsentirt sich der Korkes, der Stimmenwerber. Heiter tritt er in den Kreis
seiner Schlachtopfer, er singt eine Strophe aus Mörösmartys Lied vom F6t:
Doch wer feindlich als Verräther kam herein,
Darf nicht leben, sei vertilgt wie dieser Wein.
Dabei stürzt er den Rothen hinunter, läßt die Guldennoten auf den
Wirthshaustisch fallen und erklärt sich für den einzig wahren Freund der
Wähler, seinen Candidaten für den einzig guten. Je nachdem die Federn auf
dem Hute der Korkes weiß oder grün sind, weiß man auch für wen sie
werben. Und der geschickte Mann wirbt wochenlang, monatelang, Sonntags
nach der Kirche, bis er fest sitzt an den Bauern wie ein Blutegel und wehe
dann den Werbern der Gegenpartei, wenn sie in ein gut bearbeitetes Dorf
kommen sollten!
Am Wahltage führt der Korkes die Angeworbenen in langen Zügen
herbei und siegt sein Candidat, dann weiß er auch, wie ihm gelohnt wird.
Bei den eben abgelaufenen Wahlen, welche der Deakpartei einen so eklatanten
Sieg verschafften, konnte man die ungarischen Wahlmanöver mit einer Voll¬
kommenheit , Energie und Wuth durchgesetzt sehen. wie seit langen Jahren
nicht. Das hatte auch seinen guten Grund. Die Linke kämpfte auf Tod
und Leben, sie wußte, daß wenn sie jetzt unterlag, sie von einer großen poli¬
tischen Partei, zu einer kleinen Fraktion zusammenschrumpfen müßte. Das
ist der Fall gewesen, und das ist gut im Interesse Oesterreichs wie Deutschlands.
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