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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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recht verhießen. Eben so wenig wirkte endlich die Drohung sie von vier
Pferden lebendig zerreißen zu lassen; kurz, nach ihren eigenen Aussagen be¬
währte sie sich als Heldin, die Niemanden compromittiren wollte.

Anders das Thurmbuch. Dieses stellt sie hin einfach als Schwindlerin
und Betrügerin im großen Styl. Das Actenstück lautet:

"Dieweil nun Gott die Werke der Finsterniß an das Tageslicht bringt,
und durch göttliche Verhängniß die Weisheit der Weisen und die Klugheit
der Gottlosen zu Schanden gemacht wird, so soll manniglichen, der steht, zu¬
setzn, daß er nicht falle, sich durch Hochmuth, Stolz, Ehr- oder Geldgeiz nicht
zu der Untreue lasse, etwa mit Freunden geheime Correspondenzen zum Nach¬
theil eines Standes oder seines Nebenmenschen zu unterhalten und sie dadurch
ihres Thuns und Lassens zu verrathen; noch durch Betrug und Falschheit
suche, hohe Personen in den Verdacht einer Verrätherei zu bringen und zu
solchem Ende dero ehrliche Namen mit erdichteten Worten zu entheiligen und
zu mißbrauchen; noch durch listige Reden und Anschläge Unordnung und
Verwirrung in einem Stand anzurichten, welches ein Werkzeug alles Bösen
ist, das vom Satan herkömmt, noch durch den Geldglanz sich zum Bösen
verführen lasse oder andern dadurch zu Lastern anwecke und sie zu verblenden
suche; denn ein solch böses Leben ein böses Ende nimmt, und ist der Tod
solcher Sünden Sold, wie wir dessen ein lebendiges Beispiel an vor Augen
stehender Person Samuels Perregaux von Vallendis Ehefrauen
sehen, als welche des Standes in den Gott sie gesetzet, sich nicht vergnüget,
sondern anstatt ihrer Haushaltung obzuliegen und ein stilles und gottseliges
Leben zu führen, sich unterm Prätext obhalben der nothwendigen Euren hin-
und herbegeben, mit dem französischen zu Solothurn residirenden Ambassa-
doren nachdenkliche Correspondenzen angestellt, sich endlich allhier gesetzet, bei
dreien Monaten ihren schändlichen Briefwechsel ganz heimlich getrieben, auf
erschollenes Gerücht aber den 8. December 1689 gefänglich eingesetzt, ihre
Schriften visitirt, unter welchen 32 Stück von der Hand des ermeldetem fran¬
zösischen Herrn Ambassadoren Geheimschreiber geschrieben und sowohl in den¬
selben als ihren eignen an gedachten Seeretarium und andre des Hofes ab¬
gelassene Briefen viele, seltsam verdeckte Namen, wie auch einen Schlüssel
über dieselben in einem Sackkalender verzeichnet und vier Tabletten, deren sie
sich bedient, ihre Berichte darin nach Hof zu schicken, gefunden; über das
Einde und Andre durch eine von M. G. H. H. R. und B.verordnete, hoch¬
ansehnliche Commission zu unterschiedlichen Malen sowohl freundlich als ernst¬
lich examinirt worden. Da sie aber anstatt der lauteren Wahrheit Gott zu
Ehren und der Obrigkeit zu Gehorsamen, in ihrer Bekenntniß viel Bosheiten
und falsche, erdichtete Reden gebraucht, ja in währender Haft sowohl gegen



D. Red. Meine Gnädiger Herren Räthe und Burger.

recht verhießen. Eben so wenig wirkte endlich die Drohung sie von vier
Pferden lebendig zerreißen zu lassen; kurz, nach ihren eigenen Aussagen be¬
währte sie sich als Heldin, die Niemanden compromittiren wollte.

Anders das Thurmbuch. Dieses stellt sie hin einfach als Schwindlerin
und Betrügerin im großen Styl. Das Actenstück lautet:

„Dieweil nun Gott die Werke der Finsterniß an das Tageslicht bringt,
und durch göttliche Verhängniß die Weisheit der Weisen und die Klugheit
der Gottlosen zu Schanden gemacht wird, so soll manniglichen, der steht, zu¬
setzn, daß er nicht falle, sich durch Hochmuth, Stolz, Ehr- oder Geldgeiz nicht
zu der Untreue lasse, etwa mit Freunden geheime Correspondenzen zum Nach¬
theil eines Standes oder seines Nebenmenschen zu unterhalten und sie dadurch
ihres Thuns und Lassens zu verrathen; noch durch Betrug und Falschheit
suche, hohe Personen in den Verdacht einer Verrätherei zu bringen und zu
solchem Ende dero ehrliche Namen mit erdichteten Worten zu entheiligen und
zu mißbrauchen; noch durch listige Reden und Anschläge Unordnung und
Verwirrung in einem Stand anzurichten, welches ein Werkzeug alles Bösen
ist, das vom Satan herkömmt, noch durch den Geldglanz sich zum Bösen
verführen lasse oder andern dadurch zu Lastern anwecke und sie zu verblenden
suche; denn ein solch böses Leben ein böses Ende nimmt, und ist der Tod
solcher Sünden Sold, wie wir dessen ein lebendiges Beispiel an vor Augen
stehender Person Samuels Perregaux von Vallendis Ehefrauen
sehen, als welche des Standes in den Gott sie gesetzet, sich nicht vergnüget,
sondern anstatt ihrer Haushaltung obzuliegen und ein stilles und gottseliges
Leben zu führen, sich unterm Prätext obhalben der nothwendigen Euren hin-
und herbegeben, mit dem französischen zu Solothurn residirenden Ambassa-
doren nachdenkliche Correspondenzen angestellt, sich endlich allhier gesetzet, bei
dreien Monaten ihren schändlichen Briefwechsel ganz heimlich getrieben, auf
erschollenes Gerücht aber den 8. December 1689 gefänglich eingesetzt, ihre
Schriften visitirt, unter welchen 32 Stück von der Hand des ermeldetem fran¬
zösischen Herrn Ambassadoren Geheimschreiber geschrieben und sowohl in den¬
selben als ihren eignen an gedachten Seeretarium und andre des Hofes ab¬
gelassene Briefen viele, seltsam verdeckte Namen, wie auch einen Schlüssel
über dieselben in einem Sackkalender verzeichnet und vier Tabletten, deren sie
sich bedient, ihre Berichte darin nach Hof zu schicken, gefunden; über das
Einde und Andre durch eine von M. G. H. H. R. und B.verordnete, hoch¬
ansehnliche Commission zu unterschiedlichen Malen sowohl freundlich als ernst¬
lich examinirt worden. Da sie aber anstatt der lauteren Wahrheit Gott zu
Ehren und der Obrigkeit zu Gehorsamen, in ihrer Bekenntniß viel Bosheiten
und falsche, erdichtete Reden gebraucht, ja in währender Haft sowohl gegen



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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/190>, abgerufen am 25.08.2024.