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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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vor den versammelten Zweihundert, so daß Jenner in eine furchtbare Wuth
gerieth und erklärte, er verhöre das Weib nicht mehr, wenn man sie nicht in
ein anderes Gefängniß bringe und von jedem Verkehr nach Außen abschließe.
Auch Dachselhofer verlangte seine Entlassung; wurde aber trotz seines ernst¬
lichen Widerstreben? aufgefordert, mit dem gesammten Ausschuß fortzufahren.
Und am 12. December 1689 beschloß der Rath: Weil aus diesem Prozeß
heiter erscheint, daß diese Person voll Bosheit stecket und bei weitem nicht be¬
kennt, was sie weiß, besonders die Erplieation der in den Schreiben enthal¬
tenen noch unbekannten Namen, an denen uns so viel gelegen, so wollen wir
nicht nachlassen, bis die Wahrheit an den Tag gekommen. Darum wird die
Entlassung der Richter nicht angenommen. Die Untersuchung soll ihren Fort¬
gang haben und zwar anfangs noch ernstwörtig, hernach mit dem Daumeisen
und vollkommener Marter und zwar baldmöglichst, das heißt: zuerst soll man
ihr mit der Folter drohen. Sollte dies nicht zum Ziel führen, ihr dieselbe
zeigen und wenn sie dann noch im Läugnen verharre, sie leer aufziehn. Um
aber während der vom Landvolk zahlreich besuchten Messe unnöthiges Aufsehen
zu verhüten, soll man in der Insel ein Zimmer zur Folter einrichten. Aber¬
mals wird die Geistlichkeit in einem besondern Schreiben aufgefordert die Ge¬
fangene fleißig zu besuchen, und Alles aufzubieten, die Gefangene zum Geständ-
niße zu bringen, "denn Räthe und Bürger werden nicht ruhen, bis die in
der Insel enthaltene Weibsperson ihr Herz recht und vollkommen geräumt
haben wird, damit nicht die Richter verführt, die höchste Confusion angerichtet
und die recht Schuldigen im Verborgenen gelassen werden." Auch das half
nichts. Die Bürgerschaft gerieth nun in furchtbare Aufregung. Auf den
Zünften ließen sich Reden hören wie: "es lasse sich die Obrigkeit die Sache
wegen der in der Insel gefangenen Weibsperson nicht genug angelegen sein;
man nehme nicht die gehörigen "Mesuren". Ja die Bürger hielten Ver¬
sammlungen, schickten Patrouillen aus die Hauptwache. Der große Rath,
darüber in höchster Bestürzung, mahnte den 27. December 1689 den Kriegs¬
und Geheimen- Rath zu besonderen Maßnahmen wegen Sicherheit des Vater¬
landes. Alle Nächte sollten zwölf Rathsglieder sich auf dem Rathhause ver¬
sammeln und die Stadt während der ganzen Nacht in allen Richtungen durch¬
ziehen. Ja die Bürgerschaft wurde aufs Ernstlichste von bösen Reden gegen
die hohe Obrigkeit abgemahnt und ihr strenge Bestrafung der Schuldigen ver¬
sprochen. Das Neujahr 1690 wurde statt in froher Lust in stürmischer Auf¬
regung angetreten.

Endlich entschloß sich der Rath zum Handeln.

Den 6. Januar 1690 ließ er die Perregaux aus der Insel in den Käfich¬
thurm bringen und daselbst im obern Gätterstübli an den Ofen schmieden.
Noch wurde ihr der Reinigungseid angeboten und die Freiheit, wenn sie


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vor den versammelten Zweihundert, so daß Jenner in eine furchtbare Wuth
gerieth und erklärte, er verhöre das Weib nicht mehr, wenn man sie nicht in
ein anderes Gefängniß bringe und von jedem Verkehr nach Außen abschließe.
Auch Dachselhofer verlangte seine Entlassung; wurde aber trotz seines ernst¬
lichen Widerstreben? aufgefordert, mit dem gesammten Ausschuß fortzufahren.
Und am 12. December 1689 beschloß der Rath: Weil aus diesem Prozeß
heiter erscheint, daß diese Person voll Bosheit stecket und bei weitem nicht be¬
kennt, was sie weiß, besonders die Erplieation der in den Schreiben enthal¬
tenen noch unbekannten Namen, an denen uns so viel gelegen, so wollen wir
nicht nachlassen, bis die Wahrheit an den Tag gekommen. Darum wird die
Entlassung der Richter nicht angenommen. Die Untersuchung soll ihren Fort¬
gang haben und zwar anfangs noch ernstwörtig, hernach mit dem Daumeisen
und vollkommener Marter und zwar baldmöglichst, das heißt: zuerst soll man
ihr mit der Folter drohen. Sollte dies nicht zum Ziel führen, ihr dieselbe
zeigen und wenn sie dann noch im Läugnen verharre, sie leer aufziehn. Um
aber während der vom Landvolk zahlreich besuchten Messe unnöthiges Aufsehen
zu verhüten, soll man in der Insel ein Zimmer zur Folter einrichten. Aber¬
mals wird die Geistlichkeit in einem besondern Schreiben aufgefordert die Ge¬
fangene fleißig zu besuchen, und Alles aufzubieten, die Gefangene zum Geständ-
niße zu bringen, „denn Räthe und Bürger werden nicht ruhen, bis die in
der Insel enthaltene Weibsperson ihr Herz recht und vollkommen geräumt
haben wird, damit nicht die Richter verführt, die höchste Confusion angerichtet
und die recht Schuldigen im Verborgenen gelassen werden." Auch das half
nichts. Die Bürgerschaft gerieth nun in furchtbare Aufregung. Auf den
Zünften ließen sich Reden hören wie: „es lasse sich die Obrigkeit die Sache
wegen der in der Insel gefangenen Weibsperson nicht genug angelegen sein;
man nehme nicht die gehörigen „Mesuren". Ja die Bürger hielten Ver¬
sammlungen, schickten Patrouillen aus die Hauptwache. Der große Rath,
darüber in höchster Bestürzung, mahnte den 27. December 1689 den Kriegs¬
und Geheimen- Rath zu besonderen Maßnahmen wegen Sicherheit des Vater¬
landes. Alle Nächte sollten zwölf Rathsglieder sich auf dem Rathhause ver¬
sammeln und die Stadt während der ganzen Nacht in allen Richtungen durch¬
ziehen. Ja die Bürgerschaft wurde aufs Ernstlichste von bösen Reden gegen
die hohe Obrigkeit abgemahnt und ihr strenge Bestrafung der Schuldigen ver¬
sprochen. Das Neujahr 1690 wurde statt in froher Lust in stürmischer Auf¬
regung angetreten.

Endlich entschloß sich der Rath zum Handeln.

Den 6. Januar 1690 ließ er die Perregaux aus der Insel in den Käfich¬
thurm bringen und daselbst im obern Gätterstübli an den Ofen schmieden.
Noch wurde ihr der Reinigungseid angeboten und die Freiheit, wenn sie


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/188>, abgerufen am 25.08.2024.